Servus-TV-Chef Ferdinand Wegscheider tritt wöchentlich als "Der Wegscheider" auf.

Foto: Screenshot/Servus TV

Wien/Fuschl am See – Die Rechercheplattform "Dossier" sieht von einer Klage gegen Ferdinand Wegscheider, den Intendanten von Servus TV, ab: "Wir haben uns entschlossen, gegen seine falschen Behauptungen nicht juristisch vorzugehen. Das passt nicht zu uns. Das Geld unserer Leserinnen und Leser wollen wir in Journalismus investieren, nicht in Klagen. Wir glauben an unser Verständnis vom Journalismus und nicht an jenes von Wegscheider."

Besuch beim Firmengelände

Was war passiert? Wie berichtet, widmet sich "Dossier" im neuen Heft dem Imperium von Red Bull und Dietrich Mateschitz, dem auch Servus TV gehört. Im Zuge der Recherchen beim Vorarlberger Getränkekonzern Rauch, der einen Großteil der weltweit verkauften Red-Bull-Dosen abfüllt, verschlug es "Dossier"-Journalist Peter Sim Ende November 2020 zum Rauch-Firmengelände nach Vorarlberg, wie er am Donnerstag auf dossier.at schilderte. Der Grund: Er traf sich mit Vertretern der Bürgerinitiative Ludesch, die gegen eine Erweiterung des Firmengeländes mobilisiert.

Im Wochenkommentar thematisiert

Servus-TV-Intendant Ferdinand Wegscheider thematisierte das am 16. Jänner 2021 in seinem wöchentlichen Kommentar "Der Wegscheider", der unter Satire läuft, mit den Worten: Ein Mitarbeiter der "sogenannten" Rechercheplattform "Dossier" sei auf frischer Tat ertappt worden, als er "mit Kamera bewaffnet, nächtens, illegal in das Firmengelände eines Getränkeabfüllers in Vorarlberg eindringen wollte". Wegscheider berichtet von Recherchen "gegen Red Bull". Und: "Dossier" hätte zu ehemaligen Mitarbeitern gesagt, "Positives über Red Bull interessiert uns nicht".

Dubioser Anruf

Tatsächlich habe es sich um einen Rundgang um das Werk des Dosenherstellers Ball Beverages gehandelt, der neben Rauch angesiedelt ist und die Red-Bull-Dosen herstelle, so Sim. Der Rundgang ende beim Parkplatz des Rauch-Werks: "Ich sehe keine 'Zutritt verboten'-Schilder, keinen Schranken oder Ähnliches – doch offenbar ist die Straße, die zum Parkplatz des Werks führt, bereits Privatgrund." Ein Security-Mitarbeiter habe ihn angesprochen und seine Telefonnummer für Rückfragen erhalten. Ein paar Tage später habe er, so Sim, einen Anruf mit unterdrückter Nummer erhalten. "Sie werden doch nicht wollen, dass jemand bei Ihnen um die Wohnung schleicht und Fotos macht", soll der Anrufer gesagt haben.

Rufschädigung

Wegscheider habe aus dem Besuch beim Werk den "Tag zur Nacht, ein Handy zur Kamera und einer 'Waffe' und aus einer Vor-Ort-Recherche illegales Eindringen" gemacht. Ohne vorher "Dossier" zu kontaktieren. Die Folge waren empörte Mails und Interviewpartner, die Zitate zurückgezogen hätten, schreibt Sim: "Nüchtern gesagt: Wegscheiders falsche Behauptungen schädigen unseren Ruf und kosten uns Zeit und Geld."

"Richtigstellung"

"Dossier" habe daraufhin Wegscheider aufgefordert, seinen Kommentar vom Netz zu nehmen. Der Servus-TV-Chef habe eine Richtigstellung angekündigt, die dann eine Woche nach dem Erstkommentar so ausfiel: "Nach Überprüfung von Foto- und Videoaufnahmen stelle ich deshalb gerne richtig: Der Vorfall hat sich nicht nächtens, sondern am späten Nachmittag ereignet. Und der mit einer dunklen Kapuzenjacke bekleidete 'Dossier'-Mitarbeiter wollte nicht in das Firmengelände der Firma Rauch eindringen, sondern der Wachdienst wurde auf ihn aufmerksam, weil er sich bereits unbefugt auf dem Firmengelände befunden und dort fotografiert hat."

Woher Wegscheider die Foto- und Videoaufnahme habe, sei beispielsweise unklar, so Sim: "Satire darf viel, gegen Klagen immunisiert sich Wegscheider so weitgehend." Die Recherchen zu Red Bull erscheinen Ende kommender Woche im Magazin "Red Bull – Ungesüßte Geschichten".

Update am 5.2.2021 um 9.30 Uhr: Reaktion von Wegscheider

Auf STANDARD-Anfrage, ob er Stellung nehmen möchte, schreibt Ferdinand Wegscheider, dass in der Sache bereits alles gesagt sei: "Das Manöver ist leicht zu durchschauen: nachdem man bei 'Dossier' offenbar festgestellt hat, dass meine Aussagen richtig waren und es keinen Grund für eine Klage gibt, versucht man jetzt eine Nicht-Geschichte aufzublasen und behauptet, 'man sehe von einer Klage gegen mich ab'. Und bei manchen Medien ist dieses Kalkül ja aufgegangen." (red, 4.2.2021)