Ex-Commerzialbank-Chef Martin Pucher wundert sich, dass die Malversationen seiner Bank so lange nicht aufflogen.

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Martin Pucher machte am 14. Juli des Vorjahrs eine Selbstanzeige und einen beispiellosen Bankenskandal publik. Er hatte die Bank, die Anfang der 1990er-Jahre aus dem Raiffeisensektor geflogen war, quasi neu gegründet und hatte danach jahrzehntelang Bilanzen aufgeblasen. Längst befasst sich ein Untersuchungsausschuss mit der Causa, am Mittwoch war Pucher selbst geladen.

An diesen 14. Juli erinnerte sich Pucher unter Tränen. "Ich bin mit meiner Tochter in die Bank gefahren," sagte er. Dort habe er bei den zwei Prüfern aus der Aufsicht alles gesagt, was er wusste. Daheim habe er dann die anderen beiden Töchter und seine Frau darüber informiert. Diese sollten den Aufsichtsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreter sowie Puchers Bruder informieren. Mit einem Vertreter der Finanzmarktaufsicht habe er das weitere Prozedere besprochen. Im Vorfeld habe er mit niemandem darüber geredet oder Andeutungen gemacht.

Der "Watschenmann"

Hunderte Millionen Euro fehlten letztlich in der Bilanz der Commerzialbank. Begonnen hat alles mit einem knappen Dutzend an fingierten Krediten, wie Pucher aussagte. Schon bei der Gründung habe es Malversationen gegeben, zehn bis elf Kredite sollen es gewesen sein.

Sich selbst bezeichnete Pucher als "Watschenmann", er sei aber nicht allein dafür verantwortlich, dass die Zahl erfundener Kredit über die Zeit wuchs und wuchs und wuchs. Er wisse nicht, warum die Malversationen nicht aufgefallen sind. "Ein wesentlicher Teil unserer Blödheiten war die Fälschung von Bankguthaben, und das wäre mir wahrscheinlich aufgefallen", sagte Pucher, sich in die Rolle eines Bankenprüfers hineindenkend

Blumensträuße und Goldplättchen

Mit dem fingierten Geld der Bank gab sich Pucher Kunden gegenüber großzügig. Größere Kunden, aber auch Politiker wurden zu runden Geburtstagen mit Geschenken bedacht. Es gab Wein, Blumensträuße, aber auch Goldplättchen. Mattersburgs Bürgermeisterin Ingrid Salamon und Ex-Landeshauptmann Hans Niessl (beide SPÖ) seien so beschenkt worden, sagte Pucher – was beide postwendend dementierten. Bürgermeister im Bezirk seien mit Silber beschenkt worden, so Pucher, er habe da keinen Unterschied bei den Parteien gemacht. Bargeld sei nicht verschenkt worden. Und auch mit Prüfern sei er nie essen gegangen, betonte der Exbanker, es habe auch keine Zuwendungen gegeben.

Zwar finden sich auf Puchers Geschenkeliste auch Notenbanker. Dass die Bankenaufseher die Malversationen im Burgenland jahrzehntelang übersahen, lag laut Nationalbank-Vizegouverneur Gottfried Haber nicht an Zuwendungen, sondern an der Natur der Causa. Er war nach Pucher in den Ausschuss geladen und sagte aus, die Bankenaufsicht sei "nicht auf die Aufdeckung krimineller Machenschaften ausgerichtet, sondern auf die Prüfung seriöser, aber möglicherweise zu risikofreudiger Banken".

Beschenkte Notenbanker

Bei den Vertretern der Oesterreichischen Nationalbank auf der Geschenkeliste handle es sich um Personen, die "seit rund 20 Jahren nicht in Prüfungshandlungen in Zusammenhang mit der Commerzialbank involviert waren".

Die juristische Aufarbeitung des Commerzialbank-Skandals wird sich wohl noch ziehen. Momentan sind etwa noch 99 Millionen Euro verschwunden. Zu diesen könne Pucher keine Angaben machen, wie dessen Anwalt Norbert Wess sagte. "Es kann sein, dass es das Geld nicht gegeben hat, weil es eben fiktiv war, oder dass es einfach noch nicht gefunden wurde", betonte er nach Puchers Aussage. Eine Anklage werde "so schnell nicht möglich sein". Er rechne damit, dass die Aufarbeitung noch ein- bis eineinhalb Jahre dauern werde.

Pucher will jedenfalls mithelfen, er sei sehr an einer Aufarbeitung interessiert. "Ich wäre selber neugierig, wo gewisse Teile von der Summe, die ich vernommen habe, hingekommen sind", sagte der ehemalige Bankchef bei seiner Befragung. Puchers Befragung dauerte aus gesundheitlichen Gründen nur eine Stunde, die Fragen waren ihm vorab bekanntgegeben worden. (Renate Graber, Aloysius Widmann 3.2.2021)