Da war die Onlinewelt noch in Ordnung. Wirtschaftsministerin Schramböck und WKÖ-Chef Mahrer bei der Präsentation des "Kaufhaus Österreich".

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Wien – Exakt 71 Tage währte der Versuch, Amazon mit einer österreichischen Onlineplattform Paroli zu bieten. Der Versuch kostete seither täglich mehr als 8.800 Euro. Nun wird er zu Grabe getragen. Das von VP-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck ins Leben gerufene virtuelle "Kaufhaus Österreich" wurde für Konsumenten offline genommen. Die Suchfunktion, die Konsumenten mitunter von Schutzmasken zu Alpakas führte, ist Geschichte. Erhalten bleibt das Firmenverzeichnis.

Sie bereue das Projekt nicht, es sei auch nie das Ziel gewesen, Amazon nachzubauen, sagte Schramböck. Man müsse die Kirche im Dorf lassen: Die kritisierte Suchfunktion des Kaufhauses habe nur ein Drittel der Gesamtkosten von rund 600.000 Euro ausgemacht.

Das E-Commerce-Projekt werde weiterhin einen Beitrag zur Stärkung von E-Commerce in Österreich leisten, lässt das Ministerium am Dienstag wissen und stellt Förderungen für Händler in Höhe von 15 Millionen Euro in Aussicht.

Primäre Intention sei es, österreichische Unternehmen und die vielen kleinen Betriebe bei ihren E-Commerce-Aktivitäten beziehungsweise beim Einstieg in den E-Commerce zu unterstützen. Mit der Wiederöffnung des Handels werde jedoch der Kundenbereich des Portals, "welcher als Unterstützungsmaßnahme im Lockdown während der Weihnachtszeit konzipiert war", offline genommen und der Fokus auf Händler gesetzt.

Aufbau um 603.000 Euro

Die staatliche Förderbank AWS übernehme den Betrieb der Plattform. Bis zum Launch des Projekts "Kaufhaus Österreich" seien insgesamt Technikkosten im Umfang von 603.670,32 Euro angefallen. Diese setzen sich zusammen aus Kosten für die Evaluierung, Konzeptionierung und Benutzerführung, den Grundaufbau des Händler- und des Konsumentenportals, das Design und den Aufbau der Plattform sowie die technische Implementierung inklusive Schnittstellen zu den wichtigsten vorhandenen Portalen.

Darüber hinaus wurde eine Reihe von E-Commerce-Aktivitäten gesetzt. Dazu zählen unter anderem eine KMU-Umfrage, Webinare, Videoclips, Entwicklung der Markenrechte et cetera, wofür insgesamt Kosten in Höhe von 243.141,80 Euro entstanden seien. Die Technikkosten seit dem Launch betragen laut Ministerium 192.286,44 Euro; für den laufenden technischen Betrieb fielen monatlich 2.642,50 und für die Wartung der Plattform 2.566,00 Euro an.

Ministerium trägt Kosten

Für Informationsmaßnahmen wurden jeweils inklusive Agenturvergütung für Informationsmaßnahmen im TV 36.870,29 Euro, in Online- und Printmedien 183.853,56 Euro und in sozialen Medien 216,33 Euro aufgewendet. Alles in allem summieren sich die Aufwendungen für das "Kaufhaus" auf mehr als eine Million Euro. Es seien keine weiteren Informationsmaßnahmen geplant. Die angeführten Kosten wurden vom Ministerium getragen.

Werbemillionen gestoppt

Hinter den Kulissen ist die Rede von mehreren Millionen Euro an Steuergeldern, die in die Bewerbung hätten fließen sollen. Nach dem von Pannen begleiteten Start sei jedoch die Reißleine gezogen worden.

Quer durch alle Branchen im Handel hagelt es herbe Kritik. Von einem Rohrkrepierer und peinlichen Bauchfleck ist die Rede. Falsche Erwartungen seien geweckt und schwere Fehler begangen worden. Die Marke "Kaufhaus Österreich" sei tot.

"Hier wurden fast 630.000 Euro Steuergeld versenkt, für nichts und wieder nichts. Es ist eine unglaubliche Frechheit, wie diese Regierung Kurz und ihre Kammerfreunderl mit unserem hart verdienten Steuergeld umgehen", sagte der freiheitliche Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer ersten Reaktion.

SPÖ prüft Klage

SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter gibt sich empört, wie fahrlässig die Ministerin mit dem Geld der österreichischen Steuerzahler umgehe. Es gehöre geklärt, ob hier nicht ein Rechtsbruch vorliege. Die SPÖ wird deshalb eine Ministeranklage prüfen.

Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn sieht das Kaufhaus Österreich "nun de facto endgültig gescheitert". Schramböck und WKÖ-Präsident Harald Mahrer sollten erklären, "wer für diesen Flop aufkommt, wohin das Geld geflossen ist und wer davon profitiert hat". Die Unternehmer seien es nicht gewesen. "Frau Minister, übernehmen Sie Verantwortung und treten Sie zurück. Digital liegt Ihnen einfach nicht", richtet Schellhorn Schramböck aus.

"Entschuldigung nötig"

Die Umweltaktivistin Nunu Kaller, die selbst eine beliebte Ladenliste für den heimischen Handel auf die Beine gestellt hat, was, wie sie betont, "keine Hexerei" gewesen sei, fordert eine Entschuldigung aus dem Wirtschaftsministerium. Wäre das "Kaufhaus" privat entstanden, als solches zehn Monate zu spät gestartet und derart schlecht programmiert worden, wäre ein Konkurs unausweichlich gewesen.

Wirtschaftsministerium und Wirtschaftskammer sind da, um Spielregeln und Rahmenbedingungen zu schaffen, nicht um ein Kaufhaus zu betreiben, resümiert Harald Gutschi, Österreich-Chef des Versandhändlers Unito. Dieses sei technologisch auf dem Stand von vor 20 Jahren gewesen und gehe völlig an den Kundenerwartungen vorbei. Um ein entsprechendes Portal ordentlich zu starten, brauche es zumindest 20 Millionen Euro. "In der Planung war man Weltmeister, in der Umsetzung Zwerg." Er hoffe, dass daraus Lehren gezogen würden, zumal die finanziellen Beiträge der Unternehmen an die Wirtschaftskammer nicht unerheblich seien. "Hier wurde Geld in die Donau geschüttet."

WKÖ scheidet aus

Die Entscheidung, das "Kaufhaus Österreich" zu einer reinen Unternehmens-Plattform im Betrieb der AWS umzubauen, obliege dem Wirtschaftsministerium, heißt es aus der Wirtschaftskammer. Die WKÖ selbst, die das Händlerverzeichnis beisteuerte, scheide aus dem Impressum aus. Bei ihr seien dazu in Summe 36.000 Euro an Kosten angelaufen. Oberste Priorität hätten nun die ersten Öffnungsschritte des stationären Handels Anfang Februar.

"Keine politische Einflussnahme"

Rainer Will, Chef des Handelsverbands, erinnert an zahlreiche privatwirtschaftliche Verzeichnisse und Plattformen, die nur einen Bruchteil der Kosten verursacht hätten und ein halbes Jahr früher gestartet wurden. Die Idee, die Plattform nun in eine für Unternehmer umzuwandeln, sei gut, aber nicht neu. Aufgabe der Politik sei es, sich um die Rahmenbedingungen im E-Commerce zu sorgen. Es sei höchste Zeit, Online-Giganten aus Drittstaaten fair zu besteuern. Und bestehende Online-Initiativen in Österreich gehörten stärker einbezogen – "ohne politische Einflussfaktoren".

Handelsobmann Rainer Trefelik nennt die Grundintention des Projekts, den österreichischen Onlinehandel sichtbar zu machen und zu bewerben, eine gute. Letztlich sei das "Kaufhaus" an den finanziellen und technischen Möglichkeiten des Ministeriums gescheitert. (Verena Kainrath, 9.2.2021)