Nach der Pandemie werden sich die Wege von ÖBB- und Westbahn-Zügen wieder trennen. Derzeit fahren sie komplementär.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Die Westbahn nimmt die Signale der Politik auf und verlängert den mangels Staatshilfe auf der Kippe stehenden Gemeinschaftsbetrieb mit der ÖBB. Bis einschließlich kommendes Wochenende werde man ÖBB-Tickets anerkennen und den im April 2020 entworfenen Fahrtakt auf der Westbahnstrecke aufrechterhalten, skizzierte der kontrollierende Aktionär, Hans-Peter Haselsteiner, am Dienstag in einer Pressekonferenz die "Galgenfrist".

Bundesminister Blümel möge prüfen, appellierte Haselsteiner, ob es vorteilhafter wäre, wenn weitere Arbeitsplätze vernichtet würden und der Verkehr ausgedünnt werde oder das Angebot aufrechterhalten werde. Denn Verluste würden auch anfallen, wenn die ÖBB ihre Zugverbindungen ausweiten würde, diesfalls eben beim ÖBB-Eigentümer, dem Staat, der diese Verluste ausgleichen müsste. "Die Kosten sind im besten Fall gleich hoch wie die vierzig Millionen Euro, die die nun zurückgehaltene Notvergabe verursachen würde", rechnete der Neos-Unterstützer vor.

Frist bis zum Wochenende

In der Hoffnung, dass es bis zum Wochenende doch noch zu einer Einigung samt Neuauflage der Notvergabe komme, halte man den Betrieb vorerst aufrecht. "Es geht ja nicht um ein Füllhorn, das ausgeschüttet werden soll", sagte Haselsteiner. Und: Mehr Züge auf Schiene seien auch im Kampf gegen die Pandemie vorteilhaft.

Was ohne Notvergabe zu erwarten ist, klingt wenig erbaulich: "Wir müssten uns einigeln, also auf Minimalbetrieb umstellen, bei dem die Westbahn nur zu Verkehrsspitzen, also in der Früh und am Nachmittag, im Zweistundentakt zwischen Wien und Salzburg verkehren würde." Eine Einstellung des Fahrdienstes schließt Haselsteiner aus. Die Zahl der Zugkilometer würde dann von 11.000 bis 12.000 mehr als halbiert, nämlich auf 5.000.

"Interesse der Steuerzahler"

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) sagte in einer Pressekonferenz, er "vertrete nun mal das Interesse der Steuerzahler", und daher müsse er darauf achten, "welche Förderungen ausbezahlt werden". Auf die ÖBB heruntergebrochen heißt das für ihn: Das Unternehmen habe auch im Krisenjahr 2020 Gewinne gemacht. Daher sei es nur verständlich, dass die Fachabteilungen in seinem Ministerium bei Verkehrsministerin Leonore Gewessler und den dortigen Fachabteilungen nachfragten, weshalb genau weitere Hilfen benötigt werden.

Ob das Geld fließen werde, hänge von den "Antworten" ab, so Blümel. Wann diese erwartet werden, sagte er nicht. Auf die Frage, warum das Finanzministerium in diesem vergleichsweise kleinen Fall über Gewinne Bescheid wissen wolle, andere Unternehmenshilfen aber unabhängig von der Gewinnentwicklung ausbezahle, antwortete Blümel nicht direkt. Er sprach vielmehr davon, dass es bei geförderten Unternehmen "natürlich ein Kriterium" sei, dass die Betriebe einen entsprechenden Umsatzverlust hatten.

Förderungen und Verluste

Das vom Finanzministerium indirekt ins Treffen geführte Argument, die Westbahn fahre Verluste ein, und deshalb seien Staatshilfen nicht gerechtfertigt, weisen Haselsteiner und Westbahn-Chef Erich Forster zurück. Mit 16 Millionen Euro Gewinn nach Steuern habe man 2019 einen soliden Gewinn ausgewiesen. Man habe natürlich Schulden aufgrund hoher Investitionen in Rollmaterial, aber operativ habe das Geschäftsmodell vor der Corona-Krise sehr wohl funktioniert. Den mit rund 200 Mitarbeitern erwirtschafteten Umsatz aus Fahrkarten gibt Forster für 2020 mit 39 Millionen Euro an, heuer sollen es 45 Millionen Euro sein – vorausgesetzt, das Geschäft springt ab Mai wieder an.

Zur Größenordnung der umkämpften Förderungen für ÖBB und Westbahn: Diese brauchen den Vergleich mit anderen Wirtschaftshilfen nicht zu scheuen. In der ersten Tranche im April 2020 wurden vom Verkehrsministerium 48 Millionen Euro ausgeschüttet, davon rund acht Millionen an die Westbahn. In der zweiten Tranche bis Anfang Februar flossen der Westbahn 6,1 Millionen Euro zu, macht in Summe also 14 Millionen Euro für neun Monate. Rechnet man die zweite Tranche mit dem gleichen Schlüssel hoch, müsste der ÖBB-Personenverkehr an die 37 Millionen Euro bekommen haben, in Summe also rund 77 Millionen.

Mehr als 90 Millionen Euro

30 Millionen Euro würden zwei weitere Monate Notvergabe kosten, sagte Verkehrsministerin Leonore Gewessler. Zusammen bekamen ÖBB und Westbahn seit April 2020 fast 93 Millionen Euro – wobei das Verkehrsministerium hier nicht wahnsinnig transparent agiert. Warum der ÖBB pro Zugkilometer deutlich mehr abgegolten wird als der Westbahn, bleibt das Geheimnis der Republik. (ung, szi,, 9.2.2021)