Wirtschaftliche Interessen und Fürsorgepflicht rechtfertigen in einem Betrieb eine allgemeine Testverpflichtung.

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Seit fast einem Jahr legt Sars-Cov-2 weltweit das gesellschaftliche, berufliche und wirtschaftliche Leben lahm. Das Virus ist hoch ansteckend, es verursacht in vielen Fällen schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen und kann zum Tod führen.

Das durchschnittliche Lebensalter in Österreich ist erstmals seit 70 Jahren wieder gesunken. Die Pandemie konnte durch Abstandhalten, Hygienemaßnahmen und das Tragen von Schutzmasken weder aufgehalten noch beendet werden.

Die Auswirkungen auf die Arbeitswelt sind beträchtlich. Selbst Abstandhalten und das Tragen von FFP2-Masken am Arbeitsplatz können eine Infektion nicht immer verhindern. Isoliertes Arbeiten ohne persönlichen Kontakt zu anderen ist aufgrund arbeitsteiliger Arbeitsprozesse in aller Regel kaum umsetzbar.

Homeoffice ist für viele Arbeitnehmer nur eine Notlösung, weil sie ihren privaten Lebensbereich nicht ausreichend abgrenzen können. Bis zur Zulassung wirksamer Medikamente bietet daher ausschließlich eine Impfung bzw. bei Personen, die noch nicht geimpft werden können, die Testung aller Kollegen einen ausreichenden Schutz vor Sars-Cov-2.

Testpflicht zumutbar

Der Arbeitsvertrag zeichnet sich durch enge personelle Verflechtung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, aber auch zwischen den Arbeitnehmern untereinander aus. Die gesetzlichen wechselseitigen Schutz-, Sorgfalts- und Interessenwahrungspflichten sind daher besonders stark ausgeprägt. Im Kernbereich dieser Schutzpflichten stehen Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer, die der Arbeitgeber proaktiv zu schützen hat.

Irritierend ist daher die jüngst vertretene Auffassung, dass sich aus dem Arbeitsvertrag keine Verpflichtung zur Testung ergeben soll. Völlig klar ist davon auszugehen, dass die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer zu wahren sind, jedoch ergibt eine Interessenabwägung eindeutig, dass eine Verpflichtung zum Testen diese nicht unzumutbar beeinträchtigt: Neben den wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers steht der wirksame Schutz vor Ansteckung und damit die Erfüllung der Schutz- und Fürsorgepflicht auch gegenüber den (anderen) Arbeitnehmern dem Recht auf Geheimhaltung des Gesundheitsstatus gegenüber.

Es ist völlig unstrittig (und nicht neu), dass Fragen nach jenen Krankheiten zu beantworten sind, für die spezielle Meldepflichten (auch gegenüber dem Arbeitgeber) bestehen und die die Erbringung der Arbeitsleistung ausschließen, wie etwa Hepatitis-C bei einem Chirurgen. Dies ist bei einer Ansteckung mit Sars-Cov-2 jedenfalls der Fall.

Wechselseitige Schutzpflicht

Für die Interessenabwägung ist auch wesentlich, dass arbeitsrechtliche Bestimmungen den Schutz vor übermäßiger Verhaltenskontrolle im Fokus haben. Durch Tests wird aber nicht das arbeitsplatzbezogene oder das Freizeitverhalten von Arbeitnehmern kontrolliert, sondern das Ausbreiten einer allgemeinen Gesundheitsgefahr vermieden.

Die Ansteckungsgefahr besteht nämlich generell und unabhängig davon, ob sich der Arbeitnehmer rechtskonform verhält. Es geht also um einen allgemeinen Gefahren- und Gesundheitsschutz in einer Pandemie.

In Erfüllung der wechselseitigen gesetzlichen Schutzpflichten muss der Arbeitgeber daher Testungen im Bedarfsfall anordnen und der Arbeitnehmer sie akzeptieren. Da die wechselseitigen Schutzpflichten nicht disponibel sind, können weder Kollektivvertrag noch Betriebsvereinbarung das Gegenteil anordnen.

Dem steht auch der neue Generalkollektivvertrag Corona-Test nicht entgegen. Dieser regelt nicht die Frage, ob ein Arbeitnehmer einem Test zustimmen muss oder nicht, sondern den Anspruch auf Freistellung und Entgeltfortzahlung für Testungen. Arbeitnehmer, die zur Testung gesetzlich nicht verpflichtet sind, sollen einen Test tunlichst außerhalb der Arbeitszeit absolvieren. Die anderen Arbeitnehmer sind dagegen für die Teilnahme an einem Test unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeit freizustellen.

Nur mit Impfung

Ähnliche Überlegungen gelten auch für Impfungen. Unstrittig ist, dass ohne ausdrückliche gesetzliche Basis eine tatsächliche "Impfpflicht" im Arbeitsverhältnis nicht begründet werden kann. Dem Arbeitgeber bleibt es aber unbenommen, sich dafür zu entscheiden, Arbeitnehmer ohne Schutzimpfung nicht mehr zu beschäftigen.

Dies wäre nicht sittenwidrig, denn nach der Judikatur wäre dafür eine gravierend unsachliche oder willkürliche Entscheidung des Arbeitgebers erforderlich. Dies ist hier aber offensichtlich nicht der Fall. Sind nämlich sämtliche Arbeitnehmer eines Betriebs geimpft, dann kann das Risiko einer Erkrankung am Arbeitsplatz ausgeschlossen werden; die Gefahr wäre gebannt. Daher sollte die fehlende Impfung auch im Rahmen des allgemeinen Kündigungsschutzes (§ 105 ArbVG) einen sachlichen Rechtfertigungsgrund für eine Kündigung darstellen.

Es gibt aber auch hier Ausnahmen: Das betrifft insbesondere jene Arbeitnehmer, für die der Impfstoff nicht zugelassen ist oder bei denen aus medizinischer Sicht von der Verabreichung abgeraten wird (z. B. bei Schwangerschaft). Abgesehen von diesen Sonderfällen wird aber das Interesse der Arbeitgeber an Testungen und Impfungen zum Schutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz das Interesse der Arbeitnehmer, sich nicht testen oder impfen zu lassen, überwiegen. (Christoph Wolf, Andrea Potz, 2.2.2021)