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Damit wir wirklich in Stereo hören und nicht zwei getrennte, zeitversetzte Audiosignale wahrnehmen, müssen rechte und linke Gehirnhälfte synchronisiert sein.

Foto: AP/Kathy Willens

Zürich – Geräusche, Töne oder gesprochene Sprache werden vom linken und rechten Ohr normalerweise unterschiedlich wahrgenommen und erreichen das Trommelfell in der Regel auch zeitlich versetzt. "Dies hilft uns zwar zu bestimmen, aus welcher Richtung Geräusche kommen, bedeutet aber auch, dass unser Gehirn die Informationen beider Ohren zusammenführen muss. Ansonsten würden wir ein Echo hören", erklärt Basil Preisig vom Psychologischen Institut der Universität Zürich (UHZ). Der Neurolinguist und sein Team ist der Frage auf den Grund gegangen und hat herausgefunden, warum wir Gesagtes immer als einheitliche Sprachlaute wahrnehmen.

Arbeitsaufteilung

Das Geheimnis liegt in der Weiterverarbeitung der Signale. Der Input vom rechten Ohr erreicht zuerst die linke Hirnhälfte und Input vom linken Ohr zuerst die rechte. Die beiden Hemisphären übernehmen bei der Sprachverarbeitung unterschiedliche Aufgaben: Die linke Seite ist für die Unterscheidung der Silben zuständig, die rechte erkennt die Sprachmelodie. Obwohl beide Hälften also die Informationen zeitlich verschoben erhalten und unterschiedliche Sprachmerkmale verarbeiten, integriert das Gehirn das Gehörte zu einem einzelnen Sprachlaut.

Der genaue Mechanismus hinter diesem Integrationsprozess war bis jetzt nicht bekannt. In früheren Studien fand Preisig jedoch Hinweise darauf, dass vom Gehirn hervorgerufene messbare Schwingungen – sogenannte Gamma-Wellen – dabei eine Rolle spielen. Nun ist es ihm gelungen, einen direkten Zusammenhang zwischen der Integration des Gehörten und der Synchronisierung durch Gamma-Wellen nachzuweisen. Neben den Neurolinguisten der UZH waren an dem Projekt auch Forschende aus den Niederlanden und Frankreich beteiligt.

Höraufgaben für die Testpersonen

An der im Fachjournal "Pnas" präsentierten Untersuchung nahmen 28 gesunde Versuchspersonen teil, die wiederholt eine Höraufgabe lösen mussten: Sie bekamen auf dem rechten Ohr eine zweideutige Silbe (einen Sprachlaut zwischen ga und da) und auf dem linken Ohr unbemerkt ein Klicken eingespielt, das ein Fragment der Silben da oder ga enthielt. Davon abhängig hörten die Versuchspersonen entweder ga oder da. Bei jeder Wiederholung mussten die Versuchspersonen angeben, was sie gehört hatten. Während dieses Vorgangs verfolgten die Forschenden die Aktivität in beiden Hirnhälften mit Hilfe funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRI).

Im Verlauf der Experimente störten sie das natürliche Aktivitätsmuster der Gamma-Wellen durch elektrische Stimulation der beiden Hirnhälften mit am Kopf befestigten Elektroden. Diese Manipulation beeinflusste die Fähigkeit der Teilnehmenden, die gehörte Silbe richtig zu identifizieren. Die fMRI-Analyse zeigte, dass dabei gleichzeitig auch Veränderungen in der Aktivität der Nervenverbindungen zwischen den beiden Hirnhälften auftraten.

Je nachdem, ob der Rhythmus der Gamma-Wellen mit Hilfe der elektrischen Stimulation in den beiden Hirnhälften synchron oder asynchron zueinander beeinflusst wurde, veränderte sich die Stärke der Verbindung. Diese Störung ging zudem mit einer Verschlechterung der Integration einher. Die Synchronisation der Gamma-Wellen scheint also die verschiedenen Inputs der beiden Hirnhälften miteinander abzugleichen und so für einen eindeutigen akustischen Eindruck zu sorgen.

Gegen Tinnitus und Stimmenhören

"Unsere Resultate unterstützen die Idee, dass die durch Gamma-Wellen vermittelte Synchronisation zwischen verschiedenen Hirnarealen ein grundlegender Mechanismus für die neuronale Integration ist", sagt Preisig. "Darüber hinaus zeigt diese Forschung erstmals am Beispiel des menschlichen Hörens, dass die Verbindung der beiden Hirnhälften erfolgreich durch elektrische Stimulation moduliert werden kann", ergänzt Alexis Hervais-Adelman, Leiter der Neurolinguistik am UZH-Institut für Psychologie, der ebenfalls der Studie beteiligt war.

Diese Erkenntnisse könnten in naher Zukunft auch Anwendung in der Klinik finden. "Frühere Studien zeigen, dass Störungen der Verbindung zwischen den beiden Hirnhälften mit auditiven Phantomwahrnehmungen wie Tinnitus und Stimmenhören einhergehen", so Preisig. "Somit könnte die elektrische Hirnstimulation einen vielversprechenden Weg für die Entwicklung von therapeutischen Interventionen darstellen." (red, 9.2.2021)