Skikurse sollen Spaß machen und die Klassengemeinschaft stärken. Sei es auf der Piste, sei es beim Discoabend.

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Seit Anfang der 1980er hat sich die Zahl der Teilnehmer an schulischen Wintersportwochen auf circa 120.000 halbiert. Das hat mit Sommersportwochen und sinkender Begeisterung fürs Skifahren mehr zu tun als mit anfallenden Kosten. Im Idealfall machen Wintersportwochen viel Spaß und stärken die Klassengemeinschaft, sagt Sonja Spendelhofer. Die Präsidentin des Leichtathletikverbands ist Fachinspektorin für Bewegungserziehung und Sport in der Bildungsdirektion Wien. Sie muss auf Skisport-motivierte Direktoren, Lehrer, Schüler und Eltern hoffen. "Sonst wird es schwierig."

STANDARD: Ist der Skisport noch zu retten?

Spendelhofer: Es steht nicht so schlecht um den Skisport. Ich sehe ein enormes Interesse daran, auch in meinem Bekanntenkreis. Der Skisport hat Zukunft, den wird es garantiert auch noch in ein, zwei Generationen geben. Aber es werden schon weniger Menschen sein, die Ski fahren gehen. Das hat mit der Bevölkerungsstruktur zu tun. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund nimmt zu, da gibt es viele, die keine oder kaum Berührungspunkte mit Schnee haben.

STANDARD: Ist das mit ein Grund dafür, dass die Anzahl der Schulskikurse abgenommen hat?

Spendelhofer: Das spielt sicher auch mit. Ob eine Winter- oder eine Sommersportwoche stattfindet, entscheidet der Schulgemeinschaftsausschuss oder das Klassenforum. Da sind Schüler, Eltern und Lehrer vertreten. Damit Skikurse stattfinden können, muss eine 70-prozentige Beteiligung der Klasse gegeben sein. Aber zum Beispiel in Wien erteilen wir meist bis circa 50 Prozent Beteiligung die Genehmigung, wenn dadurch kein Mehraufwand entsteht.

STANDARD: Woran liegt's, wenn Skikurse nicht mehr zustande kommen?

Spendelhofer: Es steht und fällt viel mit den handelnden Personen. Wenn Lehrerinnen und Lehrer, die nicht begeistert sind, auf ebenfalls nicht begeisterte Schülerinnen und Schüler treffen, wird es schwierig. Aber allein schon eine motivierte Direktorin oder ein motivierter Direktor kann viel bewirken.

"Es braucht im Sport besonders gute Pädagoginnen und Pädagogen."
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STANDARD: Was qualifiziert Lehrerinnen und Lehrer, Jugendliche im Skifahren zu unterrichten?

Spendelhofer: Sportlehrer und -lehrerinnen, also die Skikursleiter, haben zumindest den Begleitschein, der ist eine Voraussetzung für den Studienabschluss. Für andere Lehrerinnen und Lehrer, die mitfahren, gibt es eine Zusatzausbildung.

STANDARD: Fragen sich nicht immer mehr, wieso sie sich einen Skikurs antun sollen? Damit ist doch eine enorme Verantwortung verbunden.

Spendelhofer: Das stimmt schon. Skikurse sind anstrengend, und im Grunde ist Wachsamkeit rund um die Uhr gefragt. Jeder ist froh, wenn er alle Kinder wieder heil nach Hause gebracht hat. Aber ein Schulskikurs ist auch viel mehr als Skifahrenlernen. Da gehören der Discoabend und ein Spieleabend dazu. Eine Wintersportwoche kann sehr viel Spaß machen, die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern verbessern und für die Klassengemeinschaft extrem wichtig sein.

STANDARD: Ist die Verantwortung größer geworden? Ab und zu liest man von Eltern, die sofort klagen, weil sich ihr Kind im Turnunterricht oder im Skikurs verletzt hat.

Spendelhofer: Prinzipiell ist es ja positiv, dass viele Eltern interessiert sind und sich heutzutage mehr einbringen als früher. Aber es kommt schon auch häufiger vor, dass es schon bei Kleinigkeiten eine Einmischung der Eltern gibt. Die Verantwortung ist so oder so groß.

STANDARD: Sind Schulskikurse zu teuer geworden?

Spendelhofer: Für Familien, die sehr belastet sind, können 350 Euro, die ein Skikurs kostet, viel Geld sein. Bei zwei Kindern kommt da schon etwas zusammen. Aber, nur zum Vergleich, Sprachwochen kosten noch viel mehr. Und bei Wintersportwochen gibt es Möglichkeiten, bedürftigen Schülern und Schülerinnen zu helfen. Es gibt Zuschüsse der Stadt Wien, es gibt viele Elternvereine, die unterstützen. Auch die Ausrüstung muss nicht teuer sein. Die Stadt Wien zum Beispiel hat einen tollen Verleih, da zahlt man nicht mehr als 25 Euro pro Woche.

STANDARD: Zum Auftakt dieser Serie hat Nicola Werdenigg gesagt, sie kenne nicht wenige Menschen, die sich nur ungern an Schulskikurse erinnern, weil sie da gemobbt wurden. Wie groß ist dieses Problem?

Spendelhofer: Dazu ist mir wenig bekannt, obwohl ich selbst 14 Jahre lang Lehrerin war. Natürlich gab es Kinder, die weniger Spaß als andere oder Heimweh hatten. Ich selbst habe überhaupt erst in der Schule Ski fahren gelernt, ich war einige von wenigen, die das vorher nicht konnten. Aber ich hatte trotzdem viel Spaß, niemand hat sich lustig gemacht.

STANDARD: Birgt Schulsport nicht generell ein hohes Mobbingrisiko?

Spendelhofer: Auch da hängt viel von der Lehrerin oder vom Lehrer ab. Der Sportunterricht kann Entwicklungen verstärken, bietet aber auch die große Chance, Mobbingtendenzen entgegenzuwirken. Es darf nicht sein, dass man vor dem Völkerballspielen immer wählen lässt und am Schluss immer der- oder dieselbe überbleibt, der oder die es am wenigsten gut kann. Das wäre völlig unpädagogisch, da muss man eingreifen und zum Beispiel durchzählen lassen oder die Teams nach Anfangsbuchstaben zusammenstellen. Es braucht im Sport besonders gute Pädagoginnen und Pädagogen, die Situationen einschätzen und die richtigen Maßnahmen treffen können.

STANDARD: Vor nicht allzu langer Zeit kam eine Diskussion auf, ob Völkerball nicht legalisiertes Mobbing sei und verboten werden sollte.

Spendelhofer: Man kann und soll beim Völkerball adäquate Zusatzmaßnahmen treffen. Es muss nicht nur ums Abschießen gehen, man kann sich auch freilaufen. Und man sollte nicht nur Völkerball spielen. Man kann auch Geschicklichkeitsspiele veranstalten, zum Beispiel Jonglieren. Da gibt’s dann vielleicht Anerkennung gerade für die Schülerinnen und Schüler, die sonst nicht so im Vordergrund stehen. Niederlagen im Sport sind per se keine Katastrophe. Problematisch wird es dann, wenn einer chancenlos ist, pausenlos verliert und dann noch darauf herumgeritten wird.

STANDARD: Letzte Frage: Wann waren Sie zuletzt Skifahren, wann gehen Sie wieder?

Spendelhofer: Ich war vor einem Jahr in den Semesterferien am Arlberg, leider war das Wetter schlecht. Jetzt würde es mich wieder sehr reizen, vielleicht schaffe ich bald einen Tagesausflug. Mir kommt entgegen, dass ich in St. Aegyd am Neuwalde einen Zweitwohnsitz habe – übrigens schon seit Jahren, nicht erst jetzt wegen Corona. (Fritz Neumann, 4.2.2021)