Tirols Wirtschaftskammer-Chef Christoph Walser (ÖVP) will sich verschärfte Maßnahmen nicht gefallen lassen.

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Schwaz/Innsbruck – Am Sonntagabend steht voraussichtlich die Entscheidung an, ob es in Tirol wegen der "Südafrika-Mutante" noch schärferer Maßnahmen bedarf. Die Innsbrucker Virologin Dorothee von Laer hatte sich sogar für eine Isolation sowie einen verlängerten Lockdown ausgesprochen. Dies stieß in Tirol auf heftige Kritik. Tirols Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser (ÖVP) verteidigte das Bundesland nun in der "ZiB1" am Samstagabend aufs Schärfste und drohte dem Gesundheitsministerium.

"Wir haben uns die letzten Monate sehr viel gefallen lassen. Jetzt ist der Punkt gekommen, wo es eindeutig reicht. Was jetzt passiert, zielt wieder klar auf Tirol ab. Und das lassen wir uns nimmer gefallen", sagte er. "Wenn morgen (Sonntag, Anm.) nur ansatzweise irgendetwas aus dem Gesundheitsministerium kommen sollte, dann werden sie uns am Montag richtig kennenlernen", drohte er.

Bereits zu Mittag sagte Walser mittels Aussendung, dass alles andere als eine Realisierung der Öffnungsschritte ab Montag wie in den anderen Bundesländern abzulehnen sei. Man müsse zwar jeder bestätigten Infektion und auch möglichen Mutationen nachgehen, aber: "Wir müssen uns aus der Pandemie herausimpfen und nicht in den nächsten Lockdown hineinsequenzieren".

Auch Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) erteilte einer Isolation des Bundeslandes eine Absage. Gegenüber ATV schloss Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) eine Weisung für einen Lockdown in einem Bundesland jedenfalls nicht aus: "Das Steuerungszentrum in dieser Republik, was die Begrenzung der Pandemie betrifft, ist das Gesundheitsministerium", betonte er.

165 B.1.351-Fälle bestätigt

Eines der wichtigsten Kriterien für die Entscheidung am Sonntag betrifft die Einschätzung, wie verbreitet die südafrikanische Coronavirus-Mutation B.1.351 in Tirol ist. Mit Stand Samstagabend wurden 165 derartige Fälle bestätigt. Der Großteil der Mutationen wurde im Nachhinein festgestellt, teilte das Land mit. Von diesen 165 Fällen waren nur noch acht Personen aktiv positiv. Bei zahlreichen weiteren Fällen liege ein Mutations-Verdacht vor, der gemäß den von der Ages vorgegebenen Standards weiter abgeklärt werde, hieß es.

Der Schwerpunkt der bestätigten Mutations-Fälle liege nach wie vor im Bezirk Schwaz und Umgebung. Dahingehend verwies das Land auf das dort derzeit durchgeführte Maßnahmenpaket mit verschärftem und erweitertem Contact Tracing sowie Massentestungen. Bei letzteren wurden im Bezirk bisher über 1.500 Testungen durchgeführt (bei rund 4.000 Anmeldungen) – für sieben Personen lag dabei ein positives Ergebnis vor. Die positiven Antigen-Fälle werden nun mit einem PCR-Test überprüft.

Zudem wurden in fünf Osttiroler Gemeinden PCR-Massentests durchgeführt. Eine bisherige Erkenntnis: Derzeit gibt es in diesen Gemeinden wie im gesamten Bezirk Lienz keine bestätigten Mutationen des Coronavirus. Bis dato wurden in Osttirol 1.000 Tests durchgeführt, 2.000 Personen haben sich dafür angemeldet. Ergebnisse wurden noch ausgewertet.

Die generelle Lage hinsichtlich der Corona-Zahlen stellte sich in Tirol unterdessen positiv dar: Die Zahl an Infizierten sank von 1.232 am Freitag auf 1.196 am Samstag. Auch die Zahl der Spitalspatienten ging erneut zurück. Zudem liege die Sieben-Tages-Inzidenz laut den aktuellen Daten der Ages in Tirol mit 99,7 derzeit unter dem Österreich-Schnitt, betonten die Verantwortlichen. Letzterer liege aktuell bei 105,0.

Neue Vorwürfe

Indes beschäftigte sich das Nachrichtenmagazin "profil" erneut mit dem Tiroler Corona-Krisenmanagement des Frühjahrs 2020. Einmal mehr im Fokus: Eine Presseaussendung des Landes vom 5. März, wonach sich 14 in der Heimat positiv getestete Isländer nach ihrem Ischgl-Urlaub vermutlich im Flugzeug angesteckt hätten. Die unabhängige Expertenkommission unter Vorsitz von Ex-OGH-Vizepräsident Ronald Rohrer hatte dies in ihrem Endbericht im vergangenen Herbst als "unrichtig" und "falsch" beurteilt. Es habe sich herausgestellt, dass diese mit zwei verschiedenen Maschinen geflogen waren und ein Gast bereits vor dem Abflug Symptome gezeigt hatte.

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Platters Büroleiter habe, so "profil" nunmehr, eine Viertelstunde vor Veröffentlichung des Pressetextes ein E-Mail an die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit geschickt, indem er aufgrund der Warnung aus Island auf jenen Gast mit den Symptomen Bezug nahm und fragte: "Das würde doch ausschließen, dass sie sich im Flieger angesteckt haben, wenn es die ersten Symptome am 26.2. gab?". Das Land Tirol betonte auf APA-Anfrage erneut, dass "die Medieninformation damals von den Gesundheitsbehörden gemäß ihrer fachlichen Einschätzung und nach den ihnen zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Informationen fachlich genau so freigegeben und deshalb auch versandt wurde". Zudem sei in derselben Medieninformation auch darauf verwiesen worden, dass weitere behördliche Abklärungen stattfinden.

Mail-Entwurf

Zudem ortete "profil" eine Intervention Platters – wegen eines aus Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Innsbruck hervorgehenden E-Mail-Entwurfs vom 6. März 2020. In dem Entwurf, der für Bundeskanzler Sebastian Kurz und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) gedacht war, soll sich der Landeshauptmann gegen die Einstufung Südtirols als Risikogebiet ausgesprochen haben und – auf Basis der Einschätzung der Landeseinsatzleitung – um dringende Evaluierung und Widerruf gebeten haben. Südtirol soll noch am selben Tag von der Liste der Risikoländer gestrichen worden sein. Der Entwurf wurde laut Land Tirol nachweislich nicht abgeschickt.

Wie die APA aus Landhauskreisen erfuhr, wäre nach dortiger Ansicht aber auch eine Zusendung überhaupt nichts Unlauteres gewesen, weil man nur auf die damalige, noch nicht prekäre Corona-Situation in Südtirol mit nur einem bestätigten und einem wahrscheinlichen Fall hinweisen habe wollen. Das Gesundheitsministerium gab an, die Einstufung Südtirols durch das Robert-Koch-Institut zunächst vorbehaltlos übernommen zu haben, im Zuge einer Evaluierung diese aber zurückgenommen zu haben, weil "keine reise-assoziierten Fälle mit Bezug zu Südtirol bekannt waren". (APA, red, 6.2.2021)