Österreich hat einen guten Ruf und eine starke Marke zu verteidigen. Die verbalen Hackeln, die jüngst zwischen Tirol und Wien in Sachen Corona-Eindämmung geflogen sind, schaden dem Image.

Foto: imago

Österreich galt in der Außenwahrnehmung bisher als friedliches, sicheres und schönes Land. Schön trifft noch immer zu, bei friedlich und sicher haben sich Fragezeichen eingeschlichen. Seit den verbalen Hackeln, die zuletzt zwischen Repräsentanten Tirols und dem Gesundheitsministerium in Wien geflogen sind, ist die Aufmerksamkeit insbesondere in Deutschland noch stärker auf Österreich gerichtet als bisher schon.

Markenexperten sind sich einig, dass dadurch ein Imageschaden entstanden ist – nicht nur für das Bundesland Tirol, sondern für ganz Österreich. Wie groß der ist, lässt sich so einfach nicht messen – und vor allem nicht so kurzfristig. Auch wird das Ausmaß des Schadens, der sich letztlich in weniger Buchungen und damit Ankünften und Nächtigungen bemisst, davon abhängen, wie viel Öl noch ins Feuer gegossen wird. Deshalb die dringende Empfehlung der Profis, Konflikte, die es gibt in so einer hochkomplexen Sache, wie es eine Pandemiebekämpfung nun einmal ist, nicht auf offener Bühne auszutragen.

Starke Marken

"Beide Marken, sowohl Österreich als auch Tirol, sind in der Tourismuswelt extrem stark", sagt Michael Brandtner im Gespräch mit dem STANDARD. Der in Rohrbachberg im Mühlviertel beheimatete Markenexperte ist seit 25 Jahren im Geschäft. "Bei starken Marken trifft zu, dass sie sehr viel aushalten. Man kann aber auch sehr viel ruinieren", warnt Brandtner.

Die Außensicht auf den Konflikt um das Corona-Management sei jedenfalls verheerend. "Wien ist Verlierer, weil es Leadership vermissen lässt, Tirol ist Verlierer, weil es medial auf ein zweites Ischgl zusteuert. Das wirklich Gefährliche für Außenstehende ist, dass sich beide gegenseitig schlecht machen", fügt Brandtner hinzu. "Das ist wie in einem Wahlkampf. Wenn sich Politiker gegenseitig anschütten, bleibt im Endeffekt bei der Bevölkerung hängen: Alle Politiker sind "Idioten". Insofern färbe der aktuelle Streit negativ auf das ganze Land ab.

"Für Image nicht förderlich"

Für das Image des Landes sei das Vorgefallene "sicher nicht förderlich", meint auch Dieter Scharitzer von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. Der Markenexperte sieht zwar kurzfristig einen Imageschatten, die Marke Österreich könnte aber schon bald wieder glänzen. "Ich glaube an das Gute", sagt der Professor. "Wenn ich grundsätzlich gerne als Deutscher nach Österreich fahre oder als Wiener nach Tirol, werde ich mich durch solche Scharmützel auch nicht davon abbringen lassen."

Zur Erinnerung: 2019, dem Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie, wurden in Österreich 152,7 Millionen Nächtigungen gezählt, so viele wie noch nie.

Ruf schnell ruiniert

Tourismusforscher Andreas Reiter, der selbst aus Tirol stammt, macht einen Unterschied zwischen Aussagen und Handlungen. "Die verbalen Attacken sind ein rein emotionales Match zwischen Wien und Tirol, das spielt aus Markensicht keine Rolle. Was aber sehr wohl registriert wird, sind die Handlungen bzw. Nichthandlungen bei der Bekämpfung von Corona." Ein Ruf sei jedenfalls schnell ruiniert.

"So wie ein beträchtlicher Aufwand getrieben wurde, um Tirol als Destination in die allerhöchsten Sphären der Tourismusbranche zu heben, wird es auch wieder dauern, verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen", bringt es Benjamin Knapp von der Brandingagentur Saffron auf den Punkt. (Günther Strobl, 10.2.2021)