Die Polizei schätzte die Teilnehmerzahl bei den Anti-Corona-Demonstrationen vom Sonntag in Wien auf 10.000.

Foto: Robert Newald

Wien – Obwohl eine Groß- und andere Demonstrationen untersagt waren, haben am Sonntag tausende Menschen in Wien gegen die Corona-Maßnahmen protestiert – und das nicht immer friedlich beziehungsweise entsprechend den Covid-Vorschriften. Die Folgen sind fast 1.800 Anzeigen, elf Festnahmen und fünf leichtverletzte Polizisten, zog Polizeisprecher Daniel Fürst am Montag Bilanz. Österreichweit gab es im Zuge von Protesten am vergangenen Wochenende rund 2.300 Anzeigen und 32 Festnahmen.

Von den 1.766 Anzeigen in Wien allein am Sonntag – rund 2.000 waren es übers gesamte Wochenende – erfolgten 24 nach dem Strafrecht, 442 nach dem Verwaltungsrecht und der Rest wegen Verstößen gegen die Covid-19-Bestimmungen. Neun der elf Festnahmen am Sonntag erfolgten nach der Strafprozessordnung (worunter Widerstand gegen die Staatsgewalt fällt), zwei nach dem Verwaltungsstrafgesetz. Schon am Samstag waren zwei Personen vorläufig festgenommen worden.

Weitere Bundesländer

In Tirol gab es am Wochenende laut einer Aussendung des Innenministeriums 18 Festnahmen und 104 Anzeigen, in Oberösterreich wurden im Zuge von vier Kundgebungen 36 Teilnehmer angezeigt und eine Person festgenommen. In Niederösterreich wurden 18, in der Steiermark 20, in Kärnten elf, in Salzburg 26 und in Vorarlberg 33 Personen zur Anzeige gebracht.

Rund 1.600 Verstöße hatten direkt mit der Covid-Notmaßnahmenverordnung zu tun, es ging also um die Missachtung der Ausgangsbeschränkungen, die Nichteinhaltung des Zwei-Meter Abstands oder die Weigerung, eine Maske zu tragen. Ein Teilnehmer in Wien trug demnach eine Armschleife in symbolischer Form eines Judensterns. Die Armschleife wurde laut Ministerium von Polizisten sichergestellt und der Beschuldigte bei der Staatsanwaltschaft nach dem Verbotsgesetz angezeigt.

Nehammer: "Schwächung" der Demokratie

Die österreichweiten Versammlungen am Wochenende hätten gezeigt, dass sich Extremisten, Rechtsradikale und Leugner einer weltweiten Pandemie nur zu dem Zweck versammelt hätten, "die Bevölkerung zu verunsichern, die gefährliche Pandemie zu verharmlosen und sich nicht an die von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu halten – unter dem Deckmantel des fundamentalen Rechts auf Demonstrationsfreiheit", hieß es in der Aussendung des Innenministeriums.

Die rechtsextreme wie auch die linksextreme Szene in Österreich würden die besonderen Herausforderungen der Pandemie nutzen, um die rechtsstaatlichen Strukturen auszuhebeln und im Hintergrund ihre Ideologie zu transportieren. "Das Ziel dieser Gruppierungen ist die Schwächung der österreichischen Demokratie", meinte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP).

Videos im Netz

Auf Twitter kursierten am Sonntagabend Videos, die Übergriffe auf Journalisten zeigten. Bisher habe kein Medienvertreter Anzeige erstattet oder sich bei den Kontaktbeamten der Wiener Polizei gemeldet, die störende oder rechtswidrige Handlungen gegen Pressemitarbeiter unterbinden sollen. "Die Journalisten sollen diese bitte in Anspruch nehmen und bei Vorfällen Anzeige erstatten", sagte Polizeisprecher Fürst.

Auch ein weiteres Video sorgt im Zusammenhang mit den Anti-Corona-Demos für Aufruhr: Ein ranghoher Bundesheeroffizier gibt sich in einem Facebook-Video als scharfer Kritiker des Corona-Managements der Regierung und provoziert dabei auch mit einem Spruch auf seinem T-Shirt. Die Zeilen werden fälschlicherweise dem deutschen Dichter Theodor Körner zugeschrieben, stammen aber eigentlich aus einem Neonazi-Gedicht. Das Bundesheer kennt das Video, die Sache wird geprüft, hieß es am Montag. Wenig später veranlasste Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) die vorläufige Dienstenthebung des Offiziers. Sie zeigte sich in einer Aussendung "schockiert" und teilte mit, dass die Disziplinarabteilung den Fall im Zuge der Suspendierung im Detail prüfe.

Johann Gaiswinkler, Kommandant der 6. Gebirgsbrigade, betont in dem Video auf Facebook, nicht als Bundesheeroffizier, sondern als "Staatsbürger" zu sprechen. Gleich zu Beginn geht er selbst auf sein T-Shirt ein, dessen Aufdruck er Körner in den Mund legt: "Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten. Vom Feinde bezahlt, dem Volke zum Spott. Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk. Dann gnade Euch Gott!" Der Spruch wird laut einem Faktencheck der Deutschen Presseagentur fälschlicherweise Körner zugeschrieben, eigentlich stammt er von einer Neonazi-Dichterin. Das Gedicht, aus dem die Strophe stammt, ist demnach ein Loblied auf den Nationalsozialismus.

Bundesheeroffizier gesteht "Fehler" ein

Gaiswinkler erklärt in dem Video, es sei ihm klar, dass das T-Shirt eine "Provokation" sei, er sieht in dem Spruch aber "glasklar" die Stimmung eines Teils der österreichischen Bevölkerung in der Covid-Krise wiedergegeben, wie er in dem Video sagt. Er selbst sehe bei sich einen persönlichen Widerspruch zwischen Staatsbürger und Bundesheeroffizier, weil er als Offizier "gezwungen" sei, der Bundesregierung Folge zu leisten. Die Regierung breche die Verfassung, Kritiker würden zum Teil "regelrecht verfolgt", all das erinnere an "dunkle Zeiten".

Im Gespräch mit der APA gab Gaiswinkler am Montag zu, "einen Fehler gemacht zu haben". "Ich habe mich geirrt und fälschlicherweise geglaubt, dass der Spruch von Körner stammt. Leider habe ich es nicht überprüft." Er habe mit Rechtsextremen nichts am Hut, "ganz im Gegenteil". (APA, 1.2.2021)