Nicht nur der seit langem umstrittene Saal "Republik und Diktatur" harrt einer Neuaufstellung, das gesamte HGM soll wissenschaftlich überarbeitet werden.

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Althaussanierer kennen das Problem. Kaum hat man genug Geld zusammengekratzt, um an einer Ecke zu renovieren, ist schon wieder an anderer Stelle Gefahr im Verzug. Wenn man sich nun vorstellen will, dass bei jedem winzigen Schritt der Veränderung am Haus nicht nur die eigene Großfamilie, sondern überhaupt das ganze Dorf mitreden will, hat man ungefähr erfasst, warum das Heeresgeschichtliche Museum (HGM) so aussieht, wie es eben aussieht: Es ist ein unter chronischem Budget- und Politdruck leidendes sowie von Individualinteressen der Sammler, Schenker, Leitungsorgane und Stammkundschaft getriebenes Stückwerk – ohne erkennbares Gesamtkonzept und ohne Erzählung.

Zu diesem Schluss kam nun nicht nur eine Historikerkommission, die das HGM unter die Lupe nahm, dieser Meinung ist zum Teil sogar die Leitung des Museums selbst. Was Kritiker und Verteidiger des Status quo eint, ist die Ansicht, dass das Haus über eine der interessantesten und umfassendsten militärhistorischen Sammlungen Europas verfügt, deren Potenzial die Museumspolitik endlich erkennen sollte und mit der produktiv umzugehen wäre.

Weniger Politik, mehr Expertise

Was ist zu tun? Zunächst ist für alle Beobachter augenscheinlich, dass das letzte Staatsmuseum als nachgeordnete Dienststelle des Verteidigungsministeriums mehr Unabhängigkeit von der Politik und vom Bundesheer, aber auch unbedingt mehr wissenschaftliche Expertise aus verschiedenen Disziplinen braucht: natürlich Militärhistoriker, aber auch Politik-, Kultur- und Sozialwissenschafter, die den mannigfaltigen Dimensionen der Kriegs- und Gewaltgeschichte einer früheren europäischen Großmacht, die zum neutralen Kleinstaat schrumpfte, gerecht werden.

Wäre das HGM wie die anderen großen Bundesmuseen Albertina und Co bereits vor 30 Jahren aus der Staatsverwaltung ausgegliedert worden, hätte es von Modernisierungsentwicklungen wie der Museumsmilliarde profitiert. So aber igelte man sich in der Trutzburg ein und verwies bei Kritik zumeist auf das klamme Heeresbudget.

Den Vorwurf der inhaltlichen Überkommenheit tat man ab mit dem Hinweis, Geschichte neutral, ohne allzu viel Kommentar ausstellen zu wollen. Dabei gibt sich das Museum zu großen Teilen den Charakter eines Schaudepots oder Zeughauses, in dem die Objekte ohne Einordnung für sich sprechen sollen. Aber können Waffen, Propagandaplakate, Büsten und Huldigungsrelikte aus der Habsburgerzeit, dem Austrofaschismus und dem NS-Faschismus selbsterklärend sein?

Selbstbefragung notwendig

Wie wirken sie auf historisch Ungeschulte? Wie auf Kinder, Jugendliche, Touristen? Und wie sehr bieten solche bis in die heutige Zeit politisch hochaufgeladenen Objekte Geschichtsverklärern bis Wiederbetätigern die Chance auf Ergötzung?

Wie alle Geschichtsmuseen, die ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert haben, muss sich auch das HGM nun diesen Fragen stellen. Es reicht nicht, wie bisher alles Ambivalente, Komplexe und Kritische, das sich mit den Objekten erzählen lässt, auf das zugegeben umfangreiche und ambitionierte Vermittlungs- und Führungsprogramm auszulagern, wenn man zugleich alle Einfallstore für Kriegsbeschönigung, Militarismus oder Habsburg-Verklärung offen hält. Eine Umgestaltung der HGM-Ausstellung muss andererseits aber auch längst nicht auf nationale Selbstkasteiung und reine Negativerzählung hinauslaufen – auch heute bleibt Platz für (demokratische) Helden, Humor oder den feinen Zwirn der k. u. k. Uniform.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) hat zunächst zögerlich, aber dann umso klüger entschieden. Sie hat den Experten zugehört und den Reformbedarf erkannt. Dazu wird sie zwar mit Widerständen in den eigenen Reihen fertigwerden müssen und sie dürfte auch vor personellen Änderungen im Museum nicht zurückschrecken; am Ende aber könnte sie als erste Modernisiererin des Heeresmuseums selbst in die Annalen eingehen. (Stefan Weiss, 3.2.2021)