Ein Schulkind zeigt auf einem Fototermin für Journalisten, wie ein Schnelltest anzuwenden ist: Nicht ganz kinderleicht für Tafelklassler.

Foto: APA / Georg Hochmuth

Die Spuren des Ansturms nach dem Lockdown sind nicht zu übersehen. Der zur Stauvermeidung auf den Gang verlegte Garderobenständer geht vor Jacken über, am Boden liegen Stiefel und Handschuhe verstreut. Doch Verena Chavanne, Direktorin der Volksschule Kreindlgasse in Wien-Döbling, hat an diesem Montagmorgen andere Sorgen als die Ordnung vor ihrer Bürotür. Es ist drei Minuten vor acht Uhr – und noch immer sind nicht alle Testkits angekommen.

Dabei sind die flachen, blau-weißen Schachteln eine Eintrittskarte in den halbwegs normalen Schulalltag: Nur wer einen sogenannten Anterio-Nasal-Test über sich ergehen lässt, darf am Unterricht in den Klassen, wie er diese Woche in Wien und Niederösterreich anläuft, teilnehmen. Verweigern die Eltern die Zustimmung, müssen die Sprösslinge nach Hause ins Homeschooling. Betreuung wie im Lockdown bieten die Schulen nicht mehr an.

Fröstelnd zum Corona-Test

In der Kreindlgasse haben alle Mädchen und Buben die Erlaubnis zum Nasenbohren bekommen, die 1B ist da keine Ausnahme. "Ich freue mich riesig, euch wieder zu sehen", sagt Klassenlehrerin Andrea Topolic vorne vor der Tafel, erntet aber erst einmal nur gedämpfte Begeisterung. Die Kinder ziehen die Hälse ein, reiben sich die Arme, nesteln an den bunten Stofffleckerln vor ihren Gesichtern herum. "Mir ist kalt. Dürfen wir die Fenster zumachen?", fragt ein Mädchen, ein Bub motzt: "Wenn wir die Masken jetzt dauernd tragen müssen, arbeite ich lieber daheim. Punkt."

Es tue ihr leid, klärt Topolic auf: Solange nicht alle ihren Test gemacht hätten, müssten die Fenster ebenso offen bleiben wie die Masken über Mund und Nase. Damit das Bibbern rasch vorbei ist, hat sie sich eine Kollegin zur Verstärkung geholt, in anderen Klassen helfen freiwillig Eltern aus. Denn so "kinderleicht", wie es hieß, ist die Anwendung für Tafelklasslerhände beim ersten Mal auch wieder nicht.

Im Nasenloch fünfmal drehen

Die beiden Pädagoginnen haben sich den Ablauf genau eingeprägt, geduldig gehen sie mit der ersten Hälfte der Klasse Schritt für Schritt durch: Hände desinfizieren, Verpackung aufreißen, nirgends herumfingern. Stäbchen auf der richtigen Seite herausziehen, Wattekopf in die Nase stecken, in jedem Loch fünfmal drehen. Dann den Stab in eine Öffnung im Testbogen von B – "den Buchstaben haben wir noch gar nicht gelernt" – nach A einführen und mit dem mitgelieferten Verdünnungsmittel beträufeln. "Genau sechs Tropfen müssen es sein", mahnt Topolic, "und niemand fasst einen fremden Test an!"

"Kommt ein blauer Streifen, dann hast du Corona", fachsimpelt ein Bub, der sich daheim das Lehrvideo zur Anwendung angeschaut hat, eine Mitschülerin verbessert: "Nein, dann hast du es falsch gemacht." Was es aber bedeutet, wenn sich am Teststreifen gar nichts tut, stellt selbst die Lehrerinnen vor ein Rätsel: "Und jetzt?" Nach einem schulinternen Meinungsaustausch tropfen sie noch etwas Flüssigkeit nach.

Eine Klasse atmet auf

Für manchen Sechs- und Siebenjährigen ist auch die anschließende Warterei eine Herausforderung. Immer mehr müssen aufs Klo, ein Schüler will schon zu jausnen anfangen. Doch erst einmal beginnt das ganze Prozedere für die andere Hälfte der Klasse von Neuem. "Und das zweimal die Woche", stöhnt Topolic, "ein Wahnsinn". Aber wenn die Übung den Unterricht rette, solle es ihr recht sein.

Nach einer Stunde liegen endlich alle 24 Ergebnisse vor – noch dazu in der erhofften Form: Auf allen Streifen poppen einzelne rote Stricherln auf, kein einziger Test fällt positiv aus. Fenster zu, Masken runter, durch die Klasse tönt ein kollektives "Yeah". Die Lehrerin lobt: "Ihr wart toll!"

32 aufgedeckte Infektionen in Wien

Woche für Woche, bis die Pandemie überwunden ist, sollen sich Volksschüler künftig am Montag und Mittwoch selbst testen. Dafür dürfen oder – je nach Leseart– müssen sie sämtliche fünf Tage in die Schule gehen, während es an allen anderen Schulen wechselnden Schichtbetrieb aus Präsenzunterricht und Distancelearning gibt.

Doch was, wenn nicht genügend Tests ankommen? Nur in Einzelfällen seien Schulen unterversorgt gewesen, heißt es aus der Bildungsdirektion Wien, in der Folge habe es Nachlieferungen gegeben. Am "Übergangstag", merkt man im Bildungsministerium an, sollte die Regel, wonach nur ein negativer Test die Teilnahme am Unterricht erlaubt, ohnehin noch nicht angewendet werden. Erste Bilanz aus dem Ressort: In Wien nahmen lediglich 1,5 Prozent der Kinder mangels Zustimmung der Eltern nicht teil, die Tests haben in 32 Fällen eine Covid-Infektion angezeigt. In Niederösterreich waren 24 Kinder positiv.

In der Kreindlgasse gab es in der gesamten Schule keinen einzigen Treffer, die fehlenden Testkits sind im Laufe des Vormittags eingetrudelt. Bis dahin hätten die Schülerinnen und Schüler jener Klassen, die warten mussten, eben dauernd Masken tragen müssen, erzählt Direktorin Chavanne: "Heimgeschickt haben wir niemanden." (Gerald John, 8.2.2021)