Man hört sie immer öfter, die Seufzer anlässlich der Entbehrungen: Wie schön wäre es, einmal wieder in einem Gasthaus zu speisen; wie anregend, durch ein Kleidungsgeschäft zu spazieren – und wie nötig, endlich wieder zum Friseur zu dürfen. Ganz zu schweigen vom so wichtigen Bedürfnis der Kinder, Gleichaltrige in der Schule zu sehen und Bildung zu erhalten.

Auf der anderen Seite stehen mutierte Viren, die sich noch schneller verbreiten; erschreckende Berichte über Spätfolgen von Covid-19 und nach wie vor stark ausgelastete Krankenhäuser.

Die Politik muss permanent neu verhandeln, wie sie diese Widersprüche ausgleichen kann. Nach einem schwierigen, trostlosen Jänner ist es nun wieder an der Zeit, den gesellschaftlichen Umgang mit der Pandemie zu überdenken. Die psychische Ermüdung in der Bevölkerung ist zu groß, um den strengen Lockdown beizubehalten – vor allem, da sich die Infektionszahlen stabilisiert haben. Zwar auf einem etwas zu hohen Niveau, aber weit entfernt von den Horrormeldungen im Spätherbst.

Wegen der Corona-Pandemie befindet sich Österreich in einem strengen Lockdown.
Foto: APA/HANS PUNZ

Klar ist, dass die Politik nicht alle Öffnungswünsche erfüllen kann. Das behutsame Vortasten unter Einbeziehung möglichst vieler Akteure ist hier die richtige Vorgehensweise. Schichtbetrieb im Großteil des Schulwesens, eine Öffnung des Handels unter strengen Auflagen: Das sind Signale der Hoffnung, die bitternötig sind.

Dämpfer

Ein wichtiger Nebeneffekt ist, dass den radikalen Kräften ein Dämpfer verpasst wird. Die verführen ihre Anhänger nämlich dazu, gar keine Regeln mehr zu befolgen. Der Großteil der Bevölkerung will etwas anderes: Fast alle Menschen möchten sich selbst und andere schützen, aber gleichzeitig Nutzen und Zweck der Corona-Regeln verstehen.

Zwei Beispiele dafür: Kaum jemand begehrte auf, als im Herbst nach dem Erreichen einer fast fünfstelligen Zahl an Neuinfektionen die Notbremse gezogen wurde. Und der Andrang bei den Teststraßen war gigantisch, als es darum ging, Verwandte bei der Weihnachtsfeier zu schützen. Die vieldiskutierte Eigenverantwortung, die der gemeine Österreicher angeblich nicht hat, musste wohl auch erst gelernt werden.

Mittlerweile hat die Bevölkerung aber genug pandemische Erfahrung, um kleine Lockerungen nicht als Einladung zu rundum verantwortungslosem Verhalten zu begreifen.

Aber selbst das Zusperren nach Verschlechterungen der Infektionslage ist erträglicher, als in einem permanenten Lockdown zu leben. Mittlerweile gibt es genug kluge Ideen, sicher durch die nächste Phase der Pandemie zu kommen: Die lang versprochene Regionalisierung der Maßnahmen entsprechend der Corona-Ampel muss dringend wiederbelebt werden; außerdem muss die Politik für die breite Verfügbarkeit von Selbsttests sorgen und über deren korrekte Anwendung und Aussagekraft aufklären. Mit "Dauertestungen" könnten dann weitere Lockerungen ermöglicht werden: zuerst bei den körpernahen Dienstleistungen, dann in der Gastronomie und schließlich im Sport- und Kulturbetrieb.

Dank großflächiger Immunisierung durch Impfungen nimmt die Chance zu, dass die Politik den "Hammer and Dance" aus hartem und weichem Lockdown nicht mehr allzu oft aufführen muss. Bis dahin ist es zwar noch ein weiter Weg, die ersten Impfungen lassen das vielzitierte "Licht am Ende des Tunnels" aber tatsächlich immer heller strahlen. (Fabian Schmid, 1.2.2021)