In der aktuellen Wintersaison rechnet die Skiindustrie mit einem Einbruch an produzierten Skipaaren von knapp 20 Prozent. Viele Hersteller produzieren nach wie vor in Österreich.

Foto: APA / Alois Litzlbauer

Ausbleibender Tourismus, stagnierende Wirtschaft und der Klimawandel: Skihersteller stehen vor vielschichtigen Herausforderungen. Rudolf Huber bleibt optimistisch. Er erklärt, wie sich das Geschäftsmodell eines Skiausrüsters in den vergangenen Jahren verändert hat.

STANDARD: Ist der Skisport noch zu retten?

Huber: Die Leute haben das Bedürfnis, im Freien den Körper zu stärken. Alpinlauf, Langlaufen und Skitouren sind gute Möglichkeiten, mit Freunden oder der Familie die Natur zu erleben. Skifahren hat daher eine Zukunft. Und der Skirennsport fungiert als Treiber, der die Jugend dazu anspornt, den Sport auszuüben. Ohne Spitzensport gibt es keinen Breitensport.

STANDARD: Wie geht es der Skiindustrie mit der Pandemie?

Huber: Die Situation ist herausfordernd. In Kontinentaleuropa wiegt der stillgelegte Tourismus schwer. In Nordamerika läuft es relativ normal, die Region macht 20 bis 30 Prozent des Marktes aus. In Skandinavien funktioniert der Langlauf sehr gut. In China gibt es langsames Wachstum.

STANDARD: Was sind die wirtschaftlichen Folgen?

Huber: Vor Corona wurden weltweit rund 3,5 Millionen Paar Ski abgesetzt, wir rechnen in der Saison 2020/21 mit unter drei Millionen. Jeder Hersteller kämpft, ist aber oft krisengebeutelt und gewohnt, schnell zu handeln. 2007 etwa brach der Skimarkt wegen weltweiten Schneemangels und des Orkans Kyrill um 30 Prozent ein. Wir sehen aber einen Lichtblick.

"Der Outdoor-Sport boomt. Leute wollen weg von der Piste, mehr in die Natur."
Foto: privat

STANDARD: Welchen?

Huber: Der Outdoor-Sport boomt, die Leute wollen raus. Im Sommer hat sich jeder ein Rad gekauft, im Winter sind Langlauf und der Tourenskisport in Mode gekommen. Viele wollen weg von der Piste, mehr in die Natur. Speziell in den Alpen werden Alternativen zum Alpinskifahren genutzt.

STANDARD: Wird die Skiproduktion in Billiglohnländer ausgelagert?

Huber: Die Hersteller haben mehrere Standorte. Das meiste spielt sich in Zentraleuropa ab. In Österreich produziert man die Hälfte von Atomic und Salomon in Altenmarkt, den Rest in Bulgarien. Head fertigt in Kennelbach, Blizzard in Mittersill und Fischer in Ried. Vor allem High-End-Produkte benötigen viel Handarbeit. Es gab kleine Produktionen in China, davon ist man aber wieder abgekommen, die Lieferketten waren zu komplex. Die Kernmärkte liegen in Europa und den USA.

STANDARD: Es stehen Großereignisse an. Wie wichtig ist der Spitzensport für die Industrie?

Huber: Sehr, besonders für technische Entwicklungen, die dann im Breitensport landen. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit: Man zeigt, dass es gelingt, gute Produkte zu produzieren. Früher galt die Regel: Wer am Sonntag gewinnt, verkauft am Montag den Ski. Das Konsumverhalten hat sich aber verändert.

STANDARD: Inwiefern?

Huber: Vielfahrer kaufen sich Ski, einige sogar mehrere Paare für unterschiedliches Terrain. Der Trend geht aber zu Leihmodellen. Die Vorteile: keine Sorgen bei Transport, Lagerung und Service. Und jedes Jahr kommen neue Modelle. Es gibt viele Angebote, vom Tagesverleih bis zu Saisonmieten.

STANDARD: Schaden die Verletzungen im Weltcup dem Image?

Huber: Niemand will eine Verletzung, davor haben auch wir Angst. Deren Vermeidung hat höchste Priorität. Die Skifirmen betreiben viel Aufwand für Karrieren von Jugendfahrern, plötzlich sind sie durch einen falschen Schwung gefährdet. Der Sport soll ja nicht gefährlich wirken, Skifahren macht Spaß und ist lustig. Aber auch sehr fragil.

STANDARD: Wie meinen Sie das?

Huber: Unzählige Parameter spielen eine Rolle, dazu zählen Temperatur, Kurssetzung, Schnee- und Pistenbeschaffenheit. Im Abfahrtstraining simuliert man nur ein Szenario. Ein paar Grad mehr können dazu führen, dass ein Sprung plötzlich gefährlich wird. Es wird alles versucht, der Weltverband Fis forscht in einer Arbeitsgruppe an der Vermeidung von Verletzungen. Ein Restrisiko wird aber immer bleiben.

STANDARD: Wie sehr hat Ischgl dem Skisport geschadet?

Huber: Die Pandemie hat uns alle überrascht. Wer es in dieser Situation schafft, fehlerfrei zu bleiben, ist ein Wunderwuzzi. Es ist nicht fair, auf jemanden draufzuschlagen, der als Erstes in der Auslage gestanden ist. Die Fehler muss man aufarbeiten, aber es ist nicht die Aufgabe der Skiindustrie. Ischgl hat den Virus nicht erfunden. Jeder soll auf sich schauen, um alles richtig zu machen. Die Skiindustrie setzt in ihren Bereichen alle notwendigen Maßnahmen, im Rennsport gibt es kaum Ansteckungen. Die strengen Sicherheitskonzepte wirken.

STANDARD: Sollen Skipisten weiter geöffnet bleiben?

Huber: Nur wenn sich alle Menschen an die Maßnahmen halten. Beim Skifahren ist das Risiko gering. In den Gondeln und beim Anstellen muss es klappen. Auf anfängliche Probleme hat man reagiert. Jetzt sind die Pisten menschenleer.

STANDARD: Welche Herausforderungen bringt der Klimawandel?

Huber: Jeder muss seine Hausaufgaben machen und darf sich nicht dagegen wehren. Skihersteller versuchen, das Maximum in der Energieversorgung, beim Materialverschleiß und im Recycling herauszuholen. Skigebiete sind insgesamt gut aufgestellt. Sie investierten in umweltfreundliche Beschneiung, unter anderem auch durch Ökostrom. Zudem ist Trinkwasser eine Voraussetzung. Wenn der Schnee im Frühjahr schmilzt, wird dieses Trinkwasser der Natur zurückgeführt.

STANDARD: Wünschen Sie sich, dass die Tickets in Skigebieten billiger werden? Dann könnten sich mehr Menschen einen Skiurlaub leisten.

Huber: Kleinere Skigebiete bieten günstige Skipässe an, im Umkreis befinden sich Unterkünfte für die kleinere Geldbörse. Dem gegenüber steht die Premiumkategorie, etwa in Lech. Im internationalen Vergleich sind Österreichs Skigebiete nach wie vor im Billigsegment. Bei der Skiausrüstung gibt es Tauschbörsen. Sportgeschäfte bieten Kinderskier, die "mitwachsen", an. Es gibt somit Angebote für alle.

STANDARD: Wann waren Sie zum letzten Mal Ski fahren?

Huber: Gestern, in Schladming. Aber mit den Tourenskiern. Mindestens eine Stunde Bewegung pro Tag muss sein, um Körper und Geist fit zu halten. (Lukas Zahrer, 1.2.2021)