Darf sich eine Panzerkommandantin in Zeiten der Pandemie auf dem Waldboden "erden", darüber schwadronieren, dass eine Corona-Infektion auch nicht viel schlimmer als die Grippe sei – und das Ganze auch noch via Video in den Netzwerken verbreiten?

Die Antwort lautet: Ja, sie darf – denn auch für Soldaten gilt das Recht auf freie Meinungsäußerung, erklärt der Wiener Verfassungsrechtler Theo Öhlinger. Sehr wohl aber müssten sich Staatsdiener, also Lehrer, Polizisten und auch Angehörige des Bundesheers, derzeit davor hüten, einzelne Maßnahmen ihrer Minister im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus als falsch oder dumm anzuprangern, denn: "Gemäß Beamtendienstrecht dürfen sie das Vertrauen in die öffentliche Verwaltung nicht durch ihre Äußerungen beeinträchtigen."

Szene im Zuge der Massentests: Daran beteiligte Soldaten sollten ihre politische Führung besser nicht lauthals wegen der Screenings verteufeln.
Foto: APA / Georg Hochmuth

Bedeutet in der Praxis: Ein Beamter des Gesundheitsministeriums könnte nach einer derartigen Wald-Aktion aktuell durchaus Probleme bekommen, wenn er dabei die Infektionslage, vor der Ressortchef Rudolf Anschober (Grüne) eindringlich warnt, kleinredet. Ein Soldat, der mithilft, die Massentests abzuwickeln, sollte sich wiederum zurückhalten, das Kabinett von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) dafür lauthals zu verteufeln. Ebenso nicht ratsam: dass ein Lehrer vor seiner Klasse an den aktuellen Covid-Maßnahmen von Unterrichtsminister Heinz Faßmann (ÖVP) rüttelt. Denn dann sind disziplinarrechtliche Folgen möglich, führt Öhlinger aus – von der Abmahnung über eine Suspendierung bis hin zum Extremfall einer Entlassung.

Summa summarum, hält der Experte aber auch fest, bleibt die Formulierung, welche Äußerungen nun konkret "das Vertrauen" in den öffentlichen Dienst untergraben können, "recht vage".

Schweres Geschütz

Obwohl auch Paragraf 3 der allgemeinen Dienstvorschriften für Soldaten ausdrücklich festhält, dass "er alles zu unterlassen" hat, was "das Ansehen des Bundesheers und das Vertrauen der Bevölkerung in die Landesverteidigung beeinträchtigen könnte", wollte Tanners Kabinett schon im Jänner schweres Geschütz gegen die Corona-Skeptiker, Verschwörungstheoretiker & Co in den eigenen Reihen auffahren: Am Wochenende wurde bekannt, dass ihr Stabschef, Generalmajor Rudolf Striedinger, mit 19. Jänner per Erlass "randständige Positionen" in den Netzwerken ahnden wollte, die die Arbeit der Regierung konterkarieren, hinterfragen oder ins Lächerliche ziehen.

Tatsächlich hätte die Erstversion des Tanner-Mannes auch das Recht der Soldaten auf freie Meinungsäußerung eingeschränkt – was die Opposition als "türkise Message-Control" anprangerte.

Der neue Akt weist nun darauf hin, dass sich Mitarbeiter des Ressorts, die sich in der Öffentlichkeit äußern, an die ihnen bekannten Dienstpflichten zu halten haben. Vor allem wenn öffentliche Äußerungen in Zusammenhang mit dem Tragen der Uniform oder der Nennung der jeweiligen Stellung stehen. "Jede Verletzung einer dienstlichen Norm wird einer rechtlichen Würdigung unterzogen", heißt es darin.

Doppelt hält besser

Für Öhlinger kommt diese Formulierung einer "Aufdopplung" des ohnehin geltenden Rechts gleich: "Damit wurden nun offenbar keine engeren Grenzen gezogen als jene, die bisher schon galten." Auch sein Innsbrucker Kollege Peter Bußjäger sagt: "Dieser Hinweis an die Soldaten, dass sie darauf achten sollen, dass sie den Staat und das Bundesheer repräsentieren, ist zulässig." Zudem bleibe freilich ein folgenschwerer einschlägiger Spruch des Verwaltungsgerichtshofs weiterhin aufrecht, dass Beamten sachliche Kritik an den vorgesetzten Behörden sehr wohl erlaubt sei – weil das im Interesse des Staates liege.

Bei einer Entgleisung anderer Art reagierte Tanner unlängst ohnehin umgehend: Ein Brigadekommandant, der in einem Interview auf Facebook in einem T-Shirt mit einem Neonazi-Spruch gegen "die da oben" gewettert hatte, wurde vorläufig suspendiert – wegen seines Aufzugs. Für weitere Schritte ist die Disziplinarabteilung zuständig. (Nina Weißensteiner, 8.2.2021)