In Tirol sorgt die ab Freitag geltende Ausreisesperre für gemischte Gefühle.

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Innsbruck – Ab Freitag wird für die Ausreise aus Nordtirol ein negatives Testergebnis nötig sein, das nicht älter als 48 Stunden sein darf. Die Bundesregierung "verhängte" diese Maßnahme am Montag, nachdem sich die Landesregierung das Wochenende über geweigert hatte, alles andere als eine Öffnung des Lockdowns zu akzeptieren. Doch angesichts der in Tirol grassierenden ansteckenderen Coronavirus-Mutante B.1.351 – das Bundesland weist nach Südafrika selbst weltweit die höchste Fallzahl dieser Variante auf – sah sich Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gezwungen zu handeln.

Tirols Landeshauptmann Platter war am Dienstagabend um Deeskalation bemüht.
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Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), der zuvor die aufmüpfigen Parteikollegen angeführt hatte, ruderte am Dienstagabend zurück. In einer Videoansprache im Tiroler Lokalfernsehen war er sichtlich um Deeskalation bemüht. Die von der Bundesregierung verhängten Maßnahmen bezeichnete er als gut. Man müsse nun "gemeinsam an einem Strang ziehen". Nach den "Irritationen" sei es an der Zeit, die "Muskelspiele" sein zu lassen. Tiroler VP-Politiker hatten zuletzt mit skurrilen Drohungen und Beleidigungen in Richtung Wien für Kopfschütteln gesorgt.

Doch Platter versuchte weiterhin, die Sperre Nordtirols ab Freitag schönzureden. So ändere sich für die Tiroler selbst kaum etwas, bekräftigte er, sie könnten sich weiterhin im Bundesland bewegen wie bisher. Dabei wäre die Bevölkerung eigentlich dringend angehalten, die Mobilität so weit wie möglich einzuschränken, um auch in Tirol selbst die Ausbreitung der Virusmutante zu bremsen. Aktuell gibt es mindestens 120 aktiv positive Fälle, rund 300 wurden bisher insgesamt nachgewiesen.

Tiroler Grüne kritisieren "ÖVP-Machos"

Der grüne Koalitionspartner der Tiroler Volkspartei versuchte sich aus dem Disput zwischen Innsbruck und Wien tunlichst herauszuhalten. Die Drohgebärden seien ein Machogehabe, das man ablehne, erklärte dazu Klubobmann Gebi Mair. Die vergangenen Tage seien für alle Tirolerinnen und Tiroler "eine Achterbahnfahrt zum Abgewöhnen" gewesen. Dazu haben aus Mairs Sicht Wortspenden von "unguided missiles" beigetragen, die "offenbar komplett aus den Augen verloren haben, worum es in der Pandemiebekämpfung und auch für Tirol geht".

Die nun von der Bundesregierung oktroyierten Ausreisebeschränkungen begrüßt der grüne Klubobmann wiederum: "Die Reisewarnung war symbolisch gut gemeint, aber ich bin, ehrlich gesagt, froh, dass die jetzt verordneten verpflichtenden Tests bei der Ausreise beschlossen wurden. Damit herrscht rechtliche Klarheit, die dem Ernst der Lage entspricht." Hinsichtlich der drohenden Einstufung des Bundeslands als Mutationsgebiet durch das deutsche Robert-Koch-Institut sagte Mair: "Wenn es dazu kommt, dann brauchen wir nicht mit dem Finger auf andere zu zeigen. Daher nochmals: Jetzt vereint für die Schutzmaßnahmen eintreten und gemeinsam die Mutation in Schach halten."

Innsbrucks Bürgermeister Willi: "Platter hat Lage im Griff"

Lobende Worte für das Krisenmanagement des Tiroler Landeshauptmanns kamen hingegen vom grünen Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi. "Natürlich wäre es wünschenswert, wenn aus dem Bezirk Schwaz heraus die Leute wenig reisen", sagte er im Ö1-Morgenjournal. Die Menschen sollten wegen einer höheren Konzentration der südafrikanischen Variante im Bezirk bleiben. Deren Gefahr sei in Tirol schwer zu vermitteln gewesen, weil die Sequenzierung von Proben "ziemlich lang" gedauert habe, sodass einige Erkrankte bereits wieder gesund gewesen seien, als die Zahlen vorlagen.

Dieses "komplexe Geschehen" der Bevölkerung zu erklären ist laut Willi nicht einfach. "Das kann sein", sagt Willi dazu, dass das Problem an anderen Orten deutlicher erkannt worden sei. In dieser Breite sei es aber erstmals aufgetreten. "Immer beim ersten Mal macht man nicht alles richtig", so der Bürgermeister. Den Hinweis, dass die Einsicht von Landeshauptmann Platter hinsichtlich neuer Maßnahmen "sehr spät" gekommen sei, lässt Willi nicht gelten. "Wir haben heute Mittwoch. Die Diskussion war am Sonntag", rechnet er vor. Platter stärkt der Bürgermeister den Rücken: "Er hat die Lage im Griff." Der Landeshauptmann mache seine Aufgabe "sehr gut".

SPÖ-Chef Dornauer: "ÖVP schadet Tirol"

Herbe Kritik am "unsäglichen Wochenende" – gemeint sind die Drohungen der Tiroler VP gen Bundesregierung – übt Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer. Der Zwist zwischen Land und Bund sei auch außerhalb Österreichs wahrgenommen worden und habe kein gutes Licht auf Tirol geworfen: "Walser, Hörl und Co haben damit dem Land massiven Schaden zugefügt." Für ein bisschen Tiroler Gepolter habe er ja Verständnis, aber was die "VP-Phalanx" vorgeführt habe, sei zu viel gewesen.

Dornauer wirft der Landesregierung vor, die Fehler vom Vorjahr zu wiederholen: "Dieselben Akteure wie damals lassen jetzt wieder viel zu viel wertvolle Zeit verstreichen, anstatt zu handeln." Der SPÖ-Politiker meint damit zum Beispiel den Tiroler Wirtschaftskammerpräsidenten (WKO) Christoph Walser (ÖVP), wie er erklärt: "Bei Ischgl hat man, um die WKO-Wahl am 8. März 2020 nicht zu stören, viel zu spät Maßnahmen ergriffen." Nun habe man seit dem Aufdecken der Mutationsnachweise in Tirol durch den STANDARD am 23. Jänner und die eindringliche Warnung der Innsbrucker Virologin Dorothee von Laer "wieder wertvolle Wochen" verstreichen lassen. Für Dornauer sei es daher höchst an der Zeit, dass in Tirol "personelle Konsequenzen" folgen.

Neos kritisieren "unwürdiges Schauspiel"

Tirols Neos-Chef Dominik Oberhofer fand weniger lobende Worte: "Statt schnell und effizient den Bezirk Schwaz abzuriegeln und damit die Ausbreitung der gefährlichen südafrikanischen Mutation zu stoppen, liefern Bundes- und Landesregierung eine Woche lang ein unwürdiges Schauspiel mit täglich neuen Schuldzuweisungen und Ankündigungen von nutzlosen Maßnahmen."

Oberhofer bezweifelt, dass die Ausreisetests praktisch umsetzbar sind: "Man stelle sich Lkw-Fahrer vor, die von Kufstein bis auf den Brenner Tirol durchqueren. Schicken wir die dann alle zurück, wenn sie keinen negativen Test an der Grenze zu Italien vorweisen können?"

FPÖ-Chef ist "stinksauer" und ruft zu Transitwiderstand auf

Seinem Unmut über die geplante Abschottung Nordtirols machte FPÖ-Landeschef Markus Abwerzger am Montag auf "Oe24" Luft. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) richtete er aus, dass er sich in Tirol besser nicht mehr blicken lassen solle: "Den wollen wir nicht mehr sehen." Der FPÖ-Politiker drohte sogar im Stil einer wirren Wutwirtin: "Wenn man uns zusperrt, sperren wir alles auf." Darauf angesprochen, ruderte er am Mittwoch allerdings zurück: "Das war süffisant gemeint. Ich rufe natürlich nicht dazu auf, gegen die Maßnahmen zu verstoßen."

Was er sich allerdings vorstellen könne als Retourkutsche für die Abriegelung, ist eine Sperre der Brennerautobahn für den Transit. "Nicht jetzt, aber im Sommer könnte man eine Großdemo organisieren", so Abwerzger zum STANDARD. Kritik übt er an der Landesregierung, die die Opposition vergangene Woche noch mit falschen Zahlen zur tatsächlichen Infektionslage versorgt habe: "Ich bin stinksauer! Die Fakten, die man uns am Donnerstag präsentiert hat, stimmten nicht." Insgesamt plädiert der FPÖ-Obmann dafür, von einer Zero-Covid-Strategie abzugehen, weil diese nicht machbar sei, und zu lernen, "mit dem Virus zu leben". (Steffen Arora, 10.2.2021)