Ja, ich bin eine Frau, und traditionell beziehungsweise tendenziell werden Frauen von ihren Partnerinnen oder Partnern, Liebhaberinnen oder Liebhaberinnen, Verehrern oder Verehrerinnen zum Valentinstag beschenkt. Zumindest oft. Und oft umgekehrt nicht. Blumen sind klar ein fixer Bestandteil der Freude für Frauen – und je nach Lust und Börserl zusätzlich noch Schokolade, Schmuck, schöne Wäsche, etwas, mit dem wir den Wert unsere Liebe "ausdrücken" wollen. So der Mainstream. (Ja, auch Männer freuen sich darüber. Und auch Sextoys werden als Zeichen der Liebe und des Begehrens verschenkt. Während ich das schreibe, flattern auch laufend Mails herein, von der Flugreise über Düfte bis zur Ziege – Valentin, oh Valentin, feiern wir das Fest der gekauften Geschenke?)

Das Fest der Liebe

Was mal ein Fest der romantischen Liebe war, wurde immer mehr zum "To-Do" des ökonomischen Jahreszyklus. Okay, jetzt, 2021 – endlich können wir wieder Geschäfte betreten – freuen sich tatsächlich viele Menschen, mal wieder ein Blumengeschäft von innen zu sehen! Diese Pracht zu riechen, die bunten Farben zu sehen, etwas Schönes mitzunehmen, hoffentlich nicht nur einmalig. Aber – ganz ehrlich, was ist dieser eine Tag wert, wenn wir den Rest des Jahres als selbstverständlich nebeneinander leben beziehungsweise als selbstverständlich wahrgenommen werden? Oft als Gegner und nicht als Partner?

Wer ist denn tatsächlich zufrieden und glücklich, nur einmal im Jahr die Aufmerksamkeit zu bekommen, die eigentlich Grundhaltung in einer Liebesbeziehung sein könnte? Achtung, provokant groß gedacht – die so eine Art Lebenseinstellung sein könnte, die beiden Menschen Freude macht? Wenn wir einmal im Jahr die Liebe leben, als "Inszenierung" erleben, die Freude ausdrücken soll und uns zeigt, was prinzipiell immer wieder bewusst möglich sein könnte – ist es nicht unendlich traurig, sie den Rest des Jahres nicht zu leben? Oder gibt es in Ihrem Leben hoffentlich sowieso immer wieder viele Gelegenheiten, einander die Liebe, die Zuneigung zeigen zu können?

Warum sollte Sex oder Aufmerksamkeit nur auf einen Tag im Jahr reduziert sein?
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Freude teilen

Ja, es tut gut, wenn wir Blumen bekommen, vielleicht einen gemeinsamen Spaziergang machen, etwas "Zeit zu zweit" geschenkt bekommen, sie also so verbringen, dass sie für beide wohltuend ist und Freude macht. Unbestritten. Es tut immer wieder gut, wenn wir überlegen, womit wir unsere/n Liebsten verwöhnen, Freude machen können – einander vielleicht besonders fein bekochen?

Ganz wichtig und wohltuend ist es auch, wenn wir uns vor allem auch Zeit nehmen, in uns hinein zu horchen, was wir selbst erleben und genießen wollen – miteinander. Wozu wir unseren Partner gerne einladen wollen.

Wenn das beide Teile des Paares gerne machen, einer nicht hauptsächlich nimmt und der andere hauptsächlich gibt, ist es ganz einfach. Denn Freude bereiten tut gut – und zwar allen. Dem, der sie macht, und dem, der überrascht, verwöhnt, gesehen wird. Also warum nicht öfter, also immer wieder, ganz egal, welcher Tag gerade ist? Wünschen wir uns das nicht alle?

Der berühmte Sex am Valentinstag

Bemerkenswert ist, da bin ich manchmal ganz sprachlos, dass es immer noch viele Menschen gibt, vor allem Frauen, die dann am Valentinstag (oder zum Geburtstag) Sex haben und sonst ewig nicht. Da muss ich nachfragen – warum gerade an diesem Tag? Aus … Dankbarkeit? Sex haben – quasi als "Gegenleistung" für ein paar Aufmerksamkeiten? Oft höre ich auch, weil es erwartet wird. Das tut weh – übrigens auch allen Beteiligten.

Könnte es doch unter Umständen einfach auch so sein, dass der Mensch, der das passende Maß an Zuwendung bekommt, der Freude im Miteinander spürt, einfach Lust bekommt? Ob Lust auf Zärtlichkeiten, vielleicht auch auf Sex? Einfach weil das bewusste, freudige Miteinandersein, eine unbeschwerte Zeit gestalten, verbindet, guttut? Und: Könnte das ganz einfach auch immer wieder und immer wieder im Jahr, vielleicht sogar recht oft, ganz selbstverständlich sein?

Wäre es nicht wunderbar, sattmachend, geil, wenn es gelingt, innige Momente der Nähe immer wieder zu spüren? Diese magische Intimität, die etwas Besonderes ist, wenn wir spüren, dass wir gerne miteinander sind, vielleicht sogar zusammengehören, wenn wir Liebe spüren, um die es eigentlich gehen könnte?

Ja, klar, jeder Mensch freut sich, wenn er liebevolle Gesten, Aufmerksamkeit und Geschenke bekommt – aber wollen wir diese nicht lieber, wenn sie gerade ehrlich gemeint sind, von Herzen kommen, also bitte immer wieder einfach so, wenn uns und unsere/m Liebsten gerade danach ist? Eben. (Nicole Siller, 14.2.2021)