Stephan Zöchling hat mit Hans Peter Haselsteiner den steirischen Auspuffspezialisten Remus und die Vorarlberger Erne-Group gekauft, weil er immer schon Unternehmer werden wollte, wie er sagt. Davor hatte er bei großen Deals die Finger im Spiel, kennt Gott und die Welt mit Geld. Als Frank Stronach mit Opel zur Weltmacht aufsteigen wollte, war er im Verhandlungsteam dabei. Derzeit pendelt er zwischen Wien, der Steiermark und Vorarlberg.

STANDARD: Ministerin Leonore Gewessler hat jüngst verkündet, die E-Mobilität katapultiere uns in die Zukunft. Haben Sie mit einem Auspuffspezialisten wie Remus schon auf das richtige Pferd gesetzt?

Zöchling: Es ist beeindruckend, mit welcher Desinformationskampagne da gearbeitet wird. Uns wird vorgegaukelt, dass die E-Mobilität, die mit Sicherheit in verschiedenen Bereichen ihre Berechtigung hat, der Weisheit letzter Schluss ist.

STANDARD: Was dann?

Zöchling: Es wird eine Kombination sein. Die europäische Politik sollte darüber nachdenken, warum japanische, chinesische und koreanische OEM (Erstausrüster) aktuell im Jahr 2021 neue Verbrennungsmotorgenerationen für die Jahre 2030, 2035 und fortfolgende in Auftrag geben.

STANDARD: Viele europäische Länder haben sich auch für den Ausstieg aus dem Verbrenner entschieden.

Zöchling: In Zukunft wird es so sein, dass große europäische oder globale OEM abhängig sein werden von den Motorlieferungen aus China. Wir machen denselben Fehler noch einmal, den wir zum Beispiel in der Textil- oder der Halbleiterindustrie schon gemacht haben. Wir zerstören unsere Industrie in Europa und treiben die Betriebe ins Ausland. Ich halte es für eine unglaubliche Präpotenz, dass Europäer sagen, wir fahren mit E-Mobilen durch München, Hamburg oder Berlin – mit Strom aus Atomkraft oder kalorischen Kraftwerken in China.

Investmentbanker, Manager, Eigentümer. Der Wiener Stephan Zöchling hat mit Hans Peter Haselsteiner den steirischen Auspuffspezialisten Remus und die Vorarlberger Erne-Group, ein Zulieferer unter anderem auch für die Öl- und Gasindustrie, gekauft.
Andi Urban

STANDARD: Österreich hat den Abschied von Verbrennungsmotoren ohnehin noch nicht terminisiert.

Zöchling: Irgendwann wird man sich schon die Frage stellen müssen, was die Politik von uns will. Auf der einen Seite sollen wir Arbeitsplätze erhalten und schaffen und investieren. Gleichzeitig schmeißt man der Automobilindustrie jeden Tag Prügel vor die Füße. Wir sind ja offensichtlich das Allerletzte, zerstören die Umwelt. Jede Steuererhöhung und -reform zielt auf den Autofahrer ab. Die Nova-Erhöhung ist ein Irrsinn. Anstatt zu sagen, kauft euch modernere, verbrauchsärmere Autos, zwingt man die Leute zu sagen: Ich fahre den acht Jahre alten Verbrenner weiter, weil ich mir ein neues Auto gar nicht leisten kann. Zu glauben, dass "Green Jobs" so schnell entstehen, wie sich die Politik das wünscht, ist seitens der europäischen Umweltminister infantil.

STANDARD: Was das Leisten betrifft: Man kann sich kleinere Autos kaufen.

Zöchling: Eine Familie mit drei Kindern kann sich kein kleines kaufen. Das ist ein reiner Klassenkampf. Die bösen SUV-Fahrer, die Kapitalistenschweine muss man strafen.

STANDARD: Drei-Kinder-Familien sind nicht die Norm. Aber verstehe ich Sie richtig? Einen Tesla wollen Sie nicht einmal geschenkt?

Zöchling: Nein. Objektiv gesehen ist das ein tolles Auto. Nur wenn man sich die Qualität der Verarbeitung und den Preis anschaut: Das ist eine Luxusdiskussion. Wer kann sich ein Auto um 120.000 Euro leisten?

STANDARD: Den Mittelklasse-Tesla gibt es schon ab 45.000. Sie und Hans Peter Haselsteiner haben mit Remus und Erne Unternehmen aus der Old Economy gekauft. Man sagt, Krisen wirken wie Brandbeschleuniger. Hat Sie der Umbruch auf Europas Automarkt überrascht?

Zöchling: Nein, wir haben ja gewusst, was wir kaufen. Einerseits wächst der Zweiradbereich massiv. Es ist auch mit Sicherheit nicht so, dass wir Stand heute davon ausgehen, dass der Verbrennungsmotor innerhalb der nächsten zehn Jahre verschwinden wird. In Amerika, Südamerika, Afrika, Asien werden sie weiterhin gebaut, gebraucht, gefahren. Ich komme mir ein bisschen blöd vor, weil ich den Verbrennungsmotor oder Auspuffanlagen verteidige. Das ist ungefähr so, wie wenn Dr. Marlboro sagt, Rauchen ist gesund. Aber man muss der Realität ins Auge sehen. Wir haben keine Lösung für die Altbatterieentsorgung, Rohstoffe wie Kobalt werden in Minen im Kongo mit Kinderarbeit abgebaut und sind "limited resources". Und was können wir bei Infrastrukturen und Netzkapazitäten verkraften, was ist möglich? Da sind viele Fragen nicht beantwortet, und die grüne Politik gaukelt den Menschen Unwahrheiten vor.

Einst hat Zöchling mit dem Einstieg seines Investmentfonds Lead Equities bei Palmers einen Coup gelandet, er kennt Gott und die Welt mit Geld. Der Betriebswirt war auch im Verhandlerteam, als Magna Opel übernehmen wollte. Dass Frank Stronach damals vor Optimismus sprühte, weiß er noch. An den Namen des Projektes – Beam – konnte er sich nicht erinnern.
Andi Urban

STANDARD: Stichwort Realität. Wie gut managt die Regierung die Krise?

Zöchling: Ich glaube, keiner möchte mit der Bundesregierung oder dem Bundeskanzler tauschen. Es ist eine unglaubliche Herausforderung, eine derartige Situation zu managen. Was an Wirtschaftshilfen geschnürt wurde, ist sicher an vielen Stellen richtig gewesen, an manchen überschießend, an anderen zu wenig.

STANDARD: Also so weit zufrieden?

Zöchling: Ich hätte mir gewünscht, dass wir ein bisschen zukunftsgerichteter an das Thema herangehen. Im ersten Lockdown war im Wesentlichen die Vorgabe, bleiben Sie zu Hause, sperren Sie sich ein. Bundesgärten und Parks wurden gesperrt. Man hätte die Pandemie auch als Chance sehen können und sagen: Österreich wird fit. Der Herr Zöchling meldet sich bei der Gebietskrankenkasse und sagt, ich hab 100 Kilo, und in sechs Wochen habe ich nur noch 90. Weil ich besonders viel Sport treibe, nicht mehr rauche, abnehme, bekomme ich plus meinem Arbeitgeber einen Bonus. Das kostet auch Milliarden, aber die wären intelligent in die Vorsorge und in das Gesundheitssystem investiert.

STANDARD: Stichwort Zukunft. Finanzminister Blümel ist zuversichtlich, dass wir quasi von selbst aus der Krise hinauswachsen, wenn die Wirtschaft wieder anspringt. Sie auch?

Zöchling: Ich sehe das nicht so. Wenn eine gesamteuropäische Wirtschaft wieder anspringt, ist es keine Leistung des Standorts Österreich, dass wir in diesem Sog mitgezogen werden. Es wäre jetzt auch an der Zeit zu sagen: Wie machen wir uns schlanker? Wir haben es auch verabsäumt, eine oft versprochene Lohnnebenkostensenkung in die Wege zu leiten. Bei 50 Milliarden dafür noch einmal vier Milliarden draufzulegen wäre ein Signal für den Wirtschaftsstandort und gegen die Arbeitslosigkeit gewesen.

STANDARD: Bei Remus hat es nach Ihrem Einstieg nicht lange gedauert, dass Abwanderungsgerüchte laut geworden sind. Berechtigt?

Der 49-Jährige hat auch für Oleg Deripaska gearbeitet und war einige Jahre in Russland. 18-Stundentage waren da normal. Die Welt in Vorarlberg und der Steiermark sei ihm aber nicht zu klein.
Andi Urban

Zöchling: Tatsache ist, dass wir Standorte in Österreich laufend hinterfragen, den Standort in Bosnien dieses Jahr um 6.000 Quadratmeter ausbauen, den Mitarbeiterstand dort von circa 300 auf 450 bis 500 erhöhen und in Österreich Leute, die über natürliche Abgänge, Pensionierungen oder andere Maßnahmen das Unternehmen verlassen, sicher nicht nachbesetzen werden. Wir haben für dieses und für nächstes Jahr ein Investitionsbudget von rund 16 Millionen Euro. Solange wir von der grünen Politik so behandelt werden, wie wir behandelt werden, muss man mir einmal erklären, warum ich in eine neue Lackieranlage oder in neue Schweißroboter in Österreich investieren soll.

STANDARD: Zumindest hat sich jetzt in der Krise der Fachkräftemangel entschärft, oder?

Zöchling: Nein, weil auch da die falschen Initiativen ergriffen wurden. Dort, wo wir beheimatet sind, in Voitsberg, sind wir nicht wahnsinnig privilegiert. Es ist sehr schwer, Leute zu finden, und wahnsinnig schwer, Leute zu halten. Da wird immer geredet von der dualen Ausbildung und von Lehrlingsausbildung, was kommt da von der Republik? Nichts.

STANDARD: 2000 Euro.

Zöchling: Das sind bei 30.000 Euro, die ein Lehrling pro Jahr kostet, sechs Prozent. Die machen mich als Unternehmen weder reicher noch ärmer. Es ist sinnlos, dass es keine Anreizsysteme gibt, die Schüler dazu anhalten, sich zeitnahe eine Lehrstelle zu suchen. Es gibt vom AMS eine Förderung für Schulabgänger, wenn man keine Lehrstelle findet. Es sind ganz viele, die wollen auch keine finden. Die finden es ganz gemütlich und chillig, nach der Schule mit 15 einmal ein halbes Jahr oder Jahr nichts zu machen.

STANDARD: Warum auch nicht?

Zöchling: Ja eh, aber deswegen sind wir halt das, was wir sind. Irgendwann einmal ein europäisches Freiluftmuseum, wo wir Hallstatt und andere schöne historische Innenstädte anbieten können. Das wird es dann aber gewesen sein. Die Industrie, das Know-how und die technischen Universitäten finden wir dann nur noch in China und Korea. (Regina Bruckner, 31.1.2021)