Noch immer bestimmt Covid-19 den Alltag in Österreich. Die tägliche Berichterstattung ist geprägt von neuen Infektionszahlen sowie von der Ankündigung und Implementierung neuer beziehungsweise angepasster Regelungen und Maßnahmen, die dazu beitragen sollen das Infektionsgeschehen zu kontrollieren. Mitunter war in den Medien in der Vergangenheit auch von regionalen Hotspots die Rede und die sogenannte Corona-Ampel sorgte für Aufregung. In der Folge galten Maßnahmen und Beschränkungen zum Teil nur für Bezirke mit hohen Inzidenzwerten. In der politischen Kommunikation tauchten – insbesondere vor dem Hintergrund des Wiener Wahlkampfes – da und dort "Hypothesen" über den Zusammenhang zwischen der Intensität der "Welle(n)" und der Frage der Urbanität auf.

Eine fundierte, systematische und differenzierte räumliche Betrachtung der Verbreitung abseits der Verwaltungsgrenzen von Bundesländern oder Bezirken, und damit die Frage ob und wie sich Raumtypen in ihrer Entwicklungsdynamik unterscheiden, stand bislang aber noch kaum im Fokus oder wurde zu Zeiten der "Corona-Ampel" allenfalls auf der Ebene der Bezirke angestellt.

Urban, ländlich und das Dazwischen

Österreich, das sind Städte und ländliche Regionen, aber auch Gemeinden, die irgendwo dazwischen liegen. Das Bundesamt für Statistik (Statistik Austria) unterscheidet in seiner Raumtypologie anhand von Kriterien wie Siedlungsdichte, Infrastrukturausstattung und Pendlerströmen grundsätzlich zwischen vier Raumtypen für Gemeinden:

  • Urbane Zentren, wie beispielsweise Wien, Graz, Leoben, Linz, Klagenfurt oder Dornbirn
  • Regionale Zentren, wie zum Beispiel Zwettl, Liezen, Landeck oder Völkermarkt,
  • Ländlicher Raum im Umland von Zentren, wie zum Beispiel Gerasdorf bei Wien, Engerwitzdorf bei Linz oder Koppl bei Salzburg sowie
  • Ländlicher Raum und damit Gemeinden wie beispielsweise Mariazell, Admont, Bad Gastein oder Kals am Großglockner.

Räumliche Streuung des Covid-19 Infektionsgeschehens in Österreich

Nutzt man diese Typologie und betrachtet das Covid-19 Infektionsgeschehen in Österreich anhand dieser vier Raumtypen wird deutlich, dass Gemeinden des ländlichen Raumes während der großen Infektionswelle im Herbst die höchsten Werte aufweisen. Im Frühjahr und Winter (Weihnachten) liegen die regionalen Zentren an der Spitze, gefolgt von den Gemeinden des ländlichen Raumes. Demgegenüber zeigt sich in den Urbanen Zentren bereits Ende August ein beginnender Aufwärtstrend, der im Vergleich zu den übrigen Raumtypen hier deutlich früher einsetzt. Während in der darauffolgenden dynamischen Phase die Entwicklung in allen Raumtypen weitestgehend parallel verläuft, liegt der Höchstwert in den Urbanen Zentren letztlich deutlich unter jenen der übrigen Kategorien. Bereits in der ersten Welle im März 2020 war dieses Phänomen zu erkennen. Am Höhepunkt dieser Phase waren die Werte im ländlichen Raum doppelt so hoch, wie in den Urbanen Zentren.

Beim Blick auf die Veränderungen im Zusammenhang mit den drei Lockdown-Perioden zeigen sich in allen Raumtypen unmittelbare und deutliche Effekte. Dabei sind die Rückgänge der Infektionszahlen im zweiten Lockdown in ihrer Dimension durchaus eindrucksvoll und verlaufen auch weitestgehend synchron. Letztlich stehen aber die Urbanen Zentren und deren Umland hinsichtlich des durch den zweistufigen Lockdown erreichten niedrigeren Niveaus der Neuinfektionen besser da.

Das Diagramm zeigt die Entwicklung der wöchentlichen positiven Testungen pro 100.000 Einwohner im Jahr 2020 unterschieden nach den vier Raumtypen Urbane Zentren (rot), Regionale Zentren (violett), Ländlicher Raum im Umland von Zentren (hellblau) und Ländlicher Raum (grün). Ersichtlich sind zudem die "Lockdown-Phasen".
Foto: TU Wien
Das Diagramm zeigt die Entwicklung der Anzahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner im Jahr 2020 in den vier Raumtypen beziehungsweise in nochmals untergliederte Raumtypen der Raumtypologie der Statistik Austria. Kacheln in grün zeigen eine geringe Anzahl an Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in der jeweiligen Kalenderwoche, Kacheln in rot eine hohe Anzahl.
Foto: TU Wien

Starke regionale Unterschiede

Dieses Bild bestätigt sich auch im direkten Vergleich von Infektionsgeschehen und Siedlungsdichte anschaulich. Letztere wurde ja in den vergangenen Monaten mehrfach als mögliche treibende Kraft der Pandemie ins Spiel gebracht. Siedlungsdichte steht in dieser Argumentation für die Wahrscheinlichkeit von Begegnungen und damit gleichsam für Risiko.

Für diese Analyse wird Siedlungsdichte daher als räumliche Ballung der Bevölkerung innerhalb des tatsächlich besiedelten Raumes verstanden – und liefert damit letztlich eine Maßzahl für den sich aus der Zahl der Einwohner in Kombination mit der jeweils bestehenden Siedlungsstruktur ergebenden "Abstand" zwischen den Bewohnern. Stellt man diese "effektive" Siedlungsdichte der Summe der positiven Fallzahlen gegenüber, bestätigt sich der vermutete positive Zusammenhang zwischen der Siedlungsdichte und der Zahl der Neuinfektionen nicht.

Den hohen absoluten Fallzahlen in Ballungszentren wie Linz, Salzburg und Wien stehen überproportional höhere absolute Bevölkerungszahlen gegenüber. Auch in großen Teilen Niederösterreichs und des Burgenlandes mit ihren klar abgegrenzten, kompakten und verhältnismäßig dichten Ortschaften lag das Infektionsgeschehen insgesamt unterhalb des Durchschnitts. Demgegenüber weisen viele Gemeinden Oberösterreichs aber auch der Steiermark und Kärntens aufgrund der vorherrschenden Siedlungsstruktur zwar eine geringe Siedungsdichte auf, liegen aber beim Infektionsgeschehen auf hohem Niveau.

Gemeinden in der Farbe Pink zeigen an, dass dort die Anzahl der positiven Tests pro Einwohner hoch und die Siedlungsdichte gering ist, während in den in der Farbe Türkis darstellten Gemeinden die Anzahl der positiven Tests pro Einwohner gering und die Siedlungsdichte hoch ist. In den Gemeinden in der Farbe Dunkelblau ist sowohl die Anzahl der positiven Tests pro Einwohner als auch die Siedlungsdichte hoch.
Foto: TU Wien

Noch eindrucksvoller zeigt sich dieser im Wesentlichen umgekehrte Zusammenhang in der dynamischen Betrachtung einer Animation – besonders deutlich wird der "Ausbruch" der zweiten Welle im Oktober 2020 sichtbar, in dessen Verlauf den peripheren Regionen eine Schlüsselrolle zukommt.

Gebiete in der Farbe Dunkelorange zeigen hierbei eine hohe Anzahl von Neuinfektionen pro Woche, jene in der Farbe Grau eine geringe Anzahl von Neuinfektionen pro Woche. Betrachtet werden ausschließlich besiedelte Räume Österreichs – also ohne Flächen wie beispielsweise Gebirge oder Wälder.
SRF - TU Wien

Räumlichen Streuung und lokale Besonderheiten

Solche räumlichen Analysen können klarerweise keine schlüssigen Erklärungen über die jeweiligen dahinterliegenden oft sehr komplexen Ursachen des Infektionsgeschehen liefern. Sie helfen aber die Ausbreitungsmuster der Corona-Pandemie zu identifizieren. Das dezidierte Miteinbeziehen der räumlichen Komponente bei der Untersuchung der Ausbreitung der Corona-Pandemie sowie die Berücksichtigung lokaler Besonderheiten kann helfen, zukünftig Maßnahmen zielgerichteter zu formulieren und letztlich das Infektionsgeschehen effektiver einzudämmen. Letztlich war das ja auch das Anliegen, das mit der viel kritisierten Corona-Ampel verfolgt worden war. (Selim Banabak, Robert Kalasek, Florian Pühringer, Aggelos Soteropoulos, Yanli Zhang, 1.2.2021)