Der Lockdown treibt die Menschen zu allerhand, manche müssen sich neue Proberäume suchen.

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Früher, vor allem in den warmen Sommermonaten, hörten wir sie immer aus der Ferne – die betörenden Lieder eines Musikers oder einer Musikerin bei uns in der Nachbarschaft. Es musste eine Oboe sein, da waren wir uns recht sicher, als wir abends oft auf dem Balkon saßen und den Klängen lauschten.

Dann kam Corona, und die Musik verstummte, allerdings gaben wir dem kalten Winter die Schuld und dachten, weil wir kaum noch im Freien sind und die Fenster nun meist geschlossen sind, hören wir sie schlichtweg nicht. Bis wir eines Tages, es war Ende März, bei einem abendlichen Spaziergang eine Entdeckung machten. Genau in jener Ecke, aus der die Musik ansonsten kam, saß ein Mann in seinem geparkten Auto und übte darin Oboe.

Endlich hatten wir ein Gesicht zu den Melodien! Doch gleichzeitig wunderten wir uns über den ungewöhnlichen "Proberaum". Und nicht nur wir, auch allerhand andere Passanten schmunzelten im Vorbeigehen. Diese Situation wirft natürlich viele Fragen auf, vor allem aber jene: Warum? Hier ist viel Raum für Spekulationen.

Piano im Taxi

Zum reinen Zeitvertreib scheint es nicht zu sein. Wie es etwa jener Taxifahrer macht – von dem mir ein Kollege unlängst erzählte –, der zum Überbrücken der Zeit, in der er auf seine nächsten Kunden wartet, im Auto ein Elektropiano dabeihat. Nein, der Oboist, das liegt recht nahe, musste ins Auto ausweichen. Womöglich weil im Lockdown Familie oder Mitbewohner nun tagtäglich daheim sind und sich vom Üben gestört fühlen. Oder es sind die Nachbarn – nun im Homeoffice –, die das regelmäßige Gedüdel nicht mehr aushalten.

Immerhin hat der Mann ein Auto, in das er ausweichen kann. Komplizierter dürfte es bei den Orchesterproben werden, aber selbst die finden in Zeiten wie diesen ja schon virtuell statt. (Bernadette Redl, 29.1.2021)