Akt 1: Die Kiste

Zum Valentinstag 2021 wird die Gastronomie geschlossen haben. Einige Wiener Restaurants, wie zum Beispiel "Das Stuwer" im zweiten Bezirk, bauen daher auf Boxen, in denen teils vorgegarte Gerichte luftdicht verpackt liegen, die später lediglich im Wasserbad aufgewärmt werden. Essen aus dem Haubenlokal für daheim. Klingt einfach – aber ist es das auch? Ich, ein völliger Koch-Laie, soll den Test machen.

Der üppige Inhalt der Valentinstagsbox.
Foto: Stuwer

Es raschelt verdächtig in dem großen Karton. Viele Einzelteile, so viel ist klar. Das Konzept sogenannter Sous-vide-Sackerln soll dabei helfen, den Abend so unkompliziert wie möglich zu halten. Das Versprechen: wenig Arbeit, wenig Geschirr, viel Zweisamkeit. Damit ich mit meinen dilettantischen Kochkünsten nicht allein bleibe, hat sich Kollegin Laura Schmidt bereiterklärt, mich bei einem rein platonischen Valentinsdate zu unterstützen. Das folgende Stück spielt sich also in ihrer Küche ab. Es ist 21.30 Uhr.

So soll das Festmahl am Ende aussehen. Anmerkung: Dieses Bild haben wir erst nach dem Selbstversuch gesehen.
Foto: Stuwer

Akt 2: Der Auftakt

Zu italienischen Schlagern wird das Geheimnis um den Inhalt der Box gelüftet. Unsere Augen werden groß. Das sollen wir alles verkochen? Die folgenden 15 Minuten verbringen wir damit, die nummerierten Einzelteile des Menüs zu sortieren. Eine Inhaltsliste hilft, den Überblick zu behalten: Nummer 1 bis 14 ist der Auftakt, Nummer 21 bis 23 die Suppe und so weiter. Alles ist individuell verpackt, manches luftdicht, manches in Gläsern, anderes in Pappbechern. Insgesamt 32 Zutaten befinden sich darin plus zwei kleine Flaschen Likör, eine große Flasche Bio-Saft, eine kleine Flasche Grüner Veltliner. "Moment, eine kleine Flasche für zwei?", frage ich. Aber Laura hat zur Sicherheit eine gekauft.

Tatar Lachsforelle / Rote Rübe / Dillrahm / Kren / Rosmarin-Focaccia
Foto: Pollerhof/Schmidt

Das nächste Erweckungserlebnis kommt mit der Kochanleitung. Zwei Seiten lang ist sie, das schaut nach viel Arbeit aus. Aber wir sind topmotiviert, zum Auftakt gibt es: Tatar Lachsforelle / Rote Rübe / Dillrahm / Kren / Rosmarin-Focaccia.

Die Focaccia muss noch gebacken werden. Dazu sagt die Anleitung: Teig durchkneten und ausrollen. Ohne Nudelholz tut es die Weinflasche auch. Auf Wunsch kann die Focaccia wie ein Herz geformt werden. "Sieht eher aus wie ein Arsch", sagt Laura nach dem ersten Versuch – und wir rollen die Focaccia schließlich rechteckig aus. Die kleine Arbeitsfläche sieht aus wie Sau, Sackerln, Gläschen und großzügige Spuren von Mehl geben einen Vorgeschmack auf den weiteren Abend.

Foto: Pollerhof/Schmidt

Währenddessen richten wir das bereits fertige Lachstatar an. Wenig später ist der Auftakt samt frischer Focaccia auf dem Teller, darf bestaunt und schließlich auch verzehrt werden. In weiser Voraussicht hat Laura ihren Küchentisch bereits mit einer italienisch-anmutenden Tischdecke versehen, darauf stehen Kerzen und die in der Box enthaltende Rose – mehr gibt es an Deko nicht. Wir nicken zufrieden nach den ersten Bissen, der Tatar-Geschmack ist hervorragend, die Focaccia schön knusprig, ein rundum gelungener erster Gang.

Akt 3: Die Suppe und das Zwischendurch

Maiscreme / Chili-Popcorn / Schnittlauchöl
Foto: Pollerhof/Schmidt
Foto: Pollerhof/Schmidt

Die nächsten Speisefolgen sind simpler. Suppe und das "Zwischendurch"-Risotto müssen nur erhitzt werden. Besonders das Popcorn in der Suppe sorgt für einen angenehm scharfen Kick.

Risotto / Petersilie / Bergkäse / Pinienkerne
Foto: Pollerhof/Schmidt

Das Risotto ist cremig, duftet wunderbar und sticht dank der Petersilie grün ins Auge.

Foto: Pollerhof/Schmidt

Auch hier stimmt der Geschmack, an Butter und Käse wurde nicht gespart, zusammen mit dem Bergkäse und den Pinienkernen ein toller Gang – von dem man aber nur zwei Bissen nehmen kann. Das Risotto ist mächtig und füllt nach wenigen Minuten nicht nur den Magen, sondern macht auch müde. Wir versichern uns tapfer, dass das Risotto dennoch "super gut" war, den Namen "Zwischendurch" allerdings nicht verdient hat, und schauen ein bisschen ängstlich auf die weiteren Zutaten.

Die Rhythmen der italienischen Schlager werden langsamer, die Augen kleiner. Mittlerweile sind wir seit rund zweieinhalb Stunden in der Küche, in der Spüle stapelt sich das Geschirr. "Na los, Hauptgang", sagt Laura, und ich wache aus einem kurzen Koma auf. "Ja, Hauptgang!"

Akt 4: Der Hauptgang

Geschmortes Spitzkraut / Mediterranes Gemüse / Schupfnudeln / Chimichurri UND Zweierlei Ente, geschmort & gebraten / Schwarzwurzel-Erbsenragout / Vanillekarotten / Schupfnudeln
Foto: Pollerhof/Schmidt

Es gibt eine vegetarische (Geschmortes Spitzkraut / Mediterranes Gemüse / Schupfnudeln / Chimichurri) und eine fleischhaltige Variante (Ente, geschmorrt und gebraten / Schwarzwurzel-Erbsenragout / Vanillekarotten / Schupfnudeln). Wir müssen jetzt die Anleitung mehrmals laut lesen: Spitzkraut und Gemüse auf das Backblech, marinieren und dann ab in den Ofen. "30 bis 40 Minuten", sage ich. "WIE BITTE?", sagt Laura. Es ist mittlerweile 23.30 Uhr. Während das Gemüse im Ofen brutzelt, muss die Ente von beiden Seiten kurz und scharf angebraten werden. Die Sackerln mit den verschiedenen Gemüsesorten und den Schupfnudeln kommen ins Wasserbad.

Foto: Pollerhof/Schmidt

Die Anleitung empfiehlt, alles zu einer Art Tischbuffet zusammenzustellen, doch uns fehlt, erstens, das passende und ausreichende Geschirr und, zweitens, die Motivation.

Diese Phase dürfte am 14. Februar in vielen Haushalten über den Ausgang des Abends bestimmen. Der Hauptgang ist aufwendig, das Streitpotenzial hoch. Auch wir merken die Müdigkeit, das Risotto, das die Bewegungen lähmt und die Synapsen. Der Rest vom Wein hilft wenig. Wir streiten uns nicht – weil wir kein Paar sind.

Irgendwann nach Mitternacht stehen beide Hauptgänge auf dem Tisch. Das Gemüse ist etwas kalt, aber das ist unserem schlechten Zeitmanagement zuzuschreiben. Wir nehmen jeweils einen Bissen von allem und nicken uns zu, auch die Hauptgänge sind ein Traum, wenn auch ein müder. Genießen können wir das nicht mehr so, es ist 0.30 Uhr und unsere Mägen flehen uns an, das Dessert wegzulassen. Nix da. Adriano Celentano singt weiter.

Foto: Pollerhof/Schmidt
Foto: Pollerhof/Schmidt

Akt 5: Das Dessert und der Abwasch

Viel zu tun ist jetzt nicht mehr. Die Tonkabohnencreme stürzen wir auf einen Teller, die Himbeersauce drüber sowie das Spekulatiuscrumble. Wir schauen uns das fertige Dessert an und sind uns einig, dass wir es besser hätten in Szene setzen können. Die zwei kleinen Löffel, die wir davon nehmen, machen aber jegliche Zweifel wieder wett. Die beiden Likörfläschchen bleiben in der Kiste. Irgendwann ist auch Schluss.

Tonkabohnencreme / Himbeeren / Spekulatiuscrumble
Foto: pollerhof/schmidt

Es ist 1 Uhr. Alles ist verkocht, ein Teil verzehrt. "Ich helfe dir jetzt noch beim Abspülen", schlage ich vor. "Das mache ich morgen!" Laura will nur noch ins Bett. Verständlich. Das Versprechen von wenig Arbeit hält leider nicht.

Die Box ist super, aber eher für Paare, die sich vorgenommen haben, mal wieder ausgiebig zu kochen. Falls alle Stricke reißen, gibt es eine Notfallnummer (allerdings nur bis 20 Uhr). Daher sollte man nicht zu spät anfangen und die Anleitung vorher durchlesen – für ein gutes Zeitmanagement.

Das Ende eines langen Abends.
Foto: Pollerhof/Schmidt

Der Preis von 159 Euro ist so üppig wie das Risotto, dafür bekommt man, wie gesagt, viel Essen, aber kaum Wein. Paare, die nach dem Essen noch etwas im Schlafzimmer vorhaben, bestellen sich am besten einfach Sushi. Nach so einer Kiste kommt keiner mehr in die Gänge. (Thorben Pollerhof, Laura Schmidt, 8.2.2021)