Eine Frau wird von Polizeikräften vor der Bogazici-Universität festgehalten, 150 wurden am Montag verhaftet.

Foto: BULENT KILIC

Istanbul – Bei Protesten von Studierenden an der Boğaziçi-Universität in Istanbul sind am Montag 159 Teilnehmer festgenommen worden. Die die Demonstrationen hätten ihren Protest vor der Universität trotz Warnungen nicht beendet, teilte das Büro des Gouverneurs von Istanbul mit. Die Proteste richten sich gegen die Ernennung des neuen Uni-Direktors Melih Bulu durch Präsident Tayyip Erdoğan.

Erdoğan baut Einfluss auf Hochschulen aus

Bulu ist der erste Leiter der renommierten Hochschule, der nicht intern besetzt, sondern durch den Präsidenten ernannt wurde. Erdoğan versucht seit dem Militärputsch im Jahre 2016 seinen Einfluss auf die Hochschulen auszubauen. Die Demonstranten forderten auch die Freilassung von vier Studierenden, die zuvor wegen eines umstrittenen Bildes inhaftiert worden waren. Das Bild zeigte das muslimische Heiligtum Kabaa mit LGBTIQ-Symbolen.

Auf dem Campus, zu dem nur Studierende Zugang haben, gab es Gerangel mit Sicherheitskräften, wie auf Videos zu sehen war. Die Polizei sperrte die Gegend um die Universität großräumig ab und hinderte die Studenten nach deren Angaben daran, den Campus zu verlassen und eine Presseerklärung zu verlesen. Die Studenten hatten zu dem Protest aufgerufen, nachdem am Sonntag zwei Studierende in Zusammenhang mit einem umstrittenen Kunstwerk verhaftet worden waren.

Muslimisches Heiligtum mit LGBTIQ-Flaggen

Die Studierenden hatten auch eine Ausstellung auf dem Campus organisiert, auf der unter anderem das umstrittene Bild ausgestellt wurde. Darauf ist laut Medienberichten eine Szene rund um das muslimische Heiligtum in Saudi-Arabien, die Kabaa, zu sehen: Die Kabaa ist fast vollständig von einem mythischen Wesen verdeckt. Den Rand des Bildes zieren LGBTQ*-Flaggen. LGBTQ* steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und queere Menschen – und das Pluszeichen als Platzhalter für weitere Identitäten.

Das Bild wurde unter anderem von der islamischen Gruppe der Studentinnen und Studenten der Boğaziçi-Universität als beleidigend kritisiert. Der Anwalt der Studierenden, Levent Pişkin, sagte der Deutschen Presseagentur, den verhafteten Studenten sei zunächst "Herabwürdigung religiöser Werte", später dann aber "Aufwiegelung des Volkes zu Hass und Feindschaft" vorgeworfen worden. Nach Ansicht des Juristen liegt "überhaupt keine Straftat" vor. Erdoğan ging am Montag bei einer Rede indirekt auf den Vorfall ein und warf der LGBTI-Bewegung Vandalismus vor. (APA, 2.2.2021)