Manchmal wird es im Gericht eng, Corona-Maßnahmen gelten aber trotzdem.

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In Österreich herrschte während des dritten Lockdowns Einsamkeit. Treffen waren weitgehend untersagt, Geschäfte zu. Einer der wenigen Orte, an denen man unter Leute kam, waren Gerichtssäle. Und da waren es zum Teil so viele Leute, dass manche sich nicht mehr wohlfühlten.

So berichten mehrere Personen aus dem gerichtsnahen Umfeld, dass in Österreichs Verhandlungssälen oft kein Babyelefant, auch keine zwei, Platz hatten, dass hin und wieder eine Maske nicht richtig saß und dass man in Sorge war, wenn man an einer Verhandlung teilnehmen musste.

Etwa ein Richter aus Niederösterreich, der anonym bleiben möchte. "Man verhandelt halt, und hofft, dass nichts passiert", sagt er. Gerade bei größeren Prozessen kommen rasch 20, 30 Leute zusammen, die im Saal sind. "Ich mache solche Verhandlungen mittlerweile ungern, das passt nicht zusammen", sagt er.

Kaum Tests, aber auch kaum Cluster

Regelmäßige Tests, wie es sie für bestimmte Berufsgruppen gibt, sind für Richterinnen und Richter oder andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gerichten nicht vorgesehen. Einzig bei Großverhandlungen gibt es Testzugang: "Nach Maßgabe der Verfügbarkeit" wird dann ein Antigentest für die Beteiligten ermöglicht – ist der negativ, darf man statt FFP2-Maske eine normale Maske tragen", heißt es dazu aus dem Justizministerium.

Ansonsten kommen laut Justizministerium Antigentests dann zum Einsatz, wenn an einer Dienststelle ein Cluster auftritt. Bislang wurden nur einzelne bekannt, Corona-Fälle legten nirgendwo den Gerichtsbetrieb lahm.

Landesgerichtspräsident fordert Massentests

Friedrich Forsthuber, Strafrichter und Präsident des Landesgerichts für Strafsachen Wien, fordert Massentests für die Gerichte – auch wenn er, wie er sagt, das Gefühl habe, die geltenden Maßnahmen würden "gut angenommen" werden. Der Schwurgerichtssaal im Landesgericht für Strafsachen sei der größte Österreichs, "da geht sich das schon aus", sagt Forsthuber. "Aber ich gestehe zu, dass man an Grenzen stößt."

Nur: Verhandlungen aussetzen, das gehe halt auch nicht. Im März noch wurden sie massiv runtergeschraubt, nun finden wieder alle Prozesse statt. "Gerade Geschworenenverfahren sind oft Haftverfahren", sagt Forsthuber, die könne man nicht einfach vertagen. Gerichte und Staatsanwaltschaften sind übrigens von der Corona-Verordnung des Gesundheitsministers ausgenommen. Die Justiz stellte gesonderte Regeln auf, sie beinhalten ebenfalls FFP2-Masken-Pflicht und zwei Meter Mindestabstand.

Tauben und Plexiglas

Auch in Graz dürfte die ein oder andere Verhandlung recht voll sein. Wie eine Person, die anonym bleiben möchte, dem STANDARD erzählt, würden im Landesgericht für Strafsachen bei manchen Verhandlungen auf 40 Quadratmeter um die 25 Personen kommen. Dass manchen Anwälten die Maske auch unter die Nase rutscht, störe niemanden. Gelüftet werde dafür exzessiv. So sehr, dass der Schwurgerichtssaal nun auch von Tauben besucht wird.

Von der Sprecherin des Strafgerichts heißt es dazu, man habe in acht Verhandlungssälen bei jedem Parteientisch und am Richtertisch ein bis zwei Plexiglasscheiben montiert, außerdem sei die Bestuhlung angepasst worden. Alle dreißig Minuten werde für fünf Minuten gelüftet. Das sage man den Beteiligten auch vorab, "um die Kleiderwahl den damit gezwungenermaßen teils niedrigen Temperaturen im Saal anpassen zu können". Und ja, manchmal habe man deswegen eben auch Tauben auf der Galerie.

Doch alle Personen würden bei Verhandlungen stets FFP2-Masken tragen, heißt es von der Sprecherin. Einzig, wenn es beim Verhör notwendig ist, kann ein Richter oder eine Richterin erlauben, dass die Maske kurzfristig abgenommen wird.

Strittige Stellung von Richtern im Impfplan

Auch die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, meint: "In der Realität sind zwei Meter Abstand kaum umsetzbar", das sei "faktisch schwierig". Doch viel mehr beschäftigt die Richtervereinigung die Frage, wann Richterinnen und Richter geimpft werden. Sogenannte Schlüsselkräfte der Gerichtsbarkeit kommen erst in Phase drei des Impfplans vor – jener Phase, die zwar für die breite Bevölkerung vorgesehen ist, aber in der dennoch Prioritäten gesetzt werden. Nur: An dem Punkt, an dem die Schlüsselkräfte erwähnt werden, sind in Klammern zwar etwa der Oberste Gerichtshof und der Verwaltungs- sowie der Verfassungsgerichtshof genannt, nicht aber die Landes- und Bezirksrichte und die Staatsanwaltschaften – also ausgerechnet jene, die am meisten Kontakt zu Leuten haben.

Juristen wären keine Juristen, wenn sie sich nicht an dieser Klammer stören würden. So sehr, dass diese Woche ein Schreiben von der Richtervereinigung die Runde machte, in dem von einem "Affront" die Rede war und davon, dass man "mit Nachdruck" der Justiz kommuniziert habe, dass eine "angemessenen Berücksichtigung" im Impfplan "mehr als berechtigt" sei. Es sei aber vom Justizministerium bereits zugesichert worden, dass es sich um einen Fehler handle und eine Korrektur komme.

Das wird wohl gar nicht nötig sein. Auf Nachfrage betont man im Gesundheitsministerium, dass die Aufzählung in der Klammer freilich nur ein beispielhafter Auszug sei. Natürlich seien an diesem Punkt alle Schlüsselkräfte der Gerichtsbarkeit gemeint – egal, von welchem Gericht. (Gabriele Scherndl, 7.2.2021)