So oder so ähnlich haben sich meine Eltern mein Leben im Studentenheim vorgestellt.

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Spätestens beim Studienabbruch realisierten sie, dass es anders verlaufen sein dürfte.

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Klo am Gang. Und trotzdem war es Luxus pur, das kleine Studentenheim. Nicht weil am Häusl immer der neueste "Playboy" lag. Der Einzug war ein großer Schritt in ein selbstständiges Leben. Na gut, das stimmt so auch nicht ganz, weil da ja der Kollege im gleichen, vielleicht 20 Quadratmeter großen Zimmer war. Und die anderen Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich mir Küche, Gemeinschaftsraum und eh schon Erwähntes teilen musste.

Einzeldoppelzimmer

Aber ich hatte Glück. Mein Zimmerkollege hatte eine Freundin. Und die hatte ein Einzelzimmer in einem anderen Heim. Sinnlos zu erwähnen, dass das andere Heim komfortabler war – und er deshalb fast immer dort. Zum Glück hat er mir seinen Fernseher dagelassen. Oder zum Unglück – je nachdem, wie entscheidend man in dieser Frage den Studienerfolg sehen will.

So im Nachhinein betrachtet war die Zeit im Studentenheim wie ein laaaanger Skikurs. Nur ohne Schnee, Skifahren und Siegerehrung. Schon aber mit Gangaufsicht. Während der Stoßzeit – also zwischen März und Mai sowie Oktober und Mitte Dezember – schaute regelmäßig die Polizei vorbei. Der Hausmeister hatte es aufgegeben, des Nächtens selbst für Ruhe zu sorgen. Zu oft ging nach einem cholerischen Ordnungsruf einem seiner Autoreifen über Nacht die Luft aus, weil jemandem beim Kontrollieren der Ventile ein Fehler unterlaufen sein dürfte, wie dem Heimbuch – einem Sammelband studentischer Gehässigkeiten – zu entnehmen war.

Tischerlrücken

Dabei waren die launigen Abende im Heim eh selten sehr lang. Nach zwei weißen Spritzern waren wir nicht mehr zu halten. Der dritte hat das Problem dann aber meist schon wieder von allein behoben. Wer geeicht war, schaffte es danach noch bis ins Zimmer, wo er einschlief. Anders schaute das im Gasthaus gleich ums Eck aus. Bei einem kleinen Bier und einmal g'röstete Knödel mit Ei konnten fünf Leute stundenlang drei Tische belegen.

Auch wenn die Heimzeit meinem Fortkommen auf der Vet-Med nicht zuträglich war, berufsentscheidend war sie vielleicht schon. Anfangs besungener Zimmerkollege studierte Publizistik und fuhr schon ein Motorrad. Eine Kollegin, mit der ich später gemeinsam Biologie studierte,– sie schloss ab, ich natürlich nicht –, schreibt heute bei der "Presse". Den Typen, der jahrelang demonstrativ "Ulysses" von James Joyce offen hatte, hab ich danach nie wieder gesehen – oder von ihm etwas gelesen. Eine weitere Heimkollegin, die wirklich studiert hat, hör ich wenigstens noch regelmäßig, wenn sie im ORF das Wetter moderiert.

Von der Mitbewohnerin zur Kollegin

Die Anständigste war aber eine andere. Selten beim Wirt, oft die Zimmertür zu, nie beim Gehen gwacklt. Vor dem Lockdown bin ich wieder ein paar Wochen fast jeden Tag neben ihr gesessen. Sie ist heute eine von den großen Macherinnen beim STANDARD. Aus ihr ist also was geworden. Potenzial hätte das Haus anscheinend doch gehabt.

Unlängst kam ich zufällig wieder an meinem ehemaligen Studentenheim vorbei. Es schaut noch gleich aus wie vor über 20 Jahren. Sogar das Mobiliar dürfte noch dasselbe sein. Nie wieder will ich in das Haus. Obwohl, missen möchte ich die Jahre dort auch nicht. Sofort erinnerte ich mich an einige Geschichten, die ich hier des vorgeschobenen Anstandes wegen nicht ausbreiten kann. Aber Sie können ja. Erzählen Sie uns von Ihren Erlebnissen im Studentenheim. Oder von Heimpartys, wenn Sie sich noch erinnern können. Und würden Sie Ihre Kinder auch in ein Studentenheim schicken? Oder ist Ihnen lieber, sie studieren? (Guido Gluschitsch, 4.2.2021)