Nicht zufrieden mit der neuen Digitalförderung: Nikolaus Forgó.

Foto: Rainer Schoditsch

Die neue Digitalförderung zementiere die traditionellen Medien und ihre Marktverhältnisse in Österreich, sie sei als "Gegenteil einer offenen, transparenten, wissenschaftsbasierten und diskursorientierten Förderpolitik" gestaltet. Sie könne gesetzlich zu wenig bestimmt sein und EU-rechtlich fragwürdig. Das ist – sehr grob zusammengefasst – der erste, kritische Befund des renommierten Digitalrechtlers Nikolaus Forgó über den Freitag in Begutachtung gegangenen Gesetzesentwurf.

Nikolaus Forgó leitet das Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht am Wiener Juridikum. DER STANDARD bat den Professor für Technologie- und Immaterialgüterrecht um eine erste Bewertung der von ÖVP und Grünen erstellten Digitalförderung. Er fand gleich eine Reihe von aus seiner Sicht fragwürdigen Punkten in dem Entwurf.

"Innovationsfördernd wirkt es nicht"

Die "Erhaltung der Vielfalt an Anbietern und zur Förderung des Auf- und Ausbaus des digitalen Angebots in der Medienlandschaft" erklärt die Regierung im Entwurf zum Ziel der neuen Förderung von regulär 15 Millionen Euro pro Jahr und 34 Millionen zum Start 2021.

Im Gegenteil, erklärt Forgó in seiner raschen Erstbewertung: "Es geht hier um eine Förderung tradierter österreichischer Unternehmen und deren Geschäftsmodelle. Anders ist nicht zu erklären, dass sich die Förderung nur an private Medienunternehmen richtet und selbst unter diesem engen Begriff nur jene versammelt werden, die bereits jetzt auf dem Markt und (relativ) groß sind (vgl. § 33a). Damit werden innovative Neueintritte in Märkte erschwert." Forgo weiter: "Ob das beihilfen- und europarechtlich überhaupt zulässig ist, wäre genauer zu prüfen. Innovationsfördernd wirkt es jedenfalls meiner Einschätzung nicht."

"Zumindest erklärungsbedürftig"

Die Erläuterungen zum Gesetzesentwurf bestätigten das "in aller Offenheit" (Forgó): Medienunternehmen müssten für die Digitalförderung zumindest schon ein Jahr bestehen, um "sicherzustellen, dass – im Sinne des Förderungsgegenstands – am Medienmarkt bereits etablierte, traditionelle Unternehmen bei der digitalen Transformation unterstützt werden. Die Förderung soll nicht einem neu gegründeten Unternehmen als einkalkulierbare Starthilfe dienen." Medienunternehmen, die schon als "Haupttätigkeit" eine Onlinezeitung oder einen Abrufdienst betreiben, hätten ja schon ein "ausgereiftes digitales Geschäftsmodell", könnten "im Gegensatz zu etablierten, traditionellen Medien nicht mehr digital transformiert werden" und daher keine Förderung beantragen.

Der Digitalrechtler dazu: "Es ist meiner Einschätzung nach mindestens erklärungsbedürftig, warum öffentliches Geld dazu verwendet werden soll, etablierte, traditionelle Unternehmen, die es bis heute, nach 25 Jahren Internet, nicht geschafft haben, ihre Geschäftsmodelle erfolgreich zu transformieren, nun darin zu unterstützen, diese Transformationsschritte (verspätet) nachzuholen."

Selbst wenn man diesen Weg einschlagen wolle, müsste man zumindest "alles tun, um zu vermeiden, dass hier erst recht Klientelpolitik gemacht wird". Aber: "Das gelingt dem Entwurf nicht", urteilt Forgó.

"Wissenschafts- und forschungsfern"

Die Ansätze und Vorschläge seien "wissenschafts- und forschungsfern; weder das Wort Wissenschaft noch das Wort Forschung kommt überhaupt vor. Wie soll aber eine Innovationspolitik fördern, die nicht einmal weiß, was die empirischen, technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen ihres Tuns sind?" Die geplante Ausbildungsförderung lasse "keine (akademischen) Qualitätskriterien hinsichtlich der Lehrinstitutionen erkennen".

"Gegenteil einer offenen, transparenten, diskursorientierten Förderpolitik"

Der Geschäftsführer der RTR, der Geschäftsstelle der Medienbehörde, entscheidet über die Vergabe der Förderung. Ein Fachbeirat von zumindest zwei Expertinnen unter insgesamt fünf Fachleuten in Medienrecht und Publizistik kann nicht bindende Empfehlungen abgeben.

"Sehr unglücklich" erscheint Forgó, dass die fünf Mitglieder des von der Bundesregierung ernannten Fachbeirats ehrenamtlich beraten. Das bedeute beschränkte Zeitressourcen und bevorzuge Menschen, "die gerade nicht in innovativen Medienprojekten involviert sind, weil sie dann nicht über die erforderliche 'Freizeit' verfügen". Ebenso unglücklich findet der Digitalrechtler, dass dieser Beirat "auch noch nicht öffentlich tagt und zum Stillschweigen verpflichtet ist". Forgó: "Das ist das Gegenteil einer offenen, transparenten, wissenschaftsbasierten und diskursorientierten Förderpolitik."

Ähnlich sind schon die Beiräte von RTR und Medienbehörde für andere Medienförderungen geregelt, etwa bei der Privatrundfunkförderung.

"Gesetzlich unbestimmt"

Der Gesetzesentwurf überlässt die Aufteilung der Fördermittel großteils den Richtlinien, die die Förderstelle RTR selbst formuliert (wie etwa bei der geltenden Privatrundfunkförderung, zu der das Gesetz noch weniger festlegt).

Forgó sieht die Aufteilung der Digitalfördergelder "durch das Gesetz so gut wie nicht determiniert". Es regle nicht, welcher Anteil an den Fördermitteln auf die einzelnen Förderziele entfallen soll – also (grob) Transformationsförderung, Digitaljournalismus und Jugendschutz/Barrierefreiheit –, und ebensowenig die Aufteilung zwischen Print und Rundfunk.

Es bleibe "gesetzlich unbestimmt", wie die vom Gesetz vorgesehene "sachgerechte Aufteilung" aussehen könnte. Und ebenso unbestimmt bleibe, wie laut Gesetz "die Entwicklung im Bereich redaktionell gestalteter Inhalte, vor dem Hintergrund der internationalen Wettbewerbssituation laufend zu beobachten und potenziell negative Auswirkungen auf die österreichische Medienlandschaft im digitalen Bereich zu berücksichtigen" sind. Nach Einschätzung des Digitalrechtlers ist hier "schon zu fragen, ob damit dem gesetzgeberischen Bestimmtheitsgebot Genüge getan wird".

"Gewollte Grundsubventionierung"

Forgó weiter: "Der Eindruck einer realpolitisch gewollten Grundsubventionierung möglicherweise nicht immer zwingend sinnvoller Digitalisierungsprojekte für etablierte Player wird noch dadurch verstärkt, dass die 'Basisförderung' nach § 33 f Absatz 5 sogar im Vorhinein (!) ausbezahlt werden können soll."

"Aufgabe der Marktteilnehmer"

Der Digitalrechtler findet "bemerkenswert", dass der Gesetzgeber laut Erläuterung mit der Förderung einen Anreiz schaffen will, "im Digitalbereich verstärkt auf Bezahlinhalte zu setzen und dieses finanzielle Standbein neben den krisenabhängigeren kommerziellen Erlösen zu stärken". Denn: "Nach meiner Einschätzung ist das weder innovationspolitisch noch sozialpolitisch sinnvoll – und es ist sehr fraglich, ob es derartiger Anreize bedarf, ist es doch Aufgabe der Marktteilnehmer, das (für sie) passende Geschäftsmodell zu finden."

"Verzerrt den Markt"

Forgó verwundert, "dass Content-Management-Systeme, Userdatenmanagement und VPN-Zugänge (!) nach den Erläuterungen zu § 33c förderfähige Kosten sein sollen". Für ihn passt das "ins Gesamtbild, dass hier mit öffentlichem Geld Technologieinvestitionen, die längst zu leisten gewesen wären, 'nachgeholt' werden sollen. Das verzerrt den Markt zulasten der wenigen, die konzeptionell und in ihrer Infrastruktur bisher bereits (einigermaßen) 'State of the Art' waren." (Harald Fidler, 1.2.2021)