Die Heldenverehrung ist dem Habsburg-Bau architektonisch eingeschrieben. Daran will die Historikerkommission auch gar nichts ändern. Der Eingangsbereich, der durch die sogenannte Feldherrenhalle führt, soll aber zum Beispiel verlegt werden. Die Feldherrenhalle wäre wie viele andere Stellen im Museum in einen kritischen Kontext zu rücken, so die Historiker.

Foto: APA

In gewisser Hinsicht ist das Heeresgeschichtliche Museum (HGM) seiner Bestimmung über 150 Jahre treu geblieben. 1869 als k. u. k. Hofwaffenmuseum von Parlamentsarchitekt Theophil Hansen errichtet, sollte es "Glanz und Glorie" des Hauses Habsburg im Krieg darstellen und mit seiner Sammlung aus Trophäen, Kriegsbeute, Uniformen und Geschützen Volk und Armee auf künftige Schlachtenabenteuer vorbereiten.

Heute prangt an der Eintrittspforte des Hauses zwar der pazifistische Slogan "Kriege gehören ins Museum", im Inneren hat sich im Vergleich zum 19. Jahrhundert aber nicht allzu viel geändert. Zu diesem Schluss kommt nun eine Historikerkommission, die nach umfassender Kritik am Heeresmuseum einen ministeriellen Auftrag der Übergangsregierung umsetzte und alle Ausstellungsbereiche gründlich evaluierte.

Am Montag wurde der knapp 100-seitige Bericht von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) offiziell präsentiert. Dabei war auch der Vorsitzende der Historikerkommission, Musemusbund-Chef und Leiter des Grazer Joanneums, Wolfgang Muchitsch.

In der von ihm zusammengestellten elfköpfigen Kommission finden sich heimische Historiker und Museumsexperten wie Harald Heppner (Uni Graz), Wolfgang Meighörner (Tiroler Landesmuseen), Barbara Glück (KZ-Gedenkstätte Mauthausen), Christian Rapp (Haus der Geschichte NÖ) und Andrea Brait (Uni Innsbruck), aber auch Gerhard Baumgartner vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes sowie Expertise aus Deutschland mit dem Militärhistoriker Gorch Pieken und Ansgar Reiß vom Bayerischen Armeemuseum.

Den Vorwurf der Fachfremdheit oder der ideologisch gefärbten Brille wird man also diesem Gremium nicht machen können.

Fehlendes Gesamtkonzept

Was steht nun im Bericht? Kurz gefasst, dass "die Ansprüche der Darstellung einer modernen Militärgeschichte über weite Strecken nicht gegeben sind". Konkret sei keine durchgängige Erzählung, kein roter Faden, kein Gesamtkonzept erkennbar, neue wissenschaftliche Erkenntnisse seien "kaum berücksichtigt", in vielen Bereichen stünden "Ruhm und Ehre" des Hauses Habsburg im Vordergrund, der Inhalt von Bildern und Objekten werde ungenügend erklärt und in Kontext gestellt, Bezüge zur Gegenwart und Zukunft fehlten, es finde Heeresgeschichte "aus der Perspektive des Feldherrenhügels" statt."

Generell wird eine Verengung auf Militär- und Waffengeschichte kritisiert. So fehlten Bezüge zur politischen, sozialen und kulturellen Geschichte, auch die Kriegsfolgen seien nicht sichtbar. "Besucher/innen sollten das HGM nicht mit dem Eindruck verlassen, Kriege wären harmlose Manöver in prächtigen Uniformen mit blankpolierten Paradewaffen", heißt es in dem Bericht.

"Das HGM präsentiert sich im Wesentlichen als Museum für Fachleute, die bereits über entsprechende Kenntnis der historischen Zusammenhänge verfügen und diese für sich mit den gezeigten Objekten verknüpfen können", schreiben die Historiker. Salopp gesagt heißt das, dass sich in dem Haus jeder Besucher seine Auffassung der Geschichte selbst zusammenreimen kann. Und genau daran knüpfte sich ein Teil der Kritik, hatten sich doch zuletzt verstärkt Rechtsextremisten zu dem Museum hingezogen gefühlt.

Wie konnte es so weit kommen? Auch dieser Frage stellen sich die Historiker und verweisen auf die unzeitgemäße Struktur, in der sich das Museum befindet. Als letztes Staatsmuseum in Verwaltung des Verteidigungsministeriums konnte oder wollte es die Modernisierungsschritte, die etwa die vor 20 Jahren ausgegliederten Bundesmuseen gesetzt haben, nicht mitgehen.

Jahrzehntelanges Stückwerk

Das HGM präsentiert sich heute als Stückwerk, in dem über Jahrzehnte immer nur einzelne Ausstellungsbereiche erneuert werden konnten, während andere wieder veralteten: So wurde die Saalgruppe "Vom Dreißigjährigen Krieg bis Prinz Eugen / Das 18. Jahrhundert" zuletzt in den 1970er-Jahren überarbeitet, Parkettboden und Beleuchtung sind hinüber, empfindliche Objekte drohen bereits Schaden zu nehmen. Der Abschnitt "Vom Ausgleich 1867 zur Entfesselung des Ersten Weltkriegs" stammt wie vieles aus den 1980er-Jahren. Räume zu den Revolutionskriegen wurden zwar 2004 erneuert, inhaltlich werde dort aber am Habsburg-Konservatismus festgehalten, der sowohl die Französische Revolution von 1789 als auch die bürgerliche von 1848 einseitig negativ darstellt.

Verhalten lobende Erwähnung als "Schritt in die richtige Richtung" findet einzig die 2014 erneuerte Schau zum Ersten Weltkrieg. Das ist auch die einzige Saalgruppe, die vom amtierenden, klarerweise stark in die Kritik gekommenen Direktor Christian Ortner neu aufgestellt wurde. Der 51-jährige Milizoffizier promovierte zwar beim FPÖ-nahen Historiker Lothar Höbelt, ließ sich politisch aber nie klar zuordnen. Im HGM gelang ihm der Aufstieg vom Praktikanten bis zum Chef – er kennt das Haus gut, womöglich zu gut, um die Missstände selbst beheben zu können.

Leitung wird neu ausgeschrieben

Die Historikerkommission äußerte sich nicht konkret zur Leitung des Museums, stellte aber eine mögliche Neuausschreibung des Postens und eine Neuaufstellung des wissenschaftlichen Teams, etwa durch die Hereinholung multidisziplinärer Expertise, in den Raum. Diesem solle ein ständiger international besetzter Expertenrat zur Seite gestellt werden. Anstatt wieder nur einzelne Bereiche des Museums zu erneuern, solle ein Gesamtkonzept vorgelegt und umgesetzt werden, so die Empfehlung.

Ministerin Tanner erklärte am Montag, diesen Vorschlägen folgen zu wollen. Sie erkannte den finanziellen und strukturellen Reformstau an und kann auch die inhaltliche Kritik nachvollziehen. Das HGM sei "reonovierungsbedürftig, auf der wissenschaftlichen Ebene wie auf der Ebene der Verwaltung". Die Einsetzung eines ständigen Expertenbeirats werde unter der Leitung von Muchitsch sofort etabliert, der Direktionsposten neu ausgeschrieben – wobei Tanner nicht ausschließen wollte, dass der amtierende Direktor wiederbestellt werden könnte: Er könne sich "selbstverständlich wie jeder andere auch bewerben", so die Ministerin.

Die harsche Kritik des Rechnungshofs, etwa an völlig unzureichenden Compliance-Maßnahmen im HGM, setzte Ortner zuletzt zusätzlich zu. Tanner will die Empfehlungen des Rechnungshofs umsetzen, dazu müsse man aber auch Hausaufgaben innerhalb des Ministeriums machen.

Vier Millionen als erste Finanzspritze

Sobald eine neue Leitung gefunden sei, werde man diese mit der Erstellung des geforderten Gesamtkonzepts beauftragen und dieses umsetzen. Zum Beweis des finanziellen Willens gab Tanner bekannt, als "erste Finanzspritze" vier Millionen Euro für das HGM lockermachen zu wollen.

Die Muchitsch-Kommission empfiehlt, dem Haus mehr Unabhängigkeit vom Bundesheer und dem Verteidigungsministerium zu geben "Essenziell ist für das HGM eine inhaltliche und organisatorische Autonomie, wirtschaftliche Freiheiten und eine breitere wissenschaftliche Fundierung. Es kann nicht 'Schaufenster' und 'Traditionspfleger' des BMLV bzw. des Bundesheers sein, es muss sein eigenes, gesamtgesellschaftlich relevantes Programm ohne Einfluss von außen entwickeln und umsetzen können." Als Vorbild schwebt der Kommission das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden vor.

Tanner versuchte am Montag einen Spagat hinzubekommen: Das HGM solle nicht nur "ein Museum für das Bundesheer, sondern für die gesamte Gesellschaft sein". (Stefan Weiss, 1.2.2021)