Dieser Bub, der einen negativen Antigentest herzeigt, ist kein Einzelfall: An den Schulen wurden verdächtig wenige infizierte Kinder gefunden.

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Endlich eine gute Nachricht inmitten der Corona-Tristesse. Danach klingen zumindest jene Zahlen, die aus den Schulen Wiens und Niederösterreichs dringen. Zum Neustart des Unterrichts in den Klassen am Montag hat der Großteil der 280.000 Schülerinnen und Schüler Corona-Schnelltests absolviert. Nur in 56 Fällen zeigten diese laut der bisherigen Meldungen Infektionen an – und es ist absehbar, dass es sich bei einem Teil davon um falsch positive Ergebnisse, also um Fehlalarm, handelt.

Entwarnung an den Schulen? Michael Wagner erhebt Einspruch. "Ich bin mir sicher, dass bei den Tests etliche Kinder übersehen wurden, die mit Covid-19 infiziert sind", sagt der Mikrobiologe von der Uni Wien: "Ein Teil davon ist bestimmt auch infektiös – und kann das Virus somit weiterverbreiten."

Nachteil des Nasenbohrertests

Stutzig macht Wagner der Vergleich mit der von ihm geleiteten "Gurgelstudie", die im Auftrag des Bildungsministeriums an Schulen stattfand. Schon der erste Durchlauf Ende September / Anfang Oktober brachte mit etwa 0,4 Prozent positiven Ergebnissen eine weitaus höhere Quote als der Testreigen am Montag, der nur bei grob gerechnet 0,02 Prozent eine Infektion auswies.

Der Experte erklärt sich die Diskrepanz in erster Linie mit der geringen Empfindlichkeit der nun flächendeckend an den Schulen eingesetzten Tests. Im Gegensatz zu den PCR-Tests der Gurgelstudie handelt es sich um Antigen-Schnelltests, die erst bei einer viel höheren Viruskonzentration anschlagen. Wagner schätzt die Sensitivität des verwendeten chinesischen Produkts, bei dem per Wattestäbchen etwas Sekret aus dem Nasenloch geschabt wird, bei Kindern ohne Symptome als noch geringer ein als bei jener Variante, wo ein unangenehmer Abstrich im Rachen genommen wird.

Eine Studie der Gesundheitsagentur Ages befeuert Skepsis. Demnach lieferten Tests mit Abstrich in der Nase bei drei Viertel der Menschen mit leichten Symptomen ein positives Ergebnis. Bei symptomlosen Personen lag die Quote nur bei 41 Prozent.

Durchs Netz geschlüpft

"Die Schnelltests an den Schulen sind ein grobes Netz, durch das etliche Infizierte durchgeschlüpft sein werden", glaubt auch Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS). Da die Kinder die Tests unter Anleitung ja selbst durchführen, stelle sich zudem die Frage, ob dies immer sorgsam geschehe.

Czypionka nennt noch einen weiteren Grund, warum ihn die wenigen Treffer bei den ersten "Nasenbohrertests" am Montag nicht überrascht haben: Immerhin fanden diese direkt nach einem Lockdown plus Ferien statt, weshalb viele Kinder wohl wenig Kontakt zu Freunden gehabt haben. Allerdings sei es seinem Eindruck nach schon auch so, dass die Infektionsproblematik derzeit eher bei anderen Altersgruppen liege: "Bei Lockdown-müden Erwachsenen, die in Wohnungen Partys feiern oder sich in Hinterzimmern der Wirtshäuser treffen."

Das Besser-als-nichts-Argument

Haben die ab sofort Woche für Woche angesetzten Tests also nur wenig Wert? Er sei sich der mangelnden Genauigkeit bewusst, argumentiert Bildungsminister Heinz Faßmann, kontert Kritik aber mit einer Gegenfrage: "Wäre es besser, nicht zu testen?" Überdies setzten die Schulen ja nicht allein aufs Nasenbohren, sondern auch auf allerlei andere Maßnahmen, von der Maske bis zum Schichtbetrieb.

Die Experten können dem Besser-als-nichts-Argument durchaus etwas abgewinnen. Es sei wichtig, die Schulen wieder zu öffnen, sagt Czypionka, denn gerade für Volksschüler funktioniere Distance-Learning nur schlecht: "Dass dieser Schritt mit Schnelltests begleitet wird, ist ein guter Kompromiss." Um herauszufinden, wie viel die Tests wirklich nützen, müssten die Resultate in Stichproben aber durch PCR-Tests überprüft werden.

Eine Evaluierung sei geplant, heißt es aus dem Ministerium, überdies soll mit März auch ein neuer Durchlauf der Gurgelstudie starten.

Was Tests nicht beweisen

Wenig sensitive, aber regelmäßig durchgeführte Tests seien immer noch vernünftiger, als Kinder ganz ohne Überprüfung in die Schule zu schicken, sagt auch Wagner, warnt aber vor Trugschlüssen: Niemand solle glauben, dass man nach einem negativen Test, der ohnehin nur eine Momentaufnahme sei, ohne Risiko die Oma besuchen könne. Als wissenschaftliches Argument taugten die Ergebnisse erst recht nicht: "Dass Kinder zurzeit bei den Infektionen keine Rolle spielten, belegen diese Zahlen in keiner Weise." (Gerald John, 10.2.2021)