SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner warnt die Regierung, sie gehe mit der Lockdown-Öffnung ein zu hohes Risiko ein. Teile ihrer Partei sehen das weniger dramatisch.

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Mit Fortdauer der Pandemie beginnen auch in den Parteien die Linien und Positionen, wie diese Krise zu bewältigen ist, zu verschwimmen. Wie in allen Teilen der Gesellschaft.

In der FPÖ etwa stehen sich jetzt zwei Lager gegenüber: Parteichef Norbert Hofer ("Ich lasse mich impfen") und die Gruppe um den radikalen Lockdown-Gegner Herbert Kickl.

Ludwig für, Rendi-Wagner gegen Öffnung

Wie sehr auch die SPÖ um eine einheitliche Haltung ringt, war am Tag der Verkündung der Lockdown-Öffnungen deutlich ablesbar. Der Wiener Parteichef und Bürgermeister Michael Ludwig trat als Landeshauptmann mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an die Öffentlichkeit, um die Regierungsmaßnahmen zu verteidigen – jene Maßnahmen, die Parteichefin Pamela Rendi-Wagner wiederum viel zu weit gehen.

Sie machte tags darauf, am Dienstag, erneut deutlich, dass die Regierung ein viel zu großes Risiko eingehe, wenn jetzt geöffnet werde, nachdem keines der Ziele – 700 Fallzahlen täglich, Inzidenz von 50 – erreicht worden sei. Rendi-Wagner erinnerte daran, dass Kurz sogar ein exponentielles Wachstum für ein realistisches Szenario hält. Österreich hätte noch zumindest die nächsten 14 Tage durchhalten müssen, damit die Zahlen weiter sinken, sagte Rendi-Wagner.

"Menschen haben die Schnauze voll"

Dessen ungeachtet drückte das rote Burgenland – gewohnt gegenredend – aufs Öffnungstempo. Ab März, so Gesundheitslandesrat Leonhard Schneemann, solle man Gastronomie und Tourismus wieder hochfahren. SP-Landesgeschäftsführer Roland Fürst legte nach: "Die Menschen haben mittlerweile die Schnauze voll." Nachweislich habe es "gerade in der Gastronomie nahezu keine Ansteckungen gegeben".

Das Burgenland könnte im Fall des Falles touristisch einen Turbostart hinlegen. Durch den langen Lockdown im Winter ist Geld liegengeblieben, das für Hotelgutscheine und Stornoversicherung reserviert wurde. Max Köllner, der Sportsprecher der SPÖ im Nationalrat, verlangte "Regeln mit Hausverstand. Niemand versteht, wenn sich Menschenmengen an Skiliften drängen, aber ein eins gegen eins in der Tennishalle verboten ist."

Für den immer um Vermittlung bemühten Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), der wie Rendi-Wagner Vorsicht einmahnt, verfügt die Partei durchaus über eine "Pandemiestrategie". Sie sei "in diesem Fall nur breiter gefasst. Unser gemeinsames Ziel ist es, gut durch diese Pandemie zukommen."

ÖVP-Länder denken regional

Das ist auch in der ÖVP Common Sense, wird aber eben auch je nach Standort unterschiedlich interpretiert. Der Wirtschaftsflügel will breit aufmachen, die Besonnenen mahnen zur Vorsicht. Und die Länder denken regional. Dabei kann es – so beim Treffen mit der Regierung am Montag geschehen – heiß hergehen in der ÖVP, vor allem beim Kurz-Vorschlag eines Lockdown-Automatismus in den Ländern bei einer Inzidenz von 250.

Das sei nach einem Jahr Pandemie einigermaßen "ideenlos", merkte Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner an, wie ein Ohrenzeuge hörte. Der Steirer Hermann Schützenhöfer wähnte gar ein Messer im Rücken. Und Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer soll im Lauf der Sitzung ein resümierendes "Holler" entfahren sein. Was Bundeskanzler Kurz schließlich zum Einlenken brachte: "Okay, dann lassen wir's." (Walter Müller, Wolfgang Weisgram, 3.2.2021)