Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bei der Lockdown-Besprechung mit den Landeshauptleuten.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER
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Wien – Als Lockdown-Zielwert war eigentlich eine Sieben-Tage-Inzidenz von 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner angepeilt worden. Diese Marke ist jedoch bei weitem noch nicht in Sicht, wie die Regierung am Montagabend bei der Pressekonferenz einräumte. Derzeit liegt dieser Wert bei 110 – und damit mehr als doppelt so hoch wie bei der letzten Lockdown-Verlängerung im Jänner erhofft.

Dennoch werden die Maßnahmen ab kommender Woche aufgeweicht. Darauf hat sich die Regierungsspitze in ihren Verhandlungen mit den Ländervertretern geeinigt. Länger und deutlich intensiver als von der Regierung geplant fiel der Corona-Diskussionsreigen am Montag aus: Vier Stunden, bis in den Abend hinein verhandelten Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler sowie Gesundheits minister Rudolf Anschober (beide Grüne) mit den Landeshauptleuten über die Situation nach dem 7. Februar – jenem Tag, für den seit einigen Wochen das Ende des harten Lockdowns anberaumt wurde.

Aus den Reihen der Landeshauptleute war im Vorfeld auf Lockerungen gedrängt worden, sie hatten insbesondere mit der zunehmenden seelischen Belastung der Menschen argumentiert. Auch die türkis-grüne Regierungsspitze verwies später in der Begründung der Lockerungen auf die psychischen und sozialen Probleme des wochenlangen Lockdowns. Nun sollen also "sehr behutsame Öffnungsschritte" gesetzt werden, wie Kanzler Kurz diese bezeichnete.

"Ritt auf der Rasierklinge"

Neben der Rückkehr von Schülern in den Präsenzunterricht, der Öffnung des Handels und der körpernahen Dienstleister dürfen unter strengen Auflagen am 8. Februar auch Museen, Galerien und Zoos wieder Besucher empfangen – allerdings nur mit FFP2-Masken-Pflicht und einer niedrigeren Anzahl an Kunden. So müssen auch hier pro Person 20 Quadratmeter zur Verfügung stehen. Zurückgestutzt werden außerdem die aktuell ganztägigen Ausgangsbeschränkungen, sie werden nur mehr in der Zeit von 20 bis sechs Uhr gelten. Untertags dürfen sich wieder zwei Haushalte insgesamt zu viert treffen (Siehe Wissen).

Wiens Landeshauptmann und Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bekannte angesichts der ausverhandelten Lockerungen freimütig: "Wir nehmen hier ein Risiko." Sein steirischer Amtskollege Hermann Schützenhöfer (ÖVP) sprach gar von einem "Ritt auf der Rasierklinge".

Notbremse bei steigenden Zahlen

Kanzler Kurz hält ein Ansteigen der Infektionszahlen für wahrscheinlich, auch ein exponentielles Wachstum sei ein "realistisches Szenario". Er appellierte aber an die Bevölkerung: "Bitte verstehen Sie die Lockerungen nicht als Entwarnung". Sollte sich die Inzidenz auf 200 zubewegen, würden in der Regierung jedenfalls die Alarmglocken schrillen und man werde rasch die "Notbremse" ziehen.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, die mit den anderen Oppositionsparteien bereits am Vormittag die Regierungsspitze getroffen hatte, erklärte kurz nach der Verkündung der Maßnahmen: Die Schulöffnung sei "richtig und notwendig". Mit den Lockerungen über die Schule hinaus gehe die Bundesregierung jedoch "ein großes Risiko ein, da die Infektionszahlen immer noch sehr hoch sind". Würden die Zahlen erneut steigen, trage die Bundesregierung auch die Verantwortung für die dritte Welle und den nächsten Lockdown.

Die Neos zeigten sich hingegen zufrieden: "Es wird genau das umgesetzt was wir am Wochenende gefordert haben", freute sich Parteichefin Meinl-Reisinger in einer ersten Stellungnahme. Die FPÖ hätte sich weitaus mehr Lockerungen gewünscht. Auch Hotellerie und Gastronomie sollten geöffnet werden, erklärte Parteichef Norbert Hofer.

Für die besagten Branchen gibt es aktuell keine Lockerungen, sie bleiben im Februar jedenfalls zu. Die Regierung will aber am 15. Februar entscheiden, wie es Anfang März weitergeht.

Höhere Strafen

Bis dahin hofft die Regierung vor allem auf die Disziplin der Bevölkerung, besonders in den eigenen vier Wänden. Denn dort würden nicht nur "die Masken fallen", sondern auch die Sorge, sich anzustecken schwinden, mahnte der Kanzler. Und betonte: "Je weniger soziale Kontakte es gibt, desto besser."

Darüber hinaus soll aber bei Verstößen im öffentlichen Raum auch härter durchgegriffen werden. So werden die Organstrafmandate für Maskenverweigerer (sie liegen derzeit bei 25 bzw. 50 Euro) sowie bei Nichteinhalten des Zwei-Meter-Abstands erhöht werden. Details wird Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Dienstag, präsentieren.

Am 15. Februar Maßnahmen neu evaluieren

Der Lockdown habe in Österreich Wirkung gezeigt, begann der Kanzler die Pressekonferenz mit einer guten Nachricht. Die schlechte Nachricht sei, dass sich die Mutationen ausbreiten. "Sie fressen ein Stück weit den Erfolg unseres Lockdowns auf", sagte Kurz. "Der sicherste Weg wäre es im Lockdown zu verharren." Trotzdem habe sich die Regierung mit den Ländern einstimmig darauf verständigt, einige vorsichtige Öffnungsschritte vorzunehmen.

Am 15. Februar soll die Situation erneut evaluiert werden und über weitere Öffnungen etwa im Tourismus besprochen werden. "Sollte sich die Situation verschlechtern, dann werden wir darüber beraten, wie wir darauf reagieren müssen", sagte Kurz. "Wenn die Zahlen weiter steigen, werden wir sofort verschärfen müssen." (Theo Anders, Oona Kroisleitner, Stefanie Ruep, Wolfgang Weisgram, 1.2.2021)