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Zunächst ist die Gamestop-Aktie dramatisch gestiegen, jetzt schränken Broker den Kauf ein.

Foto: Reuters / Carlo Allegri

Wie das Duell zwischen Hedgefonds und auf Social Media organisierten Kleinanlegern um die Aktie des amerikanischen Videospielanbieters Gamestop ausgeht, ist – Stand Montag – noch ungewiss. Klar ist jedoch bereits jetzt, dass die Entscheidung von Onlinebrokern wie Robinhood und Trade Republic, den Kauf von Gamestop- und anderen Aktien durch Kleinanleger auf ihren Plattformen vorübergehend auszusetzen, die Reputation der Börse erheblich schädigt. Sogar der Vorwurf der Marktmanipulation wurde laut – und ist tatsächlich nicht abwegig. Im Fall einer Verurteilung drohen Geld- und Haftstrafen.

Einordnung von Marktmanipulation

Marktmanipulation ist juristisch schwer definierbar, weil manipulative Spekulanten ausgesprochen kreativ vorgehen und ständig neue Manipulationsformen gewählt werden. Aus diesem Grund ist die 2017 per EU-Verordnung eingeführte Definition der Marktmanipulation für eine Strafbestimmung recht unpräzise. Die Definition basiert auf einer groben Umschreibung der praktisch vorkommenden Möglichkeiten von manipulativen Handlungen, die im Ergebnis den Kurs von Finanzinstrumenten beeinflussen können:

(i) durch das Verbreiten von (falschen oder unbestätigten) Informationen;

(ii) über den Handel mit börsennotierten Positionen (zum Beispiel dann, wenn ein Anleger durch spiegelbildliche Kauf- und Verkaufsaufträge Aktien "von sich selbst kauft" und so einen echten Marktpreis suggeriert) sowie

(iii) durch "sonstige Handlungen", worunter beispielsweise der Bombenanschlag auf die Fußballmannschaft Borussia Dortmund fällt (deren Aktien an der Stuttgarter Börse notieren).

Um aber möglichst alle manipulativen Tätigkeiten tatsächlich zu erfassen, bezeichnet die EU-Verordnung auch "jede andere Handlung" als Marktmanipulation, solange diese auch nur geeignet ist, insbesondere den Kurs einer Aktie unlauter zu beeinflussen.

Untersuchung der Motive

Die Grenze zwischen Erlaubtem und Verbotenem ist damit schwammig. Die juristische Praxis behilft sich auf zwei Arten: Einerseits versuchen die Gerichte oft "das Pferd von hinten aufzuzäumen", indem dem sie aus dem Motiv Schlüsse über die Zulässigkeit ziehen. Sind die Motive für ein bestimmtes Verhalten nachvollziehbar und redlich, handelt es sich nicht um Manipulation. Ist das Verhalten aber nicht durch erlaubte Motive erklärbar, werden Strafen verhängt. Diese Motivsuche ist allerdings gefährlich, weil es im Interesse jedes Anlegers liegt, mit geringstmöglichem Mitteleinsatz größtmöglichen Gewinn zu lukrieren, und dies auch nicht verboten ist.

In der Praxis hat sich die Motivsuche aber bislang als sehr zielsicher herausgestellt. Außerdem suchen die Behörden nach Ähnlichkeiten mit bekannten Manipulationsformen, die sich in einem Anhang der EU-Marktmissbrauchsverordnung finden. Letztlich ist es aufgrund dieser unscharfen Regelungen aber schwierig, genau abzugrenzen, ob sich ein Akteur noch rechtskonform verhält oder bereits manipulativ.

Unpräziser Tatbestand mit potentiell großen Folgen

Die Broker, die keine Kaufaufträge für Gamestop-Aktien mehr angenommen haben, haben keine Informationen verbreitet und auch nicht selbst mit Gamestop-Aktien gehandelt; zumindest wurde darüber bisher nicht berichtet. Wegen der erwähnten weiten Definition, nach der auch "jede sonstige Handlung" Marktmanipulation sein kann, könnten sie nun aber dennoch auch in Europa verfolgt werden: Die Weigerung, Kaufaufträge anzunehmen oder durchzuführen, kann in einem so wichtigen Zeitraum wie dem des rasanten Anstiegs der Gamestop-Aktie deren Kurs durchaus beeinflussen. Blendet man die Weigerung der Broker nämlich gedanklich aus, hätten womöglich noch mehr Kleinanleger Gamestop-Aktien gekauft, und der Kurs hätte damit durchaus noch stärker steigen können. Unerheblich ist dabei, ob und wie stark der Kurs durch die Handlung tatsächlich beeinflusst worden ist, weil bereits die Eignung dazu Strafen auslösen kann.

Es wird daher zu untersuchen sein, aus welchen konkreten Gründen die Broker so gehandelt haben. Können die Broker den Verdacht, Eigeninteressen verfolgt zu haben, nicht widerlegen, haben sie ein veritables Problem mit den Marktaufsichts- und Strafbehörden. Dabei muss es auch gar nicht die Absicht der Broker gewesen sein, den Kurs wirklich zu manipulieren – es wäre bereits ausreichend, wenn sie fahrlässig gehandelt haben, also für sie erkennbar war, dass sie durch ihr Verhalten unlauteren Einfluss auf die Kursentwicklung nehmen könnten.

Gründe für die Beschränkungen entscheidend

Ob das Verhalten der Broker tatsächlich sanktioniert wird, hängt damit von der Rechtfertigung der Handelsbeschränkungen im Einzelfall ab. In ersten öffentlichen Meldungen haben die Broker insbesondere die Notwendigkeit ausreichender Liquiditätsreserven, die Stabilität ihrer technischen Systeme sowie den Schutz der Anleger vorgebracht. Tatsächlich wäre es für die Broker vor allem entlastend, wenn sie die Sperre verhängt haben, um einen Zusammenbruch ihrer Handelssysteme oder Liquiditätsengpässe zu verhindern.

Ob diese Argumente eine Strafbarkeit tatsächlich abwenden können, wird einerseits davon abhängen, als wie stichhaltig sich diese erweisen, andererseits davon, wie gut diese dokumentiert wurden. Sollten sich aber die medial geäußerten Vorwürfe, wonach die Broker aufgrund ihrer Nähe zu bestimmten institutionellen Investoren den Handel eingeschränkt haben, bewahrheiten, kämen die Broker wohl nicht um empfindliche Geldstrafen und auch Schadenersatzansprüche von Anlegern herum. (Christopher Schrank, Alexander Stücklberger, Simon Ewerz, 1.2.2021)