Mit dem Roboter startet das Abenteuer.

Foto: Youthcat Studio

Vor knapp fünf Jahren hat ein kleines tschechisches Indiestudio ein weltweites Phänomen erschaffen: Mit dem Early-Access-Launch von Factorio 2016 wurde eine neue Nische im Aufbaustrategiegenre gegründet. Das "Fabrikspiel" zwang mit seinem einzigartigen Schwerpunkt auf Logistik und Automatisierung zu innovativen Problemlösungen ganz abseits vom sattsam bekannten Aufbauspiel-Rezept. Factorio war schon wenige Wochen nach dem Start auf Steam ein Hit, heute steht das im August 2020 finalisierte Spiel bei über zwei Millionen verkauften Kopien und 87.000 Steam-Rezensionen, 98% davon positiv.

Gamera Game

Kein Wunder, dass die Suche nach dem Erben dieses Ausnahmespiels seit Jahren im Gange ist. Nach dem ebenfalls gut aufgenommenen Satisfactory sorgt im Moment der kometenhafte Aufstieg eines anderen Titels für Begeisterung im Netz: Dyson Sphere Program ist erst seit knapp zwei Wochen im Early Access erhältlich, hat sich allein in der ersten Woche davon schon 350.000 Mal verkauft und 14.000 Steam-Nutzern zu überwältigend positiven Rezensionen gebracht – das dürfte Rekord sein.

Der Clou des Logistik-Aufbauspiels eines fünfköpfigen chinesischen Entwicklerteams: Die clevere Industrialisierung ist in Dyson Sphere Program nicht auf einen einzelnen Planeten beschränkt. In der Gestalt eines riesigen Roboters beginnt man auf einem anfangs zufällig berechneten Planeten eines Sonnensystems wie gewohnt von klein auf mit dem Aufbau der üblichen Industriestruktur. So baut man Bergbau- und Industriegebäude, Energieversorgung und Fließbandkonstruktionen, die mit zunehmender Freischaltung des Forschungsbaums mehr und mehr unterschiedliche Industriezweige samt immer spezialisierterem Output versorgen.

Dank Forschung erweitern sich die spielerischen Möglichkeiten.
Foto: Youthcat Studio

Die Energie eines Sterns nutzen

Die recht unterschiedlich gearteten Himmelskörper in Dyson Sphere Program, auf denen diese ersten Industrien entstehen, sind vergleichsweise klein – ein beherzter Spaziergang mit dem Mech lässt einen die sichtbar gekrümmten Planeten in maximal ein paar Minuten vollends umrunden. Umso größer ist das Fernziel des Spiels, das schon im Titel angesprochen wird: Die spekulative Technologie einer Dyson-Sphäre, benannt nach dem Physiker Freeman Dyson, meint eine gewaltige Konstruktion, mit der fortgeschrittene Zivilisationen die Energie eines zentralen Sterns in einem Sonnensystem vollständig absorbieren und nutzen können.

Genau so eine Megakonstruktion soll hier irgendwann den schier endlosen Energiehunger unserer Zivilisation stillen, und in diesem Anspruch liegt der größte Unterschied zu Factorio und Co: In Dyson Sphere Program darf man nach dementsprechender technischer Entwicklung auf andere Planeten und schließlich zu anderen Sonnensystemen aufbrechen, um so nach und nach ein Imperium aus automatisierten Fabriksplaneten zu errichten. Klingt nach einem aufwendigen Projekt? Genau so mögen es die Fans des Genres.

Der Aufbruch zu neuen Welten ist ein Ziel des Spiels.
Foto: Youthcat Studio

Was ist gelungen?

Dyson Sphere Program stellt sein größtes Alleinstellungsmerkmal mit Stolz in die Auslage: Die spherische Planetenoberfläche, auf der man die meiste Zeit verbringt, lässt mit Ausblicken auf majestätische Sonnen, Nachbarplaneten und andere galaktische Sehenswürdigkeiten perfektes Science-Fiction-Feeling aufkommen. Wenn sich plötzlich riesige Planeten über den Horizont der kleinen Starterwelt schieben, steigt die Motivation, das eigene Sonnensystem zu erforschen und seinem Fabriksimperium einzuverleiben.

Den Schauwerten steht solides und enorm motivierendes Gameplay gegenüber: Elemente aus dem Genre-Übervater Factorio, aber auch Satisfactory und Astroneer fügen sich hier zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Schon jetzt ist dieses Spiel riesig und erstaunlich stabil, das Studio reagiert prompt auf Feedback und liefert häufige Updates und Patches.

Was ist weniger gelungen?

Die Hauptkritikpunkte sind solche, die mit kommenden Updates behoben werden sollen: Wer ohne jede Genre-Kenntnis startet, wühlt sich durch eher trockene Tutorial-Textwüsten und muss sich vor allem anfangs viel durch Versuch und Irrtum aneignen; dass so mancher englische Text dabei eher holprig daherkommt, macht diese Unsicherheiten nicht kleiner. Einige Feinheiten des User Interfaces lassen sich noch optimieren, vor allem die Navigation im Weltraum ist momentan noch sehr unübersichtlich geraten. Das stückweise Abreißen von Gebäuden ist noch umständlich – und leider nötig, weil das Spiel Gebäude-Upgrades noch nicht erlaubt.

Dazu kommt, dass Dyson Sphere Program im Moment eine recht ereignisarme Sandbox ist: Es gibt noch keine Gegner oder andere Gefahren, was den Ausbau des eigenen Imperiums zur eher gemütlichen Aufgabe ohne besonderen Druck, aber auch ohne größere Herausforderungen abseits der eigenen Ambition werden lässt.

Noch sind die Welten im Spiel relativ leer.
Foto: Youthcat Studio

Fazit

Factorio hat schon im Early Access die Welt erobert, Dyson Sphere Program wiederholt das Kunststück: Besser kann man als Fan des Genres aktuell sein Geld nicht investieren. Wenn die versprochenen Features im Lauf der Entwicklung noch hinzugefügt werden, wartet hier ein absolut würdiger Erbe des großen Vorbilds Factorio.

Achtung: Schon jetzt kann man mühelos hunderte Stunden in diesem Spiel verbringen. Dyson Sphere Program ist Early Access, wie er sein soll – und ein weiterer Beleg für das Erwachen Chinas als künftige Spielentwicklungsgroßmacht.

Dyson Sphere Program ist im Early Access für Windows um 16,79 Euro erschienen. (Rainer Sigl, 7.2.2021)