Sie werden das Phänomen vielleicht kennen: Nach einer gewissen Zeit verschwindet das romantische Knistern aus so manch einer Beziehung und weicht dem alltäglichen Trott. Ähnlich dürfte es der neuen Volkspartei gehen. Nach einem kurzen aber intensiven rechten Rendezvous mit einem strammen nationalen Liebhaber, ist sie nun im Schoß eines sanften, eher linken Koalitionspartners gelandet. So wie es aktuell aussieht, dürfte langsam aber stetig auch hier das Feuer der politischen Liebe erloschen sein. Doch es gibt Licht am Ende des Tunnels, oder besser gesagt, auf der Oppositionsbank in Form einer kess-resoluten sozialdemokratischen Bewegung, die sich nach nichts mehr sehnt, als nach einem sicheren Heim für ihre Funktionäre und Leistungsträger in der Regierung. Derart schön kann Liebe in der österreichischen Spitzenpolitik sein.

Womensplaining und der liebe Sebastian

Zaghafte Annährungen in Richtung des mächtigsten Mannes im Staat gab es bereits vor längerer Zeit durch die SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, indem sie ihn neckisch als “Lieber Sebastian“ ansprach. Ja, es gibt ebenso die Erscheinungsform des “Womensplainings“ im weitesten Sinne, bei dem sich Frauen im subliminal-dominanten Framing versuchen. Solche Aussagen bergen in anderen Kontexten vielleicht das Potenzial in sich, ödipale Konflikte beim Rezipienten auszulösen. Doch das ist hier nicht der Fall, denn sonst wären die Akteure heute nicht, wo sie sind.

Fakt ist jedenfalls, dass es schon erotischere Momente zwischen den Türkisen und den Grünen gab. Beispielsweise als Ministerposten in voller Harmonie verteilt wurden, oder als sie vom “Besten aus beiden Welten“ schwärmten. Momentan herrscht eher das Unangenehmste aus beiden Welten vor, wenn es beispielsweise um Abschiebungen geht. Hier ist sogar der Bundespräsident aus seinem Dornröschenschlaf erwacht und hat in “So sind wir nicht“-Manier wieder klare Worte gefunden. Vielleicht wächst dieser noch über sich hinaus und verlässt gar den Ballhausplatz, um mit den Kritikern der Corona-Maßnahmen der Bundesregierung zu parlieren und sich ihre Sorgen und Nöte anzuhören. Das wäre ein schöner Wesenszug des Präsidenten für alle Österreicher. 

Nachdem es mit den Grünen kriselt, schaut sich der Kanzler nach Alternativen um?
Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Kommt es bald zu einem “Polit-Gangbang“?

Zurück zum sich möglicherweise anbahnenden Tête-à-Tête zwischen der neuen Volkspartei und den Sozialdemokraten. Bei aller Antipathie zwischen beiden Ideologien, ist das Verlangen nach der Rückkehr zur Macht von Seiten der SPÖ durchaus vorhanden. Man weiß, dass sich bei dementsprechender finanzieller Potenz eines eventuellen Partners durchaus zarte Gefühle der Sympathie regen können, die sonst nicht so sehr gegeben wären. Außerdem werden die Eitelkeit, Selbstliebe und der Glaube an die eigene Selbstwirksamkeit beider Parteichefs durchaus am Anfang eine besondere Beziehungskonstellation darstellen. Diese kann bei passender zwischenmenschlicher Chemie in schwierigen Situationen einen wirkungsvollen Paarlauf zur Folge haben. Unabhängig davon schwindet die Aversion gegenüber den Roten bei der neuen Volkspartei, wenn sie an die ungeschminkte, wenig harmonische Realität mit ihrem aktuellen Gspusi, den Grünen, denkt.

So schnell kann nach einem Jahr Coronakrise die Luft aus einer oberflächlichen Partnerschaft sein, wenn diese nicht auf wahrhaft gemeinsam geteilten Werten basiert, sondern nur auf einem strategischen Polit-Quickie. Um das Gefühlsdilemma der ÖVP noch zu erweitern, könnten ihr durchaus heiße Reminiszenzen aus ihrer Ehe mit der rhetorisch gut bestückten FPÖ kommen. Hoffen wir nur, dass es bedingt durch die akute Coronakrise am Ende nicht zu einem metaphorischen “Polit-Gangbang“ kommt. Der “(Gang-)Bang-Bus“ steht schon in der Garage der Freiheitlichen bereit. Alle einsteigen! (Daniel Witzeling, 8.2.2021)

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