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Welche Veränderungen werden im Profisport der Zukunft zugelassen sein? Schon in der Vergangenheit war die Grenze zwischen erlaubten und unerlaubten Hilfsmitteln nicht immer leicht zu ziehen.

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In Japan gibt man sich nicht mehr mit der Realität zufrieden. Seit Jahren finden in dem Land innerhalb einer eingeschworenen Community die "Superhuman"-Sportturniere statt: Mithilfe von Augmented-Reality-Brillen sollen sich die Teilnehmer während des Sports wie Übermenschen fühlen: Schneller, kräftiger und mit vielen zusätzlichen Fähigkeiten ausgestattet treten sie in dutzenden neu erschaffenen Spielen gegeneinander an.

Die Superhuman-Turniere mögen zwar etwas abgefahren wirken, sie sind aber nur eine von vielen Bestrebungen, den Spitzensport mit immer mehr technischen Erweiterungen und Leistungen zu revolutionieren. Die Möglichkeiten, menschliche Fähigkeiten im Wettkampf zu verbessern, reichen mittlerweile von aufputschenden Medikamenten und Genmanipulation bis hin zu technischen Erweiterungen wie Augmented-Reality-Brillen und verbesserten Arm- und Beinprothesen. Hunderte Substanzen und Manipulationsmethoden befinden sich bereits auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada). Während die "Dopingbekämpfer" versuchen, der Leistungssteigerung mit immer neuen Kontrollen Herr zu werden, schreitet der Wettlauf um die Erschaffung von "Supersportlern" unbehelligt voran. Lässt er sich aufhalten?

Der Weg zum Superhuman

Das Bestreben, sich einen Vorteil gegenüber Mitstreitern zu verschaffen, ist so alt wie der Sport selbst. Schon im antiken Griechenland priesen Ärzte die leistungssteigernde Wirkung des Verzehrs von Kräutern, Pilzen und Hoden an. Seit Anbeginn der Wettkämpfe hatten jene Athleten einen Vorteil, die mit dem geeigneten Körperbau für den Sport, schnelleren Reflexen und höherer Ausdauer ausgestattet waren.

Allerdings wirken die früheren Methoden zur Leistungssteigerung gegenüber der modernen Wissenschaft mehr als begrenzt. Seit Steroide in den 1980er-Jahren ihren Weg in den Profisport fanden, ist der Wettbewerb weit über die Grenzen von Talent, Training und natürlicher Stärke hinausgewachsen. Der Druck, sich von der Leistung anderer Mitstreiter abzusetzen und in der milliardenschweren Sportindustrie zu bestehen, hat Dopingskandale ausgelöst, Sportlerkarrieren vernichtet und in einigen Fällen sogar zum Tod der Athleten geführt.

Hohe Dunkelziffer beim "Schummeln"

Die generelle Meinung zu Doping in der Sportcommunity ist klar: zu gesundheitsgefährdend, zu unfair anderen Sportlern gegenüber und gegen den Geist des Sports. Das hält die Entwicklung aber nicht auf. Laut einer Studie der Universität Tübingen und der Harvard Medical School von 2017 gaben 30 Prozent der mehr als 2000 anonym befragten Leichtathletik-WM-Teilnehmer von 2011 an, vor dem Wettkampf Dopingmittel genommen zu haben. Aber lediglich 0,5 Prozent der Dopingtests zeigten ein positives Ergebnis.

Zudem werden die Möglichkeiten für die Athleten immer vielfältiger: Steroide, die die Funktion von Testosteron nachahmen und für den Muskelaufbau helfen sollen, kommen heute in tausenden verschiedenen Varianten auf den Markt. Hormone, Transfusionen von Blutkörperchen und aufmerksamkeitssteigernde Medikamente versprechen, in Zukunft noch mehr Leistung aus den Sportlern zu holen.

"Dopingkontrolleure sind den neuesten Entwicklungen immer einen Schritt hinten nach", sagt Michael Cepic, Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping Agentur Austria (Nada). Schließlich könne man sich erst anpassen, nachdem die Entwicklung schon da ist.

Genmanipulierte Sportler

Kaum eine Methode findet in der Wissenschaft und der Sportgemeinschaft so viel Aufmerksamkeit wie die genetische Manipulation von Athleten. Mithilfe der Genschere Crispr könnte es theoretisch möglich sein, die Fähigkeiten der Sportler anhand ihrer DNA zu verbessern. Mehr als 200 Genvarianten haben Wissenschafter bereits mit athletischen Fähigkeiten wie Ausdauer und Schnelligkeit in Verbindung gebracht. Indem neue Genabschnitte in den menschlichen Körper eingebracht und ausgeschnitten werden, könnten gezielt leistungssteigernde Prozesse gefördert werden.

Theoretisch könnte die Manipulation laut Forschern eines Tages bereits vor der Geburt starten, wenn Eltern ihre Kinder bewusst mit athletischen Fähigkeiten ausstatten. Diese "Designer-Babys" wären anderen schon von Geburt an überlegen – nicht nur im Sport, sondern auch in vielen anderen Lebensbereichen.

Ethische Fragen

Das Thema steckt aber noch in den Kinderschuhen und wirft zudem viele gesundheitliche und ethische Fragen auf. Wären genmanipulierte Personen noch mit "normalen" Menschen vergleichbar? Welche Eingriffe wären zulässig, welche würden zu weit gehen? Was wären die gesundheitlichen Folgen?

Bei der Wada ist Gendoping seit 2003 verboten. Zu hoch seien die gesundheitlichen Risiken. Trotzdem wandten sich einige Sportler in der Vergangenheit immer wieder an Genomforscher, um sich als "Versuchskandidaten" zu melden, wie aus Interviews mit den Wissenschaftern hervorgeht. Erschwerend für die Dopingkontrolleure kommt hinzu, dass sich Gendoping mit derzeitigen Methoden kaum nachweisen lässt.

Sorgen macht sich Cepic aber zurzeit noch wenig: "Gendoping ist sehr komplex. Ohne eine staatliche Finanzierung ist das im Moment nicht vorstellbar." Stattdessen werde immer noch meist mit Steroiden gedopt, allerdings häufig als "Cocktail", sodass viele Substanzen in geringer Dosierung vorkommen und so unter die Nachweisgrenze fallen, so Cepic.

Ausgleich versus Verbesserung

Einige der Fragen danach, wie weit Verbesserungen im Sport zugelassen sein sollen, erinnern an jene Debatten, die sich bereits rund um die Mensch-Prothesen-Erweiterungen der vergangenen Jahre erhitzten. Wie etwa um den Sprinter Oscar Pistorius: Dem Südafrikaner fehlten bei der Geburt die Wadenbeine, im Alter von elf Monaten amputierten ihm die Ärzte beide Beine unterhalb der Knie.

Stattdessen bekam er Unterschenkelprothesen aus Kunststoff, mit denen er erstaunlich gut laufen konnte. Nachdem er mehrmals bei den Paralympics gewann, suchte er um eine Teilnahme an den Olympischen Spielen 2008 gegen nicht-behinderte Sportler an. Die Teilnahme wurde ihm jedoch verwehrt, mit der Begründung, die Prothesen würden ihm einen "unfairen Vorteil" verschaffen. Erst bei den Olympischen Sommerspielen 2012 durfte er schließlich antreten.

2012 durfte Oscar Pistorius doch antreten. Er erreichte mit seinem Team im Staffellauf den achten Platz.
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Zusätzliche "Schwimmhäute"

Mittlerweile bieten sich durch moderne Technologien viele weitere potenzielle Möglichkeiten an. Schon jetzt verwenden viele Baseballspieler in den USA Kontaktlinsen, die Farbkorrekturen vornehmen, um den Ball besser im Blick zu behalten. Mithilfe von chirurgischen Eingriffen könnten sich Schwimmer eines Tages zusätzliches Gewebe zwischen den Fingern einsetzen lassen, um so vielleicht schneller schwimmen zu können.

Nicht zuletzt könnten Augmented Reality Technologien den Sportlern zusätzliche Informationen während des Spiels geben. Ein Torwart beim Fußball könnte sich vor einem Elfmeter etwa die Statistiken zum Schussverhalten des gegnerischen Spielers ansehen, um so ein Tor zu verhindern.

Wird es in Zukunft eine Aufteilung geben in normale Olympische Spiele und "Super-Olympics", in denen nur mehr Menschen mit verbesserten Fähigkeiten antreten werden? Wie schmal oder breit wird der Grat zwischen "normalen" und "optimierten" Menschen?

Doping erlauben?

Gerade Letzteres scheinen einige Wissenschafter zu befürchten. Sie fordern deshalb, die Einstellung zu Doping im Sport neu zu überdenken. Anstatt Doping zu verbieten, sollte es unter der Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen erlaubt sein. Eine unabhängige Agentur könnte den sicheren Einsatz der Dopingmittel überwachen.

"Das ist Schwachsinn", sagt Cepic. "Dann hätten wir Gladiatoren, die es irgendwann tot umhaut." Selbst wenn Doping bis zu einer gewissen Grenze freigegeben wäre, gäbe es wieder jene, die mehr nehmen würden, um sich so einen Vorteil zu verschaffen.

In Zukunft bräuchte es vor allem mehr Zusammenarbeit mit staatlichen Ermittlungsbehörden, um Dopingfälle aufzudecken. Zudem müsse auch die Sportindustrie selbst an den Kontrollen mitzahlen, anstatt diese nur dem Steuerzahler zu überlassen, so Cepic. Von implantierten Chips zur Kontrolle der Sportler – wie immer wieder diskutiert – hält der Experte aber wenig. Vielmehr sollten vorher die Blutkontrollen verbessert werden.

Bleibt die Spannung?

Nicht zuletzt stellt sich bei allen Verbesserungen die Frage der Fairness im Sport: Wären Menschen noch in der Lage, mit den verbesserten Athleten mitzuhalten? Was würde es für die Beliebtheit der Sportereignisse bedeuten? Immerhin lebt der Profisport für viele von großartigen Erfolgen und Fehlern zugleich: Immer im Spannungsfeld der generellen Unberechenbarkeit. Bliebe in der optimierten Sportwelt noch Platz für Fehler und Zufälle? (Jakob Pallinger, 6.2.2021)