Alchemisten wie Wirecard-Mann Jan Marsalek beherrschen die Kunst, eitel Dreck in eitel Katzengold zu überführen.

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Wir alle leben in einer Blütezeit der Alchemie. Nie war sie so lebendig wie heute. Alchemie rules. So viel Alchemie wie im 21. Jahrhundert hat es selbst in Goethes Faust nicht gegeben.

Alchemie ist die Kunst, Stoffe magisch in- und untereinander zu verwandeln. Alchemisten verstehen es, aus Mist Milliarden oder aus Fastfood Schmerbäuche zu machen (Letzteres kostenpflichtig). Alchemisten wie Wirecard-Mann Jan Marsalek beherrschen die Kunst, eitel Dreck in eitel Katzengold zu überführen (falls Sie sich nicht mehr erinnern: Marsalek, das war der Typ mit dem Hipsterbart, der damals in Moskau rechts neben Sobotka saß).

Der burgenländische Ex-BankMartin Pucher verstand sich – Simsalabim! – darauf, aus der Luft gegriffene Aktivposten der Commerzialbank Mattersburg in Unbedenklichkeitsbescheinigungen seiner Aufsichtsorgane zu verwandeln.

Betreiber sozialer Netzwerke verwandeln Hass und Ressentiment mithilfe scharf gestellter Algorithmen in zig Milliarden und geben ihren edlen Datenspendern das Gefühl, sie nähmen an einer Wohltätigkeitsveranstaltung zur Förderung der zwischenmenschlichen Kommunikation teil ("Dumb Fucks" nennt Facebook-Boss Zuckerberg solche Leute, und der muss wissen, wovon er redet).

Fremdenfeindlichkeit wird zu Wählerstimmen

Die zauberhafte Alchemie der Hedgefonds war in den vergangenen Tagen in aller Munde. Gewiefte Hedgefondsalchemisten verwandeln substanzlose Wetten in surreale Profite, wobei bei der aktuellen Causa Gamestop unklar ist, ob es ausnahmsweise einmal gut vernetzten Kleinanlegern gelungen ist, Milliardenjongleure über den Tisch zu ziehen, oder ob es wieder einmal Business as usual war.

Das gängigste alchemistische Verfahren in der Politik gehört ebenfalls erwähnt: Es geht darum, Fremdenfeindlichkeit in Wählerstimmen umzumünzen. Die Alchemisten legieren nicht, sie legen ihre Klientel. Fauler Zauber, aber er funktioniert fast immer.

Bei Durchsicht meiner Kontoauszüge bin ich kürzlich auf ein paar Minimalposten (99 Cent oder ähnlich) gestoßen, die ich monatlich an irgendwelche Firmen überweise, von denen ich nicht einmal mehr weiß, wofür ich sie überhaupt bezahle. Schön blöd von mir, aber ein geschickter Schachzug jener Internet-Alchemisten, die damit rechnen, dass sich auch viele vergessene Minibeträge zu Maximalmillionen summieren. (Christoph Winder, 7.2.2021)