Das Neobarock im Innsbrucker Hotel Europa, nachdem es mutmaßlich mit dem Stemmhammer bearbeitet wurde: Bild einer "Übergabe".

Foto: BDA Barocksaal

Verwaltungsstrafe von 3600 Euro: Das war die Konsequenz aus dem Abriss eines Architekturjuwels der Tiroler Nachkriegsmoderne im Herbst 2018. Das Demolieren eines historischen Saals im Innsbrucker Hotel Europa könnte es noch billiger geben. Denn anders als bei dem von Architekt Josef Lackner 1969/70 für den Künstler Paul Flora errichteten Privathallenbad, auf das 2018, just als es unter Denkmalschutz gestellt werden sollte, plötzlich ein Baum gefallen ist, wird es im aktuellen Fall wohl nicht einmal ein gerichtliches Nachspiel geben.

Angesichts der Gemengelage aus privaten Bauträgerinteressen, Denkmalschutzfragen und politischer Handlungsunfähigkeit fühlen sich in Innsbruck derzeit dennoch manche ans Flora-Bad erinnert.

Mitte Jänner wurden Fotos publik, die den um 1888 im Stil des Neobarock errichteten Festsaal im Hotel Europa zeigen – oder vielmehr das, was von ihm übrig geblieben ist. Unbekannte hatten anscheinend mit dem Stemmhammer sämtliche Stuck- und Zierelemente von Decke und Wänden abgeschlagen. Die Empörung ist seither groß, der Saal stand aber nicht unter Schutz. Allerdings wollte das Denkmalamt prüfen, ob das zu ändern sei.

Mitte November wurde das Hotel durch die PIMM Hotel Europa Tyrol Besitzgesellschaft m.b.H. mit Sitz in Rom um 23,15 Millionen Euro an die Innsbrucker Carl Ludwig Immobilien GmbH verkauft. Das Denkmalamt habe Ende Oktober um einen Termin für eine Begehung angesucht, sagt der Tiroler Landeskonservator Walter Hauser dem STANDARD. Zutritt habe man erst am 22. Dezember erhalten. Da war der Saal schon zerstört. Die Rechtsanwälte sowohl von Käufer- als auch Verkäuferseite erklärten nach Bekanntwerden des Falls, ihre Mandanten hätten mit der Zerstörung nichts zu tun. Unterschiedlich sind die Angaben zum Zeitpunkt der Übergabe.

Kein Denkmalschutz

Sie sei "am 25. November" erfolgt, so Dietmar Czernich, Rechtsvertreter der Verkäufer. Michael Mikuz, Rechtsvertreter der Käufer, erklärt, vertraglich sei die Übergabe am 15. Jänner 2021 vereinbart worden. So steht es auch im Kaufvertrag, der dem STANDARD vorliegt, darin ist außerdem festgehalten, "dass hinsichtlich des gesamten Kaufgegenstandes kein Denkmalschutz oder sonstiger behördlicher Objektschutz zur verpflichteten Erhaltung des Gebäudes besteht".

Der Ruf nach Konsequenzen kommt jetzt aus allen politischen Lagern. "Zerstörung von Kulturgut darf sich nicht wirtschaftlich auszahlen", empörte sich der Tiroler Nationalratsabgeordnete Hermann Weratschnig (Grüne), Gemeinderat Lucas Krackl (Für Innsbruck) fordert eine "umfassende Prüfung". Strafrechtliche Relevanz besteht nach derzeitigem Wissensstand jedoch nicht. Aus dem Amt für Baurecht heißt es, es habe sich beim Zerstörungsakt um keine Bautätigkeit nach der Tiroler Bauordnung gehandelt, somit bestand keine Genehmigungspflicht. Das war vor knapp zweieinhalb Jahren anders, als die Wogen wegen der Zerstörung des Flora-Bades hochgingen. Der Lackner-Bau sollte unter Denkmalschutz gestellt werden, dann fiel ein Baum auf das Bad, und der Eigentümer ließ den Schutt durch einen Bagger entfernen. Eine Wiederinstandsetzung durch die Stadt wurde abgeschmettert, übrig blieb eine Geldstrafe in Höhe der erwähnten 3600 Euro, weil der Eigentümer eine Abbruchanzeige bei der Baubehörde hätte einbringen müssen. Das geht aus einer Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Tirol hervor. Im Urteilstext heißt es, dem Eigentümer müsse "klar gewesen sein, dass nach einem Abbruch eine Wiederherstellung nur erschwert möglich ist und das denkmalrechtliche Verfahren ausgehebelt wird". Auf dem Grundstück ist übrigens der Bau einer Wohnanlage geplant.

Der Innsbrucker Immobilienmarkt ist heiß umkämpft, "solche Strafen schrecken natürlich niemanden ab", sagt der Leiter des Stadtplanungsamtes, Wolfgang Andexlinger, zum Ausgang des Falls Flora-Bad. Was das Hotel Europa betrifft, habe er bereits im Herbst eine Überprüfung der Widmung veranlasst. Nach derzeitigem Stand – das Hotel steht in einer Kerngebietszone – sei von Wohnbau bis zu Betriebsansiedlungen nämlich "alles machbar". Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi (Grüne) wünscht sich am Standort jedenfalls "einen öffentlichen Mehrwert". (Ivona Jelcic, 29.1.2021)