Das Duo Steiner & Madlaina veröffentlicht am Freitag sein schlau verzweifeltes Album "Wünsch mir Glück".

Foto: Glitterhouse / Tim Wettstein

Das Thema umweht bereits eine gewisse Zeitlosigkeit: "Wenn ich ein Junge wäre, das wäre wunderschön." Diesen immergrünen Transgender-Schlager machte 1963 die Italienerin Rita Pavone mit Pesto- und Sugo-Idiom im deutschen Sprachraum berühmt. Seitdem gilt Wenn ich ein Junge wär’ als Klassiker, den sich in der Folge und weniger demütig als im Original Nina Hagen zur Brust genommen hat – und später Bands wie Stereo Total, das Fräulein Wunder oder gar der finnische New Waver Tumppi Varonen, ja, genau der.

Nun legt das Schweizer Duo Steiner & Madlaina ihre Version drauf – wobei: Die ist selbst geschrieben und beleiht bloß den Titel des Lieds aus der Feder von Heinz Buchholz. Ihr Lied befindet sich auf ihrem zweiten Longplayer. Der heißt Wünsch mir Glück und erscheint am Freitag beim deutschen Label Glitterhouse.

Steiner & Madlaina

Das Thema des Lieds ist geblieben: Die Welt, so lautet es, sei in Hosen ungleich leichter zu ertragen, und das sei ungerecht. Immerhin die Sache mit den Hosen als ausschließlich Stehpinklern zugestandenem Beinkleid scheint überwunden, ansonsten herrscht leider immer noch keine Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern.

Bitte nicht retten

Das Lied Wenn ich ein Junge wäre (Ich will nicht lächeln) zeigt Steiner & Madlaina in eher angriffiger Stimmung. Immer noch werden Frauen kleingehalten, werden Klischees wie fehlendes Verständnis für Technik hochgefahren. Da halten Nora Steiner und Madlaina Pollina dagegen: "Ich komm alleine klar, möchte nicht gerettet werden." Die aus Zürich stammenden Frauen wirken gereizt, die Gitarre vergleichsweise streng, doch das ist die Ausnahme.

Die Musik ist sonst von Nonchalance geprägt. Im Tresor der Welt geboren, wissen S & M um ihre Privilegien und fühlen sich darob ein bisserl schlecht. Aber nicht zu sehr. Wenn schon selbst in der Schweiz spürbares Ungemach besprochen werden muss, dann bitte nur mit lustigem Sprudel in Reichweite: Es geht mir gut heißt das Eröffnungslied. Zwar werden da des Menschen Dummheit und seine Auswirkungen auf den Planeten mit einer gewissen Sorge betrachtet, aber bei "40 Grad im Schatten" ist man dann doch "zu faul für Debatten". Wobei sich das schlechte Gewissen als Stachel im Fleisch erweist und sie erkennen lässt: "Wenn wir alle Lust drauf hätten, könnten wir die Welt noch retten."

Steiner & Madlaina

Steiner & Madlaina vertonen derlei Einsichten in einer Mischung aus Indie-Rock und Progressiv-Schlager. Nachdem die beiden seit der Schulzeit befreundeten Frauen zu Beginn auch auf Englisch und Schwyzerdütsch gesungen haben, halten sie nun am Deutschen fest. Das scheint sich wahrhaftiger anzufühlen. Denn die Gefühligkeit der Lieder trägt die Haltung der Kunst, und die scheint auf Deutsch klarer vermittelbar zu sein. Zudem haben Tourneen mit geistesverwandten Bands wie Element of Crime oder Faber (der Bruder von Madlaina) sie darin bestärkt.

Blöde Wirklichkeit

Wünsch mir Glück mit seinen elf Liedern belegt, dass hier jemand in seiner Form angekommen ist. Die Friktion zwischen Hedonismus und Bedrohung durch die blöde Wirklichkeit durchzieht die meisten Stücke – sowie das Zwischenmenschliche, das Selbstverständnis und der Durst.

Verleimt werden diese Zutaten von einer einnehmenden Melancholie da, dort von einer großen Goschen. Die Mischung stimmt; oft hat man den Eindruck, manch ein Lied könnte entstanden sein, als die beiden Frauen auf dem Nachhauseweg um vier Uhr morgens eine Eingebung hatten – während die eine der anderen die Haare hielt, weil die sich gerade den Magen frei machte: "Jung sein ist schwer, jung sein tut weh", heißt es in So schön wie heute: Lebensfreude mit saurem Magen, Optimismus mit Zukunftsangst, Wohlstandsverwahrlosung und Gewissensbisse, blöde Sache.

Steiner & Madlaina schwanken souverän durch diese Minenfelder des Lebens. Im Lied Casanova trifft das Duo am Ende des Albums einen hübschen Mann. Alles scheint zu passen, gibt’s ein Happy End? Ach. Ein hübscher Schmeichler bloß, nicht interessant genug. (Karl Fluch, 10.2.2021)