Der 78-jährige ehemalige Vizebürgermeister von Gleisdorf hat die ÖVP wegen der Politik des Bundeskanzlers verlassen.

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Sechzig Jahre war Siegbert Rosenberger ÖVP-Mitglied. Das ist jetzt vorbei. Der langjährige Vizebürgermeister der oststeirischen Stadt Gleisdorf hat seine Parteimitgliedschaft zurückgelegt. Es war die Abschiebung einer in Österreich geborenen und aufgewachsenen zwölfjährigen Schülerin, der Wienerin Tina, nach Georgien, die für den pensionierten Geschichtslehrer "der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte", erzählt er dem STANDARD.

Begonnen habe das Unbehagen aber schon, als er sah, "wie der jetzige Kanzler die ganze Partei in Festungshaft" nahm, so Rosenberger. "Ich hab mich nicht nur bei der Entmachtung Reinhold Mitterlehners gewundert, dass sich niemand gewehrt hat. Auch die Koalition mit der FPÖ war nicht bei allen von uns unumstritten. Ich frage mich, was noch alles passieren muss. Aber wer Erfolg hat, hat anscheinend recht." Jedenfalls seien für ihn die Migrations- und Flüchtlingspolitik und die "Kaltschnäuzigkeit" von Sebastian Kurz nicht mehr tragbar, betont der 78-jährige Stadthistoriker, der 20 Jahre kommunalpolitisch arbeitete.

Rosenberger weist auch auf eine von kirchlichen Kreisen unterstützte Initiative zur Aufnahme von Flüchtlingen im traditionell schwarzen Bezirk Weiz hin: "Wir sind 31 Gemeinden mit 90.000 Einwohnern und wollen zehn Familien aus Lesbos aufnehmen, aber die Bundesregierung verbietet es uns, zu helfen."

Wie waren die Reaktionen auf seinen Parteiaustritt? "Unser Bürgermeister (ÖVP-Parlamentarier Christoph Stark, Anm.) hat es bedauert", sagt Rosenberger, "aber ich bekomme viele Nachrichten und E-Mails, alle sind positiv." Am meisten freue sich der Ex-Politiker über eine Begegnung am Mittwochvormittag: "Ich war einkaufen und habe einen ehemaligen Schüler von mir getroffen, der hat mich beglückwünscht."

"Tiefer Graben"

Ihm bereite der "tiefe Graben" und die Radikalisierung um das Thema Migration in der Gesellschaft Sorge: "Und der Bundeskanzler macht diesen Graben immer tiefer." (Colette M. Schmidt, 4.2.2021)