Haben homosexuelle Soldaten im Bundesheer ein Problem? Das Ministerium sagt: Nein.

Foto: apa / peter kolb

Wien – Es hat Jahrzehnte, einen hohen Dienstgrad und einen Stupser von seinem späteren Ehemann gebraucht, damit sich Charles Falak-Eismayer im Bundesheer als schwul geoutet hat. Die längste Zeit hat der Vizeleutnant ein Doppelleben geführt, wie er dem STANDARD sagt.

Ein Doppelleben deshalb, "weil das Bundesheer in gewissen Sachen noch nicht so weit ist". Nach wie vor werde ein homosexueller Soldat schief angeschaut und nicht gleich behandelt, sagt Falak-Eismayer: "Man wird ihn nicht an den Pranger stellen, aber die Nase rümpfen." Und: Ein schwuler junger Mann würde etwa bei der Zuteilung zu Kursen wohl eher als Zweiter gereiht. "Außer er ist verdammt, verdammt gut."

Falak-Eismayer sagt, sein Outing sei ihm sicher leichter gefallen, weil er im Heer ein gewisses Standing hat – der Staffelkommandant steht weit oben in der Hierarchie, ist berüchtigt für seine strengen Erziehungsmethoden, sein Leben wird derzeit verfilmt, und der Streifen soll 2022 Premiere feiern.

"Widerliche" Videos

Falak-Eismayer glaubt auch, dass die heftige Reaktion des Heeres auf die Vorfälle in der Güssinger Kaserne bis zu einem gewissen Grad auf Homophobie zurückzuführen sind. Ende Jänner waren ja Videos von einer Party junger Soldaten aufgetaucht, bei der auch sexuelle Handlungen zwischen Männern zu sehen waren. Bundesheersprecher Michael Bauer hatte die Videos als "das Widerlichste, was ich in meiner 35-jährigen Dienstzeit beim Bundesheer sehen musste" bezeichnet. Den Videos wurde viel mediale Aufmerksamkeit zuteil. Wenige Tage später wurde einer der beteiligten Männer tot aufgefunden, er dürfte durch Suizid gestorben sein.

Heeressprecher Bauer weist den Vorwurf der Homophobie entschieden zurück. Ihm sei es um den Kontext des Videos gegangen, dass dort in einer großen Gruppe "diese Handlungen durchgeführt" werden. "Ich stehe nach wie vor dazu, dass das widerlich ist, das in einer Öffentlichkeit zu machen", sagt er.

Auch von struktureller Diskriminierung im Heer sei ihm nichts bekannt: "Das ist weder ein Thema noch ein Problemfeld", sagt Bauer. "Es gibt schon Fälle, wo Menschen homosexuell sind und andere zu Handlungen zwingen. Dann wird es ein Thema", spannt Bauer den Bogen von der Diskriminierung Homosexueller zum Thema Missbrauch. Einen entsprechenden Fall hat das Heer gerade erst publik gemacht, der Betroffene wurde suspendiert und angezeigt.

Grüne wollen einen Plan

Tatsächlich findet sich in den Berichten der Bundesheer-Beschwerdekommission der vergangenen vier Jahre kein einziger Verweis auf Homosexualität. Auch Reinhard Bösch, FPÖ-Wehrsprecher und Vorsitzender der Kommission hält Homophobie im Heer für "ein sehr kleines Problem". Es könnte zwar sein, dass "im Rahmen von Schimpfwörtern" auf Homosexualität Bezug genommen wird, "aber das trifft dann eigentlich den Sachverhalt nicht, sondern das wird eher eine allgemeine Floskel sein".

Der grüne Wehrsprecher David Stögmüller glaubt dagegen, dass "das Bundesheer hier noch sehr weit hinten hängt". Etliche junge Männer würden ihre sexuelle Orientierung für die Zeit des Grundwehrdienstes einfach verschweigen, "weil da ein großes Schamgefühl ist".

Es brauche "eine breite Strategie, um das Bundesheer endlich ins 21. Jahrhundert zu bringen", das habe er auch schon Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) in einem Gespräch mitgeteilt. Denn "im Katastrophenfall ist es vollkommen egal, welche sexuelle Orientierung der Kollege neben mir hat", sagt Stögmüller. (Sebastian Fellner, 10.2.2021)