Android soll künftig weniger schnüffeln.

Foto: Proschofsky / STANDARD

"App Tracking Transparency": Drei Worte, mit denen Apple derzeit gleichermaßen für Freude unter iPhone-Nutzern wie erboste Reaktionen von Werbeanbietern sorgt. Ab dem kommenden iOS 14.5 müssen sämtliche Apps ihre Nutzer vorab um Erlaubnis fragen, wenn sie sie über mehrere Apps oder Webseiten hinweg nachverfolgen wollen. Das gefällt vor allem Facebook nicht, wo man derzeit gar an einer Kartellklage gegen Apple arbeitet – natürlich alles ganz im Interesse kleiner Unternehmen, deren Existenz durch diese Änderungen bedroht würde, wie man versichert.

Seitenwechsel

Beim zweiten großen Anbieter von Online-Werbung legt man hingegen einen anderen Blickpunkt an: Google ist davon überzeugt, dass kaum Nutzer dieser Abfrage zustimmen werden, also beugt man sich den neuen Spielregeln und verzichtet unter iOS künftig auf solche Formen des Trackings. Und auch in einer Grundsatzdiskussion über das Spannungsfeld zwischen Privatsphäre und der Finanzierung kostenloser Dienste und Apps sieht man im Gegensatz zu Facebook wenig Sinn.

All das wirft aber natürlich rasch eine Folgefrage auf: Wie wird Google beim eigenen Betriebssystem Android auf die Maßnahmen der Konkurrenz reagieren? Ein Artikel von Bloomberg liefert darauf eine nur bei oberflächlicher Betrachtung überraschende Antwort: Google will demnach dem Vorbild von Apple folgen und auch unter Android Tracking-Beschränkungen einführen.

Viele Fragen offen

Wie das im Detail aussehen soll, ist derzeit allerdings offenbar noch unklar, das werde intern gerade noch diskutiert. Allerdings erscheint es unwahrscheinlich, dass Google das Nutzer-Tracking komplett abdreht, ohne Werbeanbietern eine Alternative zu bieten. So arbeitet man rund um den Browser Chrome derzeit an einem Konzept namens "Privacy Sandbox": Dies soll es Werbeanbietern mithilfe von Maschinenlernen ermöglichen, angepasste Werbung anzuzeigen, ohne dass sie je Daten zu individuellen Nutzern bekommen.

Offiziell will sich Google zu den Plänen nicht äußern, ganz generell betont man aber, dass man immer auf der Suche nach Wegen sei, um die Privatsphäre der Nutzer zu stärken, ohne parallel dazu auf die Bedürfnisse von App-Entwicklern und Werbeanbietern zu vergessen.

Strategisch sinnvoll

Was das Unternehmen dabei nicht erwähnt: Die Privacy-Verschärfungen mögen auch Google kurzfristig Geld kosten, langfristig profitiert man aber davon. Immerhin hat das Unternehmen schon über seine eigenen Dienste sehr viele Daten über die Nutzer, womit der Wettbewerbsvorteil also bei jeder Verknappung des Datenzugriffs für Dritte noch größer wird. Hinter der neuen Liebe zur Privatsphäre stecken insofern auch handfeste monetäre Interessen. Das ist freilich bei Apple kaum anders. So heben etwa Kritiker hervor, dass Apple über interne Schnittstellen künftig einen genaueren Einblick in die Nutzeraktivitäten hat als irgendein anderer Anbieter – und dies auch für das eigene Werbenetzwerk verwendet.

Komplexe Lage

Abzuwarten gilt, wie die Werbebranche auf solche Änderungen reagieren würde. Schon rund um die "Privacy Sandbox" hat so mancher Mitbewerber das Wort Kartellklage in den Mund genommen. Deren Erfolgsaussichten sind allerdings mehr als zweifelhaft. Immerhin ist Google in einer strategisch sehr angenehmen Position: Kann man doch nicht nur zu Recht damit argumentieren, dass entsprechende Änderung im Interesse der Nutzer seien, da sie ihre Privatsphäre stärken – auch ist der Hinweis darauf, dass man einfach einer sich – und zwar durch Apple – verändernden Marktsituation folgt, schwer auszuräumen. (Andreas Proschofsky, 5.2.2021)