Impfungen gehören zu den wichtigsten Präventivmaßnahmen in der Medizin. Seit rund 200 vor Christus versuchten sich die Chinesen gegen die Pocken zu immunisieren, und auch in Indien gab es schon vor etwa 2.000 Jahren Bestrebungen, mittels einer Art Impfung der Ausbreitung der Pocken Herr zu werden. Diese frühen Formen der Immunisierung erfolgten, indem man die Pusteln von Pockenkranken aufstach, das Sekret herausfilterte, bei gesunden Menschen die Haut aufritzte und dort die Flüssigkeit hineinfließen ließ. So erhoffte man sich, dass die bis dahin Gesunden eine leichte Form der Erkrankung durchmachten und dadurch immun wurden.

Diese Inokulation wurde nach der Entwicklung des Impfstoffs gegen die Pocken durch Edward Jenner (1749–1823) von der Methode der Vaccination abgelöst. Auch wenn die Pockenerkrankung mithilfe der Impfung ausgerottet werden konnte – übrigens bis heute als einzige Erkrankung weltweit – und auch im heutigen Österreich bereits im 18. Jahrhundert führende Herrscherpersönlichkeiten wie Maria Theresia nicht nur ihre Kinder, sondern auch sich selbst impfen ließen, gab es, seit es Impfungen gibt, auch Impfgegner.

Impfen ist nicht gottgewollt

Zahlreiche Impfgegner und Kritiker führten religiöse Motive an, weil sie Impfungen als künstlichen Eingriff in den menschlichen Körper verstanden und einen solchen, als nicht von Gott gewollt, ablehnten. Daher galt die Impfung als unchristlich. Dazu kam noch die fehlende Kenntnis medizinischer Zusammenhänge. Die Menschen verstanden im 19. Jahrhundert noch nicht, warum das Einimpfen von gefährlichen Krankheitserregern in den Körper und das Hervorrufen einer milden Form der Erkrankung Schutz bieten sollten. Daher stand man dem Provozieren absichtlicher Infektionen sehr skeptisch gegenüber. Dazu kam noch, dass trotz einer Impfung die Krankheit ausbrechen konnte, Impfungen Nebenwirkungen erzeugten und der Impfstoff damals nicht standardisiert war.

Manche Argumentationen gegen eine Impfung hatten damals wie heute einen ähnlichen Hintergrund, etwa unterstellte man einer gesellschaftlichen Gruppe, sich daran bereichern zu wollen. 1881 propagierte der Philosoph und Mitbegründer des Rassenantisemitismus im Deutschen Kaiserreich, Eugen Dühring (1833–1921), in der Kampfschrift "Die Judenfrage als Racen-, Sitten- und Culturfrage. Mit einer weltgeschichtlichen Antwort" die Impfung als einen Aberglauben und von jüdischen Ärzten angeblich zum Zwecke der persönlichen Bereicherung eingeführt.

Edward Jenner impft einen kleinen Buben, 1884.
Foto: https://wellcomecollection.org/works/bhkyt4y2 (CC-BY-4.0)

Pfarrer und Hebammen um Hilfe gebeten

Um das Vertrauen der Bevölkerung in das Impfwesen zu stärken, suchten die Behörden Hilfe bei Pfarrern und Hebammen. Pfarrer predigten von der Kanzel, wie wichtig eine Immunisierung für die Gesundheit der Menschen und das Eindämmen von Krankheiten sei, und sie waren bei Impfaktionen anwesend, um den Menschen Mut zu geben. Auch Hebammen halfen, Schwangere betreffend Impfschutz zu beraten. Bei der Taufe bekamen die Eltern Briefe mit, durch deren Inhalt ihnen die Wichtigkeit der Impfung nahegelegt wurde.

Schule, Stipendium, Militär nur mit Impfung

Auch wenn sich in Österreich in der Geschichte die Behörden mehrheitlich gegen eine Impfpflicht aussprachen, nicht zuletzt deshalb, weil der Staat nicht so ohne Weiteres für die Gesundheit des Einzelnen verantwortlich zeichnete und man einen Impfzwang als Eingriff in die Freiheitsrechte interpretierte und mehr auf Kampagnen setzte, gab es gewisse Regulative, die eine Impfpflicht unter gewissen Umständen voraussetzten.

So wurde bestimmt, dass ein Kind beim Schuleintritt geimpft sein musste, ebenso wie alle Zöglinge in Waisenhäusern. Das Ansuchen um ein Stipendium setzte ebenfalls den Schutz durch Impfung voraus. 1812 gab es bereits die Vorschrift, dass alle, die zum Militär einrückten, geimpft werden mussten. 1886 führte Kronprinz Rudolf per Verordnung nochmals eine Impfpflicht für Grundwehrdiener ein, denn eine Epidemie unter Soldaten schwächte die Kampfkraft und damit die Sicherheit des Staates. Aber auch das Passieren von Grenzen unterlag Präventionsmaßnahmen. Wenn man zum Beispiel von Österreich nach Bayern umsiedeln wollte, war ein Nachweis zu erbringen, dass man geimpft war, umgekehrt bestand dieser Beleg nicht. Ärzte wurden aufgefordert, Impfverweigerer oder Impfgegner zu melden. Bei Nichteinhalten der Impfpflicht drohten Geldstrafen, umgekehrt wurden besonders impffreudige Ärzte finanziell belohnt.

Auch wenn sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts sogenannte Impfzwanggegner-Vereine bildeten und ab 1876 regelmäßig die Zeitschrift "Der Impfgegner" erschien, so konnte damals wie heute eine hohe Durchimpfungsrate nicht nur zur Immunität der Geimpften führen, sondern auch eine sogenannte Herdenimmunität bewirken, die auch Ungeimpfte schützt, weil durch die Geimpften die Zirkulation eines Erregers eingeschränkt wird. Impfmuffel hingegen tragen weiterhin zur Ausbreitung von Krankheiten bei. (Daniela Angetter-Pfeiffer, 16.2.2021)