Ein Bild aus besseren Zeiten: Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Radiologenkongresses im Februar 2016 auf dem Weg zum Austragungsort Austria Center Vienna.

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Wien – Kongresse, Firmentagungen und andere Meetings waren in den vergangenen Jahren Bettenfüller für viele Hotels, insbesondere in Wien. Das sollen sie auch wieder werden, die Frage ist nur wann. So wie es aussieht, könnte es zumindest bei kleineren und mittelgroßen Veranstaltungen schneller bergauf gehen als von vielen gedacht.

Einen ersten Erfolg nach langer Durststrecke können sich die hiesigen Kongresswerber jedenfalls schon gutschreiben. Vom 5. bis 7. Oktober diesen Jahres findet einer der wichtigsten Biotechnologiekongresse, das European Forum for Industrial Biotechnology & the Bioeconomy (EFIB), in Wien statt – zum ersten Mal überhaupt. Die Veranstalter rechnen mit rund 400 Teilnehmern aus Wirtschaft und Politik, die sich im Austria Center Vienna einfinden werden. Weitere Gäste werden dem Kongress online folgen. Hybrid ist eine der Antworten von Veranstaltern auf die Pandemie.

Hoffnung auf Fernmärkte

Norbert Kettner, Chef von Wien Tourismus, spricht im Zusammenhand mit Kongressen von einem" Lichtblick, der größer wird, je weiter man sich von der Jetzt-Situation entfernt." Denn noch dominiert Corona das Geschehen. Auch wenn die Impfaktionen in der EU holprig angelaufen sind, ist eine Wende in Sicht. Hoffnung auf eine starke Rückkehr der gerade für Wien so wichtigen Fernmärkte verspreche eine Incentive-Reise mit rund 3000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen aus China im Frühjahr 2022 zu werden, sagte Kettner.

Der Kosmetikkonzern Nu Skin Enterprises lädt dabei seine besten Verkäufer und Verkäuferinnen auf eine viertägige Wien-Reise ein. In einem intensiven Akquisitionsprozess habe man sich gegen Konkurrenten wie London, Barcelona, Amsterdam, Prag und Dubai durchsetzen können. Dabei handle es sich um die bisher größte Incentive-Reise aus China mit Zieldestination Wien, sagte Kettner dem STANDARD.

Direktverbindungen bei Flügen seien gerade im Kongresstourismus unverzichtbar, sagt der Chef des Wien Tourismus, Norbert Kettner.
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Weil mehr als 70 Prozent der Kongressteilnehmer in Wien zumindest in den vergangenen Jahren mit dem Flugzeug kamen, seien intakte Flugverbindungen das Um und Auf. "Wenn wir in der Akquise sagen, ihr müsst auf dem Weg nach Wien zwei- dreimal umsteigen, können wir gleich einpacken. Das zeigt, wie wichtig Direktflüge sind," sagte Kettner.

Eine weitere Veranstaltung sei ebenfalls bereits fix in den Büchern: Vom 28. bis 31. Juli 2022 werden am World Social Entrepreneurs Marketplace rund 1900 internationale Teilnehmer und Teilnehmerinnen erwartet. Die Veranstaltung für soziales Unternehmertum tagt im Austria Center Vienna. Darüber hinaus laufen aktuell über 110 Bewerbungen für nationale und internationale Kongresse und Firmen-Events mit bis zu 20.000 Teilnehmern, die bis 2030 stattfinden sollen. Wenn man weiß, dass kleinere Kongresse ein paar Monate, größere Veranstaltungen mit etlichen tausend oder gar zehntausenden Teilnehmern ein paar Jahre Vorlauf haben, lässt sich abschätzen, wie gehörig Corona den internationalen Kongresskalender durcheinander gewirbelt hat.

Hybridkongresse "Mittel der Wahl"

Der letzte Kongress, der vor dem ersten Lockdown in Wien stattgefunden hat, war der 15th Annual Congress of the European Crohn's and Colitis Organisation (ECCO). Vom 12. bis 15. Februar 2020 besuchten 7300 Gäste die Veranstaltung in der Messe Wien.

Kettner geht davon aus, dass Hybridkongresse "in einer Übergangszeit das Mittel der Wahl" sein, diese a la longue aber Kongresse in der gewohnten Form nicht ersetzen werden. Bis aber Großkongresse mit 20.000 bis 25.000 Teilnehmern wieder stattfinden könnten, werde noch dauern.

Atypisches Jahr 2019

Wiens Tagungsbilanz 2019 war im langjährigen Vergleich atypisch. Die Anzahl der Veranstaltungen erreichte mit 5490 (plus 17 Prozent zu 2018) einen neuen Höchstwert. Andere Kennzahlen blieben im Berichtsjahr unter dem Vergleichswert 2018. So ging die Zahl der Tagungsgäste um vier Prozent auf 607.000 zurück, die Zahl der damit in Verbindung stehenden Nächtigungen verringerte sich um 18 Prozent auf 1,581 Millionen. Das hatte auch damit zu tun, dass einige Ausrichtungsorte, etwa das Austria Center Vienna (ACV), wegen Umbaus nur beschränkt oder gar nicht zur Verfügung standen. Die Wertschöpfung aus dem Kongresstourismus belief sich 2019 auf gut 950 Millionen Euro. Im bisherigen Rekordjahr 2018 waren es mehr als eine Milliarde Euro.

(Günther Strobl, 1.2.2020)