Laut der Caritas wohnt nur ein Teil der Geflüchteten auf dem Balkan in festen Unterkünften.

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Graz/Sarajevo – Die Caritas will auf dem Balkan gezielte Schritte zur örtlichen Integration setzen und dabei auch die österreichische Bundesregierung in die Pflicht nehmen. Das ist eines der Ergebnisse einer am Donnerstag abgeschlossenen, viertägigen Evaluierungsmission der katholischen Hilfsorganisation in Bosnien-Herzegowina. Die Caritas will zunächst mithilfe von Spenden Rechts- und Sozialhilfe vor Ort anbieten.

Die vierköpfige Caritas-Delegation unter Leitung ihres Auslandshilfe-Generalsekretärs Andreas Knapp besuchte in dieser Woche Betroffene und Behörden rund um die nordbosnische Stadt Bihać. Die vorgefundene Situation beurteilt Knapp als "dramatisch": Viele Geflüchtete wüssten seit Monaten, oft sogar seit Jahren nicht, wie es weitergehe. Die Menschen versuchten daher immer wieder unter lebensgefährlichen Umständen, über die kroatische Grenze in die EU zu gelangen.

Österreichische Regierung verpflichten

Birgit Ertl, Europakoordinatorin der Caritas, berichtete der APA, dass nur ein Teil der Geflüchteten in festen Unterkünften wohne, der Rest im Lager oder überhaupt "wild" campierend im Wald. Problematisch sei die Situation aber auch für die ortsansässige Bevölkerung, die dennoch sehr freundlich und hilfsbereit sei. Neben der unmittelbaren humanitären Hilfe – warme Kleidung, warme Mahlzeiten, Wäscheservice und medizinische Versorgung – sei es unabdingbar, allen Beteiligten eine Perspektive zu geben, so Ertl. Das gelte etwa auch für Kinder: Diese müssten dort in die Schule gehen können, wo sie sich gerade aufhalten.

Die Caritas selbst will in den kommenden Monaten als ersten Schritt Rechts- und Sozialberatung für die Geflüchteten vor Ort organisieren. Realisiert werden soll das Ganze mithilfe von Spenden. Ertl will aber auch die Bundesregierung in die Pflicht nehmen: "Die österreichische Regierung sollte das mitfinanzieren, schließlich ist es in ihrem Interesse." Österreich sei geübt darin, die Nachbarstaaten am Balkan zu unterstützen. Diese "gute Tradition" solle jetzt auch im Bereich Migration und Integration fortgeführt werden, so Ertl.

Bosnien braucht Perspektiven

Zusätzlich müssten mehr legale und vor allem unkomplizierte, unbürokratische Möglichkeiten jenseits des Asylverfahrens geschaffen werden, dass Geflüchtete in die EU einreisen und dort beispielsweise auch arbeiten könnten. "Viele Leute kommen mit guter Ausbildung", berichtet Ertl. "Sie könnten sowohl in Bosnien oder Serbien, wo viele Handwerker und Facharbeiter abgewandert sind, als auch in Österreich gut gebraucht werden."

Perspektiven brauche es schließlich auch für die bosnische Bevölkerung, meint Auslandshilfechef Knapp. Ein Fünftel der Menschen in Bosnien lebe selbst in bitterer Armut. Das Land sei mit der gegenwärtigen Situation massiv überfordert. Der soziale Friede könne nur gewährleistet werden, wenn man auch den Bürgern des Landes Perspektiven gebe. Auch hier sei ein "klares Zeichen der Solidarität und Menschlichkeit" notwendig.

Die Balkanländer dürften nicht weiter "als Anhaltezentrum der EU" ausgebeutet werden, heißt es vonseiten der Caritas. Europa müsse für die mitverursachte Situation Verantwortung in Form humanitärer Aufnahmeprogramme und eines europäischen Pakts zu Asyl und Migration übernehmen. (APA, 5.2.2021)