Hildmann ist in den vergangenen Monaten vor allem aufgrund von potenziell verhetzenden Beiträgen auf Telegram aufgefallen.

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Einst ist er aufgrund von veganen Kochbüchern bekannt geworden, nun kennt man Attila Hildmann vor allem aufgrund von Verschwörungsmythen und der Aufmerksamkeit durch Strafverfolgungsbehörden. Auf sozialen Medien sorgt er aktuell aufgrund einer Umfrage unter seinen Followern auf der Plattform Telegram für besondere Aufregung. Darin stellt er die Frage, wer denn "der Feind der Deutschen" sei. Als Auswahl nennt er "den Türken", "den Amerikaner", "den Russen", "den Juden", "den Chinesen", "den Afrikaner" oder "keinen von der Liste". Die anonyme Umfrage wurde von fast 5.000 Menschen beantwortet.

Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz erklärt auf Anfrage des STANDARD zu einer Einschätzung des Postings, dass offiziell keine Auskunft über Einzelpersonen gegeben werden könne. Allerdings würde man beobachten, was "Extremisten jeglicher Couleur" auf sozialen Medien veröffentlichen.

Freies Spiel seit Monaten

Hildmann postet seit Monaten auf Telegram eine Mischung aus Verschwörungsmythen und verhetzenden Beiträgen, häufig mit Antisemitismus und Fremdenhass garniert. Einmal ist die Impfung eine "Biohacking-Genspritze" der "Pharma-Mafia", ein anderes Mal will er für "Deutschland und sein Volk kämpfen" und für die "heilige Nation" marschieren. Journalisten seien "Journutten", das Coronavirus eine "Verschwörung der Freimaurer". Er selbst bezeichnet sich als "ultrarechts".

Immer wieder will er seinen Followern Produkte verkaufen, beispielsweise bewarb er zuletzt einen Onlineshop, der "Survival-Ausrüstung" verkaufe. Für Interessierte gibt es dort unter einem Rabattcode, der Hildmanns Namen gleicht, Vergünstigungen auf Pfeffersprays, Armbrüste und Wasserfilter. Sein Kanal, der öffentlich ist und somit für jeden Nutzer einsehbar, zählt rund 114.000 Follower. Täglich veröffentlicht der Verschwörungsideologe dort im Minutentakt Beiträge, regelmäßig verlinkt er dabei auf dubiose Onlineportale.

Hausdurchsuchung und Ermittlungen

Für sein Verhalten war er in den vergangenen Monaten immer wieder im Visier von Staatsschützern, bisher aber ohne Verurteilung. So durchsuchte die deutsche Polizei im November seine Wohnung, aktuell läuft eine Untersuchung wegen Volksverhetzung. Bei der Hausdurchsuchung wurden Mobiltelefone, Computer, Festplatten und Speicherkarten beschlagnahmt, die derzeit ausgewertet werden. Die Berliner Staatsanwaltschaft will klären, ob und inwiefern Hildmann mit seinen Beiträgen die Meinungsfreiheit überschritten hat.

Doch auch andere Gesichter aus der rechtsradikalen Szene, darunter etwa der Identitären-Chef Martin S., haben dort einen Rückzugsort für ihre kruden Erzählungen gefunden. Auf Plattformen wie Facebook, Twitter und Youtube waren sie zuvor gesperrt worden – vor allem aufgrund von Beiträgen, die möglicherweise strafbar waren. Beim russischen Messenger können sie diese großteils unwidersprochen verbreiten.

Telegram entflieht Rechtsverfolgung

Anders als die US-Plattformen geht Telegram nur vereinzelt gegen Rechtsextremismus vor. Und das vor allem im angloamerikanischen Raum, motiviert durch den Sturm auf das Kapitol Anfang des Jahres, bei dem rechtsextreme Trump-Anhänger gewaltsam in den Sitzungssaal des Senats und in die Abgeordnetenbüros eingedrungen waren.

Die Plattform fällt nicht in das seit Anfang des Jahres geltende Kommunikationsplattformengesetz. Dieses ist Teil des "Hass im Netz"-Pakets der Bundesregierung und verpflichtet soziale Medien dazu, rechtswidrige Postings innerhalb von 24 Stunden beziehungsweise in fraglichen Fällen siebe Tagen nach Eingang einer Meldung zu entfernen. Die Ausnahme hat damit zu tun, dass die Plattform sich selbst als Messenger versteht – jedoch bietet sie gleichzeitig Funktionen, die einem öffentlichen sozialen Netzwerk gleichen. So ist es einerseits möglich, Konversationen mit einzelnen Nutzern zu führen, andererseits erlaubt Telegram aber auch sogenannte Kanäle – wie eben jenen von Hildmann –, die unbegrenzt viele Follower zählen können. Zudem sind in einer Gruppe tausende Mitglieder gleichzeitig möglich.

Doch auch mit Rechtsgrundlage – die Plattform muss sich an das E-Commerce-Gesetz der EU halten – dürfte sich eine Verfolgung als schwierig erweisen: Denn die Plattform hat ihren Unternehmenssitz mehrfach geändert, um einer Rechtsdurchsetzung zu entfliehen. So war dieser zeitweise in Berlin, London und Singapur. Die Entwickler befänden sich mittlerweile nach Eigenangaben in Dubai. (Muzayen Al-Youssef, Stefan Mey, 3.2.2021)