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In den Aufgabenbereich von Frontex fallen auch Such- und Rettungseinsätze im Mittelmeer. Doch bringt man mit den EU-Beamten immer mehr illegale Pushbacks in Zusammenhang. Auch an der Grenze zwischen Ungarn und Serbien wird kontrolliert.

Foto: AP/Darko Vojinovic

Waffen, Drohnen und Gesichtserkennungssoftware: Doch alle Verzögerungs- und Hinhaltetaktik von Frontex hat nicht verhindert, dass die Dokumente schlussendlich an die Öffentlichkeit kamen. Die Grenzschutzagentur der Europäischen Union hat ein Jahr lang die Herausgabe von Informationen zu Treffen mit Lobbyisten hinausgeschoben.

Luisa Izuzquiza erzählt im Gespräch mit dem STANDARD von unnötigen Aufforderungen, Rückfragen zu verdeutlichen oder für die Herausgabe von Informationen zu bezahlen. "Obwohl wir von unserem europäischen Recht auf Informationsfreiheit Gebrauch gemacht haben", sagt die 29-jährige Rechercheurin jenes Kollektivs, das für die ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale" und die Internetplattform "Frag den Staat" die Website "Frontex Files" organisiert hat.

Darin beschrieben sind 16 Treffen der Grenzschutzagentur mit Vertretern aus der Rüstungsindustrie oder auch Beamten aus Staaten, die nicht für die Achtung von Menschenrechten bekannt sind – etwa aus Angola, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Belarus –, zwischen 2017 und 2019. "Ich war nicht überrascht, dass diese Treffen stattgefunden haben – aber darüber, wer daran teilgenommen und welcher Ton dabei geherrscht hat", sagt Izuzquiza.

Österreich-Verbindungen

So wurden etwa in einer Powerpoint-Präsentation des von der EU finanzierten "Safe Shore"-Projekts zur Grenzüberwachung Migranten als "Problem" bezeichnet. "Bei jedem Treffen waren Vertreter von Frontex-Abteilungen anwesend", sagt Izuzquiza: "Doch bei keinem Meeting war ein Mitarbeiter der Menschenrechtsabteilung dabei." Das zeige, worauf die Agentur ihren Schwerpunkt legt: "Prinzipiell hat Frontex auch die Verpflichtung für Such- und Rettungseinsätze im Mittelmeer." Doch zu dem Thema habe es keine Treffen gegeben.

Auch nach Österreich finden sich Verbindungen in den Dokumenten: Zum einen sei das mehrheitlich im Staatsbesitz stehende Austrian Institute of Technology (AIT) mit Mitarbeitern bei mehreren Treffen vertreten gewesen, zum anderen habe der Waffenproduzent Glock Handfeuerwaffen bei Zusammenkünften vorgestellt. Letztgenanntes Unternehmen findet sich nicht in der Transparenzdatenbank der EU – doch Frontex hatte 2019 vor dem EU-Parlament angegeben, sich nur mit Gruppierungen zu treffen, die sich in dieser Datenbank finden.

Dass sich Frontex Handfeuerwaffen zeigen lässt, liegt darin begründet, dass seit 1. Jänner 2021 Agenturbeamte der "Kategorie 1" Dienstwaffen tragen sollen dürfen. Zumindest hat das die Union in einer Verordnung Ende 2019 festgelegt.

Mit "Kategorie 1" sind jene Beamte gemeint, die direkt von Frontex bezahlt und nicht von den Mitgliedsstaaten gestellt werden. In der Verordnung festgeschrieben ist auch, dass Frontex bis 2027 10.000 Beamte in "ständiger Reserve" hat, 3000 würden direkt bei der Agentur angestellt sein. Doch so einfach funktioniert das mit den Dienstwaffen nicht, denn nach polnischem Recht – das Frontex-Hauptquartier befindet sich in Warschau – ist die Agentur keine Einheit, die Waffen oder Munition anschaffen, registrieren, lagern oder in Einsatzgebiete schaffen darf.

Auch das Sitzabkommen zwischen Frontex und der polnischen Regierung bietet keine Grundlage. Aus einer Anfragebeantwortung im Deutschen Bundestag geht hervor, dass die Beamten noch nicht bewaffnet wurden; Frontex gehe aber davon aus, "die letzten noch offenen Fragen hierzu in Kürze klären zu können".

Antibetrugsermittlungen

Doch das sind nicht die einzigen Fragen, die Frontex beantworten muss. So ermittelt die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf seit Ende 2020 gegen die Grenzschutzagentur im Zusammenhang mit Belästigung von Mitarbeitern, Fehlverhalten und illegalen Pushbacks. Dabei gerät der Frontex-Chef Fabrice Leggeri selbst immer mehr unter Druck. Auch sein Büro wurde von Olaf-Mitarbeitern durchsucht.

In Sachen Pushbacks – also illegalen Zurückweisungen von Migranten an den Grenzen – sprach Leggeri vor dem EU-Parlament und Medien von einem "Missverständnis". Ein interner Bericht aus dem Vorjahr zeigt jedoch, dass Frontex von solchen Vorgehensweisen weiß.

So soll etwa ein Helikopterpilot der Grenzschutzagentur im April beobachtet haben, wie die griechische Küstenwache Migranten in türkische Gewässer schleppte. Eine Kommission untersucht nun mehrere Vorfälle. Erst vor kurzem hat Frontex seine Tätigkeit in Ungarn eingestellt. Die Begründung: Das Land würde trotz Urteils des Europäischen Gerichtshofs weiter Asylsuchende gesetzeswidrig nach Serbien abschieben.

Die Rechercheurin Izuzquiza sieht die Verantwortung für das intransparente Vorgehen von Frontex sowohl bei der Agentur als auch bei den EU-Mitgliedsstaaten: "Auf der einen Seite haben es die Staaten verabsäumt, entsprechende Kontrollmechanismen zu schaffen, auf der anderen Seite entzieht sich Frontex aktiv der Kontrolle." (Bianca Blei, 8.2.2021)