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Die österreichischen Unis vergeben meist nur befristete Verträge, dafür haben sie sich eine Ausnahme vom regulären Arbeitsrecht ausbedungen.

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Die Etablierung wissenschaftlicher Erkenntnisse dauert in der Regel sehr lang. Bei wissenschaftlichen Anstellungen ist das umgekehrt: Für die in Österreich Forschenden und Lehrenden gilt ein unbefristeter Vertrag nachgerade als Utopie, der Großteil des akademischen Personals hantelt sich von einem befristeten Engagement zum nächsten – Kettenverträge also.

In der regulären Arbeitswelt wäre eine solche Aneinanderreihung von befristeten Verträgen nicht zulässig, die Unis haben sich hier mit dem berüchtigten Paragrafen 109 des Universitätsgesetzes (UG) eine Sonderregelung ausbedungen. De facto können sich die Ketten – mit alibihalber eingelegten Pausen dazwischen – über Jahrzehnte erstrecken. Die ständige berufliche Unsicherheit macht die Lebensplanung schwierig, die Unzufriedenheit mit der geltenden Kettenvertragsregelung ist dementsprechend virulent.

Acht Jahre insgesamt

Die türkis-grüne Regierung hat mit der UG-Novelle nun allerdings eine Änderung des 109er vorgeschlagen, die erst recht für breiten Widerstand bei den Betroffenen sorgt. Die Stellungnahmen der Vertreter des akademischen Mittelbaus im Begutachtungsverfahren fallen weithin vernichtend aus, häufig ist von einem drohenden "Berufsverbot" zu lesen. Hintergrund: Es soll eine maximale Gesamtdauer befristeter Verträge von acht Jahren (etwa für Mitarbeiter von Forschungsprojekten) beziehungsweise sechs Jahren (für Lektoren) an einer Universität eingeführt werden.

Doch was passiert danach? Nachwuchswissenschafter fürchten vielfach, dass ihnen nach den acht Jahren in der Kette das Karriereende blüht, weil ihnen die Unis keine unbefristeten Verträge anbieten werden, mit denen sie weiterarbeiten könnten. Belastbare Prognosen, wie viele Uni-Mitarbeiter durch die Novelle tatsächlich aus dem System fallen und wie viele fix übernommen werden, gibt es nicht. Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) sagte jüngst im STANDARD-Interview, er hoffe auf die "biografische Verantwortung" der Unis nach der jahrelangen Bewährungsphase.

Regierung pokert

Thomas König, Experte für Hochschulgovernance am Institut für Höhere Studien (IHS), ist skeptisch: "Es würde mich wundern, wenn die Uni-Leitungen plötzlich anfingen, sich große Gedanken über den Lebensweg der einzelnen Mitarbeiter zu machen." Darauf zu setzen, dass die Unis ihre Fachkräfte unbedingt halten wollen und diese daher entfristen, sei ein "gewagter Poker der Regierung", so König. Immerhin sei die "akademische Reservearmee" groß genug, und die auf Flexibilität getrimmten Rektorate würden eher zur Anstellung neuer befristeter Mitarbeiter neigen.

Keine Kultur der Personalentwicklung

Als Motiv hierfür ortet der IHS-Experte einen historischen Schatten, der den waltenden Uni-Managern nachhängt. Denn viele von ihnen hätten in den 1980er- und 90er-Jahren einen österreichischen Hochschulbetrieb miterlebt, in dem mitunter auch mittelmäßige Wissenschafter verbeamtet und damit unkündbar wurden – bis zur Dienstrechtsnovelle im Jahre 2001 war das möglich. Das Bild eines trägen Systems, in dem zu wenige Stellen frei werden und Leistungsanreize fehlen, sei vielen Entscheidungsträgern noch heute als Negativszenario präsent und sorge für eine Reserviertheit gegenüber einer unbefristeten Stellenvergabe.

Allerdings sei die Analogie zwischen damals und heute sachlich kaum zutreffend, zumal ein unbefristeter Arbeitsvertrag auch an der Uni kündbar wäre. Dem pflichtet Anwalt Stefan Huber bei, er hat sich auf Hochschulrecht spezialisiert. "Das Problem ist, dass es an den Unis keine Kultur der Personalentwicklung gibt", sagt Huber. Die Hochschulen würden es sich bequem machen, indem sie nur befristete Verträge vergeben. So ersparten sie sich von vornherein das schwierige Thema Kündigung samt emotionalen und juristischen Streitigkeiten bei Härtefällen: "Die Institutsvorstände wollen sich nicht als Personalmanager verstehen, und die Rektorate haben keinen Überblick über die Qualität der Mitarbeiter", befindet Huber. Sollte hier ein Umdenken stattfinden, könne man den Paragrafen 109 auch ersatzlos aus dem Uni-Gesetz streichen und das normale Arbeitsrecht anwenden, meint der Jurist.

Risikofaktor Projektgeld

Für die aktuelle UG-Novelle kommt das auf politischer Ebene aber nicht infrage, wie soll es also weitergehen? Das Elise-Richter-Netzwerk, ein Zusammenschluss von Wissenschafterinnen des gleichnamigen Exzellenzprogramms, pocht auf mehr ausfinanzierte unbefristete Stellen der Unis. Die Forscherinnen werben seit vielen Jahren Drittmittel von Förderinstitutionen wie dem Wissenschaftsfonds FWF ein, um ihre Projekte betreiben zu können.

Sie sind an der Uni für die Dauer der jeweiligen Projekte befristet unter Vertrag, sorgen aber selbst für die Finanzierung ihrer Forschungsvorhaben und Stellen. "Das Risiko trägt jede Wissenschafterin allein. Wenn wir kein Projekt mehr bekommen, sind wir arbeitslos", erläutert die Evolutionsbiologin Barbara Fischer. Es sei aber nicht in Ordnung, den Druck fortwährend auf die Forscherinnen zu überwälzen, während die Uni gleichzeitig die Erfolge – etwa Patente und Publikationen – einheimst: "Wenn eine Wissenschafterin in kompetitiven internationalen Verfahren Projektgelder aufgestellt hat, sollten die Universitäten das auch anerkennen und ein Karrieremodell ermöglichen."

Frauen stark betroffen

Anreize dafür könne die Politik etwa in den Leistungsvereinbarungen mit den Unis verankern, indem Budgetmittel mit der Stellenvergabe verkoppelt werden. Eine Absicherung der Projektleiterinnen sei zudem ein Gebot der Geschlechtergerechtigkeit, befindet das Richter-Netzwerk. Denn während die Professorenschaft nach wie vor von Männern dominiert wird, sind Frauen in Drittmittelprojekten stark vertreten. Ein dräuendes Uni-Ende nach acht Jahren könnte vor allem einem weiblichen Exodus aus dem Wissenschaftsbetrieb Vorschub leisten.

Die grüne Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger verspricht im STANDARD-Gespräch Änderungen an der Novelle. So werde darüber verhandelt, die Zählung der maximal möglichen acht Jahre erst zu einem späteren Karrierezeitpunkt beginnen zu lassen. Eine Möglichkeit zur ewigen Aneinanderreihung von Befristungen soll es aber definitiv nicht geben: "Wenn man mit Mitte 50 kein Projekt mehr bekommt, ist das eine Katastrophe. Mit Mitte 30 kann man sich noch umorientieren." Blimlinger kann sich auch vorstellen, eine Richtlinie für Stellenpläne in den Leistungsvereinbarungen zu normieren. Prinzipiell ist ihr aber schleierhaft, weshalb die Rektorate nicht von sich aus bewährte Wissenschafter unbefristet an ihre Institution binden. (Theo Anders, 1.2.2021)