Soll es eine kühne Haartolle sein, ein hochgesteckter Pferdeschwanz, der schwungvoll in einer Spirale fällt, grelles Blau, oder schrilles Rosa für die Mähne, ist man beim Linzer Salon Haar Rocka’s richtig. Manuela Doblmann hat sich dem Rockabilly-Style verschrieben. "Wir rocken dein Haar!", lautet ihr Motto. Jetzt, vor der Wiedereröffnung von Handel und Dienstleistern wie Nagelstudios, Tätowierern oder eben Friseuren am Montag, rockt Doblmann ganz andere Dinge.

Sie hat mit einem Facebook-Post viel Aufmerksamkeit erregt. Dort hat sie ihren Kunden und Kundinnen in Aussicht gestellt, dass "ihr bei uns kein negatives Testergebnis vorweisen müsst". Dieses zu kontrollieren sei nicht ihre Aufgabe, wie sie es formuliert. "Zu Fleiß", sagt sie dem STANDARD, hätte sie provozierend formuliert. Die Regierung würde die Betriebe im Regen stehen lassen. Man werde nicht gefragt, in letzter Sekunde informiert. Tatsächlich hätte sie sich gewünscht, dass auch andere Betriebe gegen diese Art des Vorgehens protestiert hätten. Das Testergebnis kontrollieren wird sie nun am Montag doch, wie in der Verordnung verlangt. Dabei hatte sie wirklich gehofft, "dass das nicht unsere Aufgabe ist."

Froh aufsperren zu dürfen

Wolfgang Eder ist um Beruhigung bemüht. "Ein bisschen Zusammenhalt täte der Branche gut", sagt der Bundesinnungsmeister der Friseure. Man sei froh, dass man aufsperren dürfe. Auch wenn die geforderte Gültigkeit von Selbsttests nicht durchzusetzen war: Zuletzt seien dennoch Verbesserungen für die Betriebe erreicht worden. Die 20 Quadratmeter pro Kunde sind vom Tisch. Einzuhalten ist ein Abstand von zwei Metern. Was die wöchentlichen Tests für das Personal betrifft, so soll es ab 15. Februar einen Kostenersatz von zehn Euro für jeden durchgeführten innerbetrieblichen Antigentest geben, erklärte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck am Freitag.

So mancher hat nun am Wochenende einen Testtermin, um am Montag beim Friseur Einlass zu finden.
Foto: APA/HARALD SCHNEIDER

Unternehmen, die innerbetriebliche Tests anbieten, können sich dafür ab kommendem Montag bei der Wirtschaftskammer registrieren, die Abrechnung soll quartalsweise erfolgen. Als Nachweis reiche die Rechnung sowie eine Bestätigung des Betriebsarztes bzw. des beigezogenen Arztes oder Apothekers. Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern sind dazu angehalten, die Tests gleich in die AGES-Datenbank einzutragen. Grundsätzlich wird jeder Betrieb eine schriftliche Bestätigung ausstellen, sagt Schramböck. Als "Brücke hin zum Impfen" bezeichnet die ÖVP-Ministerin die Strategie.

Nicht alle sind mit dieser Brücke zufrieden. Martin Engelmann, Chef der Drogeriemarktkette dm will die rund 1500 bei dm beschäftigten Friseurinnen und Friseure sowie Friseurlehrlinge und deren Kunden in den dm-Studios testen. Er sieht die Gefahr, dass Anbieter körpernaher Dienstleistungen "auf den nicht regulierbaren Schwarzmarkt ausweichen und hier weder Mitarbeiter noch Kunden getestet werden. " Dass die Anforderungen an das "Reintesten" beim Haarefärben oder bei der Fußpflege höher seien als in der Schule, kann er nicht nachvollziehen. Gut möglich, dass auch der eine oder andere, der bereits zu den Geimpften zählt, überrascht sein wird. Denn auch Geimpfte müssen nach derzeitiger Lage zum Test.

Wie tragfähig die Strategie insgesamt ist, muss sich noch weisen. Von Euphorie ist allerdings auch im Handel wenig zu merken, zumal dieser sehr wohl mit den Einschränkungen der 20-Quadratmeter-Regel zu kämpfen hat. Dementsprechend gedämpft sind die Erwartungen und Prognosen, etwa von Wifo-Experte Josef Baumgartner. Er sieht in der Wiedereröffnung des Handels nicht den Auftakt eines Konsumbooms – obwohl die Konsumenten wochenlang vor verschlossenen Toren standen und im Durchschnitt viel Geld auf der hohen Kante haben.

Ende des "Zwangssparens"

Die Sparquote hat sich hierzulande im Corona-Jahr 2020 zwar laut Wifo auf fast 16 Prozent annähernd verdoppelt. Allerdings sind Baumgartner zufolge jene etwa 17 Milliarden Euro, die zusätzlich angespart wurde, nicht nur auf "Zwangssparen" wegen eingeschränkter Konsummöglichkeiten zurückzuführen, sondern auch auf "Vorsichtssparen". Viele von Jobverlust oder Kurzarbeit betroffene Haushalte hätten im Vorjahr sogar Reserven aufgelöst.

So manch einer hat seine Abneigung gegen das Testen zugunsten eines neuen Haarschnitts überwunden, ist da und dort zu hören.
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Viel Geld auf der hohen Kante habe vor allem die wohlhabendere Bevölkerungshälfte. Deren Konsumhunger werde im Gegenzug von Haushalten mit Einkommensverlusten ausgeglichen, dazu sieht der Ökonom auch bei Senioren Zurückhaltung: Diese hätten zwar keine finanziellen Einbußen, würden aber wegen der Ansteckungsgefahr in der Corona-Pandemie generell weniger konsumieren.

Baumgartner erwartet daher vorerst eher ein normales Ausgabeverhalten im Rahmen der geltenden Einschränkungen. "Wirkliche Nachziehkäufe werden erst schlagend werden, wenn die Pandemie halbwegs unter Kontrolle ist", bremst der Ökonom im Gespräch mit dem STANDARD die Erwartungen. Und auch nur in Bereichen, wo dies überhaupt möglich sei – und nennt als Gegenbeispiel Friseure. Schließlich reicht ein Haarschnitt, um alle Versäumnisse zu beseitigen.

Ausreichend Testmöglichkeiten, weite Wege

In der Branche ist man derzeit vor allem besorgt, ob für Kunden überhaupt genug Testmöglichkeiten vorhanden sind. "Das ist wirklich dringlich", betont Innungsmeister Eder und nimmt die Politik in die Pflicht. So manchem fehlt der Glaube, dass es funktioniert. Der rote Abgeordnete Max Lercher poltert via Twitter: "Sebastian Kurz sieht sich zwar gern als Waldviertler, aber von der Lebensrealität auf dem Land hat er offenbar wenig Ahnung. Wir haben oft nur eine Teststraße pro Bezirk, und vom Fünf-Minuten-Takt bei Öffis ist keine Rede."

Er ist nicht der Einzige, der warnt – auch einem Pensionistenvertreter stehen deshalb die Haare zu Berge: Vom Unterlaussa (Bezirk Steyr-Land / OÖ) müsste man 70 Kilometer nach Steyr, 66 Kilometer nach Garsten oder 44 Kilometer nach Waidhofen an der Ybbs zum Testen fahren, rechnet Pensionistenverbands-Generalsekretär Andreas Wohlmuth vor. Öffentliche Verkehrsverbindungen gebe es keine, sodass Betroffene ohne fahrbaren Untersatz kaum an Corona-Tests kämen.

Manuela Doblmann ist jedenfalls für alle Fälle gerüstet. Für behördlichen Besuch einerseits, weil sie sich ihrem Ärger so lautstark Luft gemacht hat, aber auch für die Kunden. Wird es aufgrund der Quadratmeterzahlen in ihrem Salon, der in einer Tennishalle angesiedelt ist, zu eng, will sie vor dem Salon zu Kamm und Schere greifen. (Regina Bruckner, Alexander Hahn 6.2.2021)