Der Start-up-Turbo wurde in Österreich noch immer nicht wirklich gezündet.

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Start-ups brauchen Kapital, um zu wachsen. Und da sie dieses meist nicht auf herkömmlichem Weg bekommen, sind sie auf spezialisierte Geldgeber – bekannt als Venture Capital Funds (VCs) – angewiesen, die das Start-up mit Finanzmitteln versorgen und im Gegenzug Anteile am Unternehmen erhalten.

Die gute Nachricht ist, dass die Anzahl dieser Fonds in Europa zuletzt gestiegen ist – die schlechte ist, dass Österreich hinterherhinkt. Das ist die Kernaussage des European Capital Report 2021, der vom Investor i5invest gemeinsam mit dem Gründungszentrum der Wirtschaftsuniversität Wien erstellt und dem STANDARD vor der Veröffentlichung zur Verfügung gestellt wurde.

Die Dach-Region gibt Gas – Österreich hinkt hinterher

Demnach ist die Gesamtzahl der europäischen institutionellen Investoren in den vergangenen 24 Monaten auf 676 gestiegen. Weiterhin mit Vorsprung führt Großbritannien das Ranking der Länder mit den meisten Investoren in Europa an (306), gefolgt von Deutschland (181), Frankreich (119) und Luxemburg (66).

Das schnellste Wachstum gibt es im deutschsprachigen Raum (Dach-Region), wo es in den vergangenen 24 Monaten zu 18 Fondsneugründungen kam – das entspricht einem Viertel der Fondsneugründungen in Europa. "Österreich trägt zum Wachstum der Dach-Region mit zwei Neugründungen allerdings kaum etwas bei und schafft es weiterhin nicht, sich zum relevanten Standort für Risikokapitalgeber zu etablieren", sagt dazu jedoch Herwig Springer, Geschäftsführer von i5invest.

Die Schwerpunkte der Investoren im Dach-Raum.
Foto: i5invest/WU Wien

Mit insgesamt 18 hierzulande beheimateten Fonds ist Österreich auch gemessen am BIP im Dach-Raum stark unterrepräsentiert. Und auch der Vergleich mit der in puncto Bevölkerungszahl vergleichbaren Schweiz zeigt kein gutes Bild: Dort sind rund dreimal so viele Start-up-Investoren beheimatet wie in Österreich.

Die größten Investoren in Österreich

Die Studie bietet auch ein Ranking der größten österreichischen Venture-Capital-Investoren 2021 auf Basis der gemanagten Fondsvolumina: Demnach führt Speedinvest vor dem AWS Gründerfonds, Uniqa Ventures, 3VC und Apex Ventures. Auch im Ranking der aktivsten Investoren auf Basis der Anzahl an getätigten Investments 2020 ist Speedinvest klar an der Spitze und kann Österreich somit auch im Europaranking mit einer prominenteren Platzierung vertreten: Mit 86 Investments landet Speedinvest hier auf dem fünften Platz. Im Dach-Raum rangiert Speedinvest gar auf Platz zwei.

Im Dach-Raum ergattert Speedinvest den zweiten Platz.
Foto: i5invest/WU Wien

Auffallend hohe Investmentaktivität zeigen in Österreich außerdem etwa der AWS Gründerfonds und Peak Pride mit je 20 Investments im Vorjahr – sowie Apex Ventures mit 13 und Uniqa Ventures mit zehn Transaktionen.

Die Neulinge in der Investmentlandschaft

Bei den zuvor erwähnten Neulingen in der österreichischen InvestmentlLandschaft handelt es sich erstens um den von Lucanus Polagnioli und Michael Ströck gegründeten Fonds namens Calm/Storm, der sich vor allem auf frühphasige Investments im Bereich Health & Wellbeing konzentriert, sowie zweitens um Smart Works: ein Investmentarm der Wien Energie mit Fokus auf Frühphasen-Investments im Bereich Energie und Smart City.

Die Neugründungen im Dach-Raum.
Foto: i5invest/WU Wien

Als weitere Fonds-Neugründungen in der Dach-Region werden 468 Capital, a/o Proptech, Future Energy Ventures, Game Seer Venture Partners, Heal Capital, Mobility Fund, Schumpeter Ventures, Signature Ventures, Smart Infrastructure Ventures, VR Ventures, Vsquared Ventures und NGC Nachfolgekapital (alle in Deutschland), Swiss Immo Lab, Tomahawk VC und Sparrow Ventures in der Schweiz und Seed X in Liechtenstein genannt.

Geld für den Start – aber was kommt dann?

Laut Simona Hübl, Director bei i5invest, fällt im Dach-Raum besonders der starke Fokus auf frühphasige Investments auf – im Gegensatz etwa zu Großbritannien, wo mehr Kapital für das Wachstum von reiferen Unternehmen zur Verfügung steht.

Gründer heimischer Scale-ups (also ehemaliger Start-ups, die in die Wachstumsphase kommen) müssten sich für Folgefinanzierungen daher häufig schnell im europäischen Ausland umsehen oder die Fühler über den Atlantik ausstrecken, kritisieren die Autoren der Studie.

Engel für den Anfang

Diese Ansicht teilen auch andere Vertreter der heimischen Gründercommunity. Etwa Nikolaus Futter, der zuvor Geschäftsführer der Compass-Gruppe war, nun hauptberuflich in Start-ups investiert und in dieser Rolle 2020 als "Business Angel des Jahres" ausgezeichnet wurde: Vor allem vermögende Einzelpersonen – eben die "Business Angels" – investieren hauptsächlich in der frühen Phase und stellen hier ergänzend zum Kapital auch Know-how und wichtige Kontakte bereit. Bei späteren Finanzierungsrunden sind sie dann selten mit an Bord.

Doch auch die größeren österreichischen Fonds sind eher bei kleineren Runden am Anfang der Unternehmensgeschichte mit an Bord, bestätigt Futter dem STANDARD – und relativiert zugleich: "Ich sehe das nicht als allzu schlimm an, weil diese Runden ja vor allem auch der Internationalisierung dienen und internationale VCs da einfach mehr Unterstützung leisten können."

Die Szene will mehr Bewegung

Bleibt aber noch immer das Problem, dass in Österreich nach wie vor ein Mangel an institutionellen Investoren herrscht – und die Szene somit nicht mit der internationalen Konkurrenz mithalten kann. "Der Mangel an großen VC-Investitionen in Österreich ist historisch und kulturell bedingt. Wir sehen im angloamerikanischen Raum stärkere Ambitionen, ins Risiko zu gehen, Unsicherheiten und Chancen zu suchen und auch ein Scheitern in Kauf zu nehmen", nennt hier Peter Lasinger, Partner beim Investor 3VC, gegenüber dem STANDARD als eine der Ursachen. Bei 3VC stammen zwei der 14 Beteiligungen aus Österreich, unter anderem Storyblok (DER STANDARD berichtete).

Weitere Gründe nennt Berthold Baurek-Karlic, Managing Partner beim Investor Venionaire Capital: Österreich sei per se ein Land der Hidden Champions, die einen Großteil ihrer Umsätze im Ausland erwirtschaften. Hier liegt Potenzial brach, die Start-ups könnten mit den globalen Marktführern aus dem eigenen Land stärker kooperieren. Auf der Finanzierungsseite bemängelt er zudem gegenüber dem STANDARD, dass insbesondere Pensionskassen und Versicherungen zurückhaltend bei der Kooperation mit Venture Funds sind.

Und Hübl meldet sich schließlich noch mit einem Appell an die Politik zu Wort. "Um das österreichische Risikokapitalökosystem nachhaltig zu stärken, muss die Politik Investitionsanreize für private und institutionelle Investoren schaffen und Investments in Fonds incentivieren", sagt sie: "Wenn sich hier nicht schnell etwas bewegt, wird Österreich kaum mehr Anschluss an Europa finden." Neugründungen mit viel Potenzial würden natürlich auch Risikokapitalgeber in die Region ziehen, die Politik müsse sich hier dem IT-Fachkräftemangel und dem Abbau der "Gründungsbürokratie" widmen. "Österreich muss so gründerfreundlich werden, wie es lebenswert ist", sagt Hübl abschließend: "Da haben wir noch ein gutes Stück Arbeit vor uns." (Stefan Mey, 4.2.2021)