Viele Menschen, die von der Stadt zurück aufs Land ziehen, wollen ihre urbanen Vorstellungen dort neu aufbauen. Dabei ist es wichtig, auf Augenhöhe zu kommunizieren.

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Daheim – das ist für viele Menschen immer noch dort, wo sie herkommen, wo sie aufgewachsen oder geboren sind, und das oft, obwohl sie an diesem Ort seit vielen Jahren nicht mehr leben. Die Pandemie hat bei manchen nun die Sehnsucht nach dem alten Zuhause geweckt. Auch die Möglichkeiten scheinen plötzlich da, denn das Homeoffice macht das Arbeiten von fast überall möglich.

Wie dieses Heimkommen aussehen und gelingen kann, damit haben sich die Raumplanerin Isabel Stumfol und der Architekturschaffende Stefan Spindler vom Verein Landluft beschäftigt. Sie haben Familien besucht, denen eine Rückkehr und ein gutes Zusammenleben auf dem Land geglückt ist. Für ihr Projekt wollten die beiden dezidiert keine Menschen treffen, die sich für ihren Umzug ein Einfamilienhaus auf dem Land gebaut oder gekauft haben, sondern auf Familien, die "auf Andockstationen zurückgegriffen haben, also auf das, was sie schon hatten", sagt Spindler.

Eine Familie, der es gelungen ist, wohnt in Krottendorf bei Weiz in der Steiermark. Die jungen Eltern sind mit ihren Kindern aus Wien zurück aufs Land gezogen, in das Haus der Eltern. "Viele können sich ein Leben auf dem Land vorstellen, doch es braucht mehr als das – das Drumherum muss passen", sagt Spindler, etwa das Gebäude, in das man einziehen will, oder "die Beziehung zwischen denen, die da sind, und denen, die kommen."

Gute Architektur

Eine der wesentlichsten Erkenntnisse aus dem Projekt ist, dass es trotz der Nähe im Mehr-Generationen-Haus auch Distanz braucht, sagt Stumfol. In Krottendorf ist das Miteinander geglückt. Die Familie hat sich viele Gedanken gemacht über das Zusammenleben. Als die Jungen kamen, wurden die zwei im Haus befindlichen Wohnungen getauscht und das gesamte Gebäude adaptiert. Nun gibt es zwei getrennte Eingänge, im verbindenden Stiegenhaus allerdings auch einen Kommunikationsraum – "das schafft Privatheit und Offenheit", sagt Spindler, und Stumfol ergänzt: "Durch gute Planung und Architektur kommt das Familiendrama gar nicht erst zustande."

Doch auch gute Kommunikation ist wesentlich: "Die Familie ist wahnsinnig reflektiert, wenn es um Probleme oder Zusammenhalt geht", erzählen Stumfol und Spindler. So ist etwa klar geregelt, wann die Kinder die Oma besuchen dürfen, und auch, wann sie zu Besuch kommen kann. Stumfol: "Hier stehen alle in einem guten Dialog und respektieren die gegenseitige Privatsphäre."

Zurück zu den Eltern

Die Frage, wo die Familie ihr Leben verbringen soll, hat auch Spindler selbst vor einigen Jahren beschäftigt. "Als wir unser erstes Kind erwartet haben, standen wir vor der Frage: 'Wo gehen wir hin?'", erzählt er. Ein Haus zu bauen oder zu kaufen, sei finanziell keine Option gewesen. Also entschieden er und seine Frau sich im Jahr 2012, wieder in das Bauernhaus in der südoststeirischen Gemeinde Ilztal zu ziehen, das ihre Familie bereits seit vielen Generationen bewohnt.

Dass Familienmitglieder ein- und ausziehen, ist in dem Gebäude quasi Tradition, erzählt Spindler: "Die letzten 70 Jahre sind gut dokumentiert, 29 verschiedene Personen haben in dieser Zeit darin gewohnt." Etwa nach einer Trennung, oder wenn jemand Nachwuchs bekommen hat und mehr Platz brauchte – das Haus sei immer offen gewesen für sämtliche Familienmitglieder, so Spindler weiter. Dafür wurde das Gebäude immer wieder umgebaut, erweitert und an die Bedürfnisse angepasst. "Jetzt haben wir die Gelegenheit, unsere eigene Geschichte in das Haus zu bringen", sagt er.

Heute leben vier Generationen in dem Haus zusammen. "Dieses Miteinander leben geht nur, wenn Klarheit herrscht darüber, wer wo seinen Bereich und Rückzugsraum hat, und wer wann draußen bleiben muss, welche Freiheiten jede und jeder hat und wo Räume gemeinsam genutzt werden", so Spindler. Es brauche Regeln und ein bestimmtes Mindset, damit das funktioniert. Man müsse es schaffen, Veränderungen zuzulassen, zurückzutreten, die Bedürfnisse der andern zu respektieren und "die eigene Idee vom Wohnen nicht über andere 'drüberzustülpen'". Gute Beziehungsarbeit ist wichtig, und dass Standpunkte immer wieder ausgetauscht werden.

Gekränkte Einheimische

Und wie gelingt ein gutes Miteinander außerhalb der eigenen vier Wände? Wer zurückkommt an den Ort seiner Kindheit, hat den Vorteil, dass es bereits Anknüpfungspunkte gibt. Obwohl diese nach einer sehr langen Zeit auch verloren gehen können. "Es kann auch schwierig werden, denn oft fühlen sich jene, die geblieben sind, gekränkt – etwa, weil man in die Stadt gezogen ist, andere Ansichten zu Politik oder Gesellschaft hat, die Treffen einfach weniger geworden sind oder – auch das gibt es in Einzelfällen – weil man zum Beispiel einen Deutschen geheiratet hat", nennt Spindler einige Beispiele.

Dann gilt es, dennoch Anschluss zu finden. Viele Zuzügler wollen ihre urbanen Vorstellungen auf dem Land neu aufbauen und leben. Dabei ist es wichtig, sich auf neue Netzwerke einzulassen und mit den Menschen auf Augenhöhe in Kontakt zu treten. "Und vor allem muss man für andere Ansichten offen sein. In der Stadt lebt man in einer 'Bubble' mit Gleichgesinnten, diese sind auf dem Land oft schwer zu finden, man steht schnell alleine da", so Spindler. Natürlich müsse man sich selbst dafür nicht verstellen, aber man sollte mit den anderen klarkommen – "am Ende kann diese Offenheit auch für einen selbst einen Mehrwert haben. Denn im ländlichen Bereich kann man mit neuen Vorstellungen viel mehr verändern – die Selbstwirksamkeit in der Gesellschaft ist hier viel größer."

Falsche Vorstellungen

Auch die Familie aus Krottendorf hat die Sache selbst in die Hand genommen und in der neuen, alten Heimat eine Bildungsinitiative gegründet sowie eine Bürogemeinschaft aufgebaut – "so ist ihr Netzwerk aus Wien quasi in kleinem Maßstab auch auf dem Land entstanden", sagt Spindler, der weiß, dass das Landleben oft romantisiert wird und es viele Vorstellungen von glücklichen Menschen gibt, wo jeder einen eigenen Gemüsegarten besitzt. "In Wahrheit aber kocht auch auf dem Land jeder seinen eigenen Brei. Wer Gemeinschaft will, muss daran arbeiten." Er selbst hat es auch getan und nach seinem Umzug nach Ilztal einen Fußballverein gegründet, um sich so ein soziales Netzwerk aufzubauen.

Insofern profitiert auch die Gemeinde von der Rückkehr der alten Mitbürgerinnen und Mitbürger. Dass das Weggehen neue Perspektiven mit sich bringt, die beim Zurückkommen von Vorteil sein können, ist man beim Verein Landluft seit jeher überzeugt: Gemeinden sollten das Potenzial dieser so genannten "Ausheimischen" nutzen und aktiv auf sie zugehen. "Diese Menschen haben andere Orte oder die ganze Welt gesehen, Neues ausprobiert und bringen nun ihre Erfahrungen, ihre wirtschaftlichen Unternehmungen und ihr Netzwerk mit nachhause", sagt Stumfol. Die Zuzügler können das Landleben bereichern, das Gemeinschaftsleben erlebt einen Aufschwung. Und so profitiert das Landleben auch vom Stadtleben. (Bernadette Redl, 26.2.2021)