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Der bulgarische Investigativjournalist Christo Grozev.

Foto: REUTERS/Hannah McKay

Moskau/Wien – Die Recherche-Plattform Bellingcat untersucht Fälle getöteter Tschetschenen in Österreich. "Wir arbeiten an einigen Morden, die von Österreich nicht genau untersucht wurden, in Zusammenhang mit Tschetschenen, die in Österreich getötet wurden", erklärte der bulgarische Investigativjournalist Christo Grozev am Mittwoch in einem Online-Pressegespräch, das vom "forum journalismus und medien" (fjum) und dem Presseclub Concordia veranstaltet wurde.

Der Journalist, der im Team aufdeckte, dass der russische Geheimdienst FSB hinter dem Giftanschlag auf den Oppositionellen Alexej Nawalny stecken soll, ortete bei den österreichischen Strafverfolgungsbehörden "Unwillligkeit, bei russischen Verbrechen in Österreich in die Tiefe zu ermitteln". Bekannt sei, dass frühere Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz (BVT) "herzliche Beziehungen zu Russland" gehabt hätten. Er hoffe aber, dass dies schon aus Eigeninteresse nicht mehr der Fall sei. Denn sonst bleibe das BVT eine komplett "isolierte" Behörde mit keinerlei Zugang zu Informationen. Der Geheimdienst des Verteidigungsministeriums sei hier besser als das BVT früher. Außerdem kündigte Grozev, der in Wien lebt, ein "Follow-up" im Zusammenhang mit dem flüchtigen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek an.

Zu seinen Recherchen in Bezug auf in Österreich getötete Tschetschenen nannte Grozev am Mittwoch keine weiteren Details. Konkret kommen zwei Fälle in Frage: Die Ermordung von Umar Israilov 2009, die zu rechtskräftigen Verurteilungen von drei Beitragstätern führte, sowie die Todesschüsse auf Martin B. in Gerasdorf bei Wien im vergangenen Juli.

Über EU-Reaktion enttäuscht

Grozev zeigte sich über die Reaktion der EU auf den Nawalny-Giftanschlag enttäuscht. "Ich hoffe, dass Fortsetzungen unserer Recherchen, die das Ausmaß dieses (staatlich russischen, Anm.) Programms von Mordanschlägen zeigen, das Fass zum Überlaufen bringen. Denn es hat nicht nur mit Nawalny oder oppositionellen Politikern zu tun, sondern auch mit Personen, die Putin beleidigten", sagte er. Nach der Veröffentlichung dieser Recherchen würde es für führende EU-Vertreter unmöglich sein, nicht stärker zu reagieren, kündigte er an.

In kürzlich von Grozev mit Partnern in Russland veröffentlichten Recherchen waren bisher drei mysteriöse Todesfälle von russischen Politikern und Aktivisten mit dem laut Bellingcat in der Causa Nawalny involvierten Kriminalistikinstitut des FSB in Verbindung gebracht worden.

Er selbst habe Wochen lang nicht schlafen können nach der Entdeckung des russischen "staatlichen Tötungsprogramms", das mindestens 20 Menschen ermordet habe. Angesprochen auf seine persönliche Sicherheit erklärte Grozev: "Nein, ich fühle mich nicht sicher." Nawalny habe zu ihm gesagt: "Wahrscheinlich ist Putin über dich mehr verärgert als über mich. Pass auf." Dennoch fühle er sich verpflichtet, seine Arbeit weiterzumachen. Einerseits, weil er es könne, und andererseits:" Wenn wir es nicht tun, wird es keine Strafverfolgungsbehörde untersuchen."

Geständnis als Karriere-Höhepunkt

Als Höhepunkt seiner Karriere bezeichnete Grozev den Moment, als der mutmaßliche FSB-Mitarbeiter in einem Telefongespräch mit Nawalny die Tat gestand. "Das kann man nicht toppen." Den mutmaßlichen Täter nannte er einen "armen Killer". Nach seinen Informationen lebe er noch, denn der FSB töte seine Mitarbeiter nicht wegen Fehlern. Der Agent habe allerdings Probleme mit seinen Nachbarn. Im Aufzug seines Hauses sei eine Notiz gewesen: "Wir wussten nicht, dass wir mit einem Mörder zusammenleben." (APA, 10.2.2021)