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Er ist nicht nur ein Monster von einem Wort, sondern auch ziemlich kompliziert: Über den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf) können private Krankenanstalten Leistungen versicherter Patienten verrechnen. Der Zugang zum Prikraf ist beschränkt, alle Mitglieder sind namentlich im Prikraf-Gesetz aufgeführt. Auch das Fondsvolumen ist gedeckelt.

Wird eine neue Klinik in den Prikraf aufgenommen, erhalten also alle anderen Mitglieder weniger Geld. Deshalb sperrte sich die Branche gemäß der Beschlüsse des Fachgremiums bettenführender Privatspitäler jahrelang dagegen, ohne Erhöhung des Prikraf-Volumens weiteren Privatkliniken Zugang zum Fonds zu gewähren.

Branchenobmann H. ist ,auch Geschäftsführer der Premiqamed, die vier Privatkliniken betreibt und im Besitz der Uniqa Österreich steht. Deren Vorsitzender war bis zu seiner Angelobung als Finanzminister wiederum Hartwig Löger (ÖVP).

Neue Linien, mehr Geld

Auf der blauen Seite des Prikraf-Dramoletts stehen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Walter Grubmüller. Die beiden verband eine lange Bekanntschaft und ein gemeinsames Interesse: die Öffnung des Prikraf für Grubmüllers eigene Privatklinik. "Welches Gesetz brauchst du?", fragte ihn Strache per Whatsapp kurz vor den Regierungsverhandlungen mit der ÖVP.

Als Strache dann Vizekanzler war, lobbyierte er bei anderen Regierungsmitgliedern und bei Branchenvertretern für eine Erweiterung des Prikraf. Die blieben bei ihrer Linie: Neue Mitglieder werden nur aufgenommen, wenn der Prikraf insgesamt mehr Geld erhält. Im Sommer 2018 wurde das dann beschlossen. Die Privatkliniken erhielten mehr Geld – inklusive der Premiqamed –, und Grubmüllers Unternehmen war endlich Prikraf-Mitglied. Während sich Privatkliniken über die Gesetzesänderungen freuten, beklagten Gewerkschaften und Arbeiterkammer zahlreiche Verschlechterungen für Versicherte.

Die WKStA und die Parteispenden

Dann betrat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) die Szene. Denn rund um die handelnden Akteure war Geld geflossen, und zwar in Form von Parteispenden: Grubmüller hatte der FPÖ zehntausend Euro überwiesen und Strache auf seine Yacht eingeladen; die Premiqamed in den Jahren 2017 und 2018 jeweils 25.000 Euro an die ÖVP überwiesen.

Nach der Auswertung von Straches in der Causa Casinos sichergestelltem Smartphone leitete die WKStA Ermittlungen wegen Bestechlichkeit und Bestechung gegen den einstigen Vizekanzler und Privatkliniken-Betreiber Grubmüller ein – es gilt die Unschuldsvermutung. Gleichzeitig begann sie, in der Causa Einvernahmen durchzuführen, unter anderem bei Branchenobmann und Premiqamed-Manager H.. Auch im U-Ausschuss wurde er befragt, genau wie Ex-Finanzminister Löger.

Nun will die WKStA weitere Verdachtsmomente entdeckt haben, und zwar bei H. Löger und weiteren Premiqamed-Managern. Sie verdächtigt Löger, als Uniqa-Österreich-CEO "Beihilfe zur Untreue" begangen zu haben, indem er gemeinsam mit H. die "Idee" zu einer Spende an die ÖVP entwickelte. Die Ermittler vermuten einen Zusammenhang zwischen den Spenden und der Prikraf-Erhöhung, von der auch die Premiqamed profitiert hat. Da Löger zum Zeitpunkt der Spenden-Idee noch nicht Minister war, handelt es sich nicht um Bestechung; die WKStA will hier wegen "Untreue" vorgehen. Durch die "nicht sachgerechte Spende" sei die Premiqamed geschädigt worden, heißt es. Diese sei wegen "persönlicher Vorlieben" für die Politik der ÖVP und nicht im Unternehmensinteresse erfolgt, heißt es in einem Informationsbericht der Staatsanwaltschaft. Dass die Premiqamed später von der ÖVP-Politik profitierte, sei juristisch unerheblich.

Löger und die Premiqamed, also auch deren Geschäftsführer H. bestreiten die Vorwürfe. Es gebe keinen Zusammenhang zwischen den Spenden, der Bestellung Lögers zum Finanzminister und der Erhöhung des Prikraf, heißt es. Erwähnenswert ist, dass die WKStA noch den Anfangsverdacht prüft, Löger und H. derzeit also "Verdächtige" und nicht "Beschuldigte" sind.

Heftige Kritik der Opposition

Politisch haben die Ermittlungen, über die zuerst DER STANDARD berichtet hat, für heftige Reaktionen gesorgt. SPÖ-Gesundheitssprecher Philipp Kucher sprach von einer "missbrauchsanfälligen und gesundheitspolitischen Fehlkonstruktion". "Da teilen sich die Privatkliniken zig Millionen Euro, die von Beiträgen der Sozialversicherten kommen, untereinander auf", kritisierte Kucher. Die SPÖ sprach sich dafür aus, dass die Sozialversicherung selbst entscheidet, mit welchen Privatspitälern sie Verträge über Leistungen abschließt.

"Die Rolle der ÖVP wird immer dubioser. Egal ob Prikraf, ob Casinos oder Vereinskonstrukte, der 'schwarze Faden' wird mehr und mehr 'zu Filz dieser Republik', und jetzt gilt es mit den letzten Resten der unabhängigen Justiz diese sauren Wiesen trockenzulegen", kommentierte Christian Hafenecker, blauer Fraktionsführer im U-Ausschuss. Sein grünes Gegenüber Nina Tomaselli nahm beide ehemaligen Koalitionspartner in die Pflicht: "Am Prikraf haben beide gut verdient. Wie so oft auf Kosten der Steuerzahler und Steuerzahlerinnen."

"Wir haben immer schon darauf hingewiesen, dass sich die Erhöhung des Prikraf nicht für den Strache-Freund am meisten ausgezahlt hat, sondern für die Kurz-Spenderin Premiqamed", sagte Stephanie Krisper, Fraktionsführerin der Neos im U-Ausschuss. Der Verdacht um Löger ist für sie "mehr als aufklärungsbedürftig". Ihr ÖVP-Pendant Wolfgang Gerstl verwies auf die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, 3.2.2021)